§ 218: Die Frauen mal wieder verraten!
Das war’s. Eine historische Chance ist vertan. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, BSW und Linken sowie jenen Abgeordneten der FDP, die noch Anstand haben, hätte es eine knappe Mehrheit geben können für das, was Frauen und auch etliche Männer in Deutschland seit über einem halben Jahrhundert fordern: das Recht auf Abtreibung. Hätte. Dass der späte halbherzige Versuch scheiterte, überrascht EMMA nicht. Wir sind von Anbeginn davon ausgegangen, dass er von keiner Seite her ernst gemeint war, sondern nur hohles Wahlkampfgetöse. Schließlich hatte der SPD-Kanzler schon gewarnt: Man rühre besser nicht an den §218-Kompromiss, das Thema „polarisiere“.
Letztendlich klar verhindert haben es die Union und die FDP. Die Begründung ist atemberaubend: Man habe keine „Zufallsmehrheit“ mit der AfD bilden wollen. Will heißen: Bei der Abstimmung hätten Union, FDP und AfD absehbar gemeinsam den Gesetzentwurf für die Legalisierung abgelehnt.
Ist es jetzt etwa schon nicht mehr opportun, etwas gemeinsam mit der AfD abzulehnen?
Bitte was? Ist es jetzt schon nicht mehr opportun, etwas gemeinsam mit der AfD abzulehnen? Nachdem Friedrich Merz seinen (rein rechtlich erwartbar folgenlosen) Fünf-Punkte-Plan zur Migration mit der AfD durchbringen wollte? Das ist schlicht und einfach undemokratisch. Genauso, wie einen Gesetzentwurf, der von 329 Abgeordneten eingebracht wurde, nicht im Bundestag abstimmen zu lassen. Zumal 80 Prozent der Bevölkerung für eine Legalisierung der Abtreibung waren und sind.
Aber dieser Coup von CDU/CSU und FDP ist ja nur das Ende einer langen Kette der, pardon, Frauenverarschung in Sachen §218. Wir halten fest: SPD und Grüne hatten ihren WählerInnen versprochen, Abtreibungen „aus dem Strafgesetzbuch zu nehmen“. Die damaligen KanzlerkandidatInnen Olaf Scholz und Annalena Baerbock persönlich hatten dies auf eine Anfrage von EMMA vor den Wahlen angekündigt.
Doch die sogenannte „ Fortschrittskoalition“ tat - nichts. Das lag zunächst an der FDP, die sich verweigerte. Beziehungsweise die die Legalisierung der Abtreibung verdealen wollte gegen die Legalisierung der Leihmutterschaft. Was passierte also? Es wurde mal wieder eine „Kommission“ eingesetzt. Das muss man sich mal vorstellen! Seit 1971 fordern Frauen in Deutschland und der ganzen westlichen Welt das Recht auf Abtreibung und die Fristenlösung. Seit Jahrzehnten haben die meisten Länder diese Fristenlösung. Und die Ampel setzt 2023 eine „Fachkommission“ ein, die sich das alles nochmal anschauen soll.
Der Bundeskanzler wollte am Thema lieber doch nicht rühren, weil es "polarisiert"
Im April 2024 gab die Kommission ihre „Empfehlung“ ab. Die lautete klar: Abtreibung legalisieren! Doch was tat der SPD-Bundeskanzler, der mit seiner Richtlinienkompetenz ein neues Gesetz auch gegen die FDP hätte durchdrücken können? Er erklärte, am Status quo nicht rühren zu wollen. Begründung: Das Thema „polarisiere“. Ach.
Erst nach dem Ende der Ampel im November 2024 und zu Beginn des Wahlkampfes legten dann 328 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken einen gemeinsamen Gesetzentwurf vor. Ziel: Abtreibung in den ersten drei Monaten nicht mehr mit Strafe zu bedrohen. Fauler Kompromiss auch da: Die Beratungspflicht - Pflicht, nicht Angebot! - sollte erhalten bleiben. Nur die dreitägige Wartezeit zwischen Beratung und Abtreibung sollte entfallen. Außerdem sollten Schwangerschaftsabbrüche von den Krankenkassen bezahlt werden.
Warum der Gesetzentwurf im Bundestag erst so spät behandelt wurde (die erste Lesung fand am 12. Dezember statt)? Tja. Warum eine „Expertenanhörung“ erst am 10. Februar 2025, also dem vorletzten Sitzungstag vor den Neuwahlen, stattfand? Ein Witz. Wenn es nicht so durchschaubar wäre. Der gestrige Protest, zu dem 50 Organisationen von Pro Familia bis ver.di aufgerufen hatten, war erwartungsgemäß so vergeblich wie eine Petition mit 120.000 Unterschriften, in der die UnterzeichnerInnen gefordert hatten: „Bringt die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen JETZT zur Abstimmung!"
Es wird keine Abstimmung geben. Das war’s also. Für mindestens vier Jahre, vermutlich aber mehr. Der Trend geht nach Rechts. Aber auch Links wollte in Deutschland das Recht auf Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft nicht gewähren, wie wir in den vergangenen 50 Jahren gesehen haben. Danke, Union. Danke, Fortschrittskoalition.