Tag gegen Gewalt gegen Frauen
Schweigen kann tödlich sein. 241 Frauen wurden im Jahr 2014 in Deutschland von ihren eigenen (Ex)Männern getötet. In vielen Fällen dürfte ihr Tod das Ende einer langen Kette von Misshandlungen gewesen sein. Womöglich hätten einige von ihnen gerettet werden können, wenn sie sich jemandem anvertraut hätten. Nur jede fünfte Frau, die Opfer von Gewalt wird, findet den Weg zu Beratung und Unterstützung. „Wir brechen das Schweigen!“ heißt deshalb die Kampagne, die Frauenministerin Manuela Schwesig am 25. November startet: dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen.
Die Dunkelziffer: Pro Jahr 104.000 Vergewaltigungen
Diese Gewalt hat ein epidemisches Ausmaß, auch in Deutschland. Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (die die so genannte „Beziehungsgewalt“ seit 2011 endlich offiziell erfasst) zeigt: 73.830 mal schlugen, traten, malträtierten Männer im Jahr 2014 ihre Frauen. Und das sind nur die Täter, gegen die die Opfer Anzeige wegen Körperverletzung erstattet haben. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Fast 8.700 Frauen erstatteten Anzeige wegen Vergewaltigung, dazu kommen fast 12.000 Anzeigen wegen einer „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Auch dies ist natürlich nur ein Bruchteil der tatsächlichen Übergriffe, denn laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums erstattet überhaupt nur jedes zwölfte Opfer Anzeige. Macht 104.000 Vergewaltigungen und 144.000 weitere sexuelle Übergriffe.
In fast 100 deutschen Städten protestieren Frauen am 25. November gegen die grassierende Männergewalt. Dort wehen zum Beispiel die Fahnen „Frei leben ohne Gewalt“, die die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes verschickt. Oder Bäckereien verkaufen ihre Brötchen in speziellen Tüten: „Gewalt gegen Frauen kommt nicht in die Tüte!“ Auch in der Schweiz und in Österreich starten jetzt die 16 Tage gegen Gewalt mit Dutzenden Aktionen. Und unter dem Hashtag #schweigenbrechen läuft die Kampagne der Frauenministerin, bei der Moderatorin Dunya Hayali ebenso dabei ist wie TV-Köchin Sarah Wiener oder Schauspieler Marcus Mittermeier. Mitmachen per Selfie erwünscht!
47 Frauen wurden von ihrem Ex-Mann umgebracht
Allerdings täte die Frauenministerin gut daran, auch auf anderen Wegen für den besseren Schutz von gewaltbedrohten Frauen zu sorgen. So ist die Finanzierung der Frauenhäuser immer noch ins Ermessen eines jeden Bundeslandes gestellt. Die Folge: Jedes Jahr müssen Tausende Frauen und Kinder aus Platzmangel abgewiesen werden. „Der Schutz von Frauen gegen Partnergewalt ist in Deutschland oft lückenhaft und wenig wirksam“, klagt die „Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF). „Besonders für Frauen mit Kindern, für Frauen mit Behinderungen und für Migrantinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus ist ein wirksamer Schutz vor Gewalt schwierig bis unmöglich.“
So ermöglichten Sorgerechts- und Umgangsregelungen „gewalttätigen Vätern jederzeit und meist ohne strafrechtliche Konsequenten einen Zugriff auf die vor ihrer Gewalt geflüchtete Ex-Partnerin“. Das kann lebensgefährlich sein. 47 Frauen, also jedes fünfte Opfer aus dem Jahr 2014, wurden von einem Mann umgebracht, von dem sie bereits getrennt waren.
Geschlagene Flüchtlingsfrauen können nicht ins Frauenhaus
Obwohl Frauen mit Behinderung dreimal öfter Opfer von Gewalt werden, ist für viele von ihnen ein Frauenhaus keine Option, denn 90 Prozent sind nicht barrierefrei. Und dann sind da noch die Flüchtlingsfrauen. Werden sie in den überfüllten Flüchtlingsheimen Opfer von Gewalt, sei es durch den eigenen Mann oder andere Männer, ist eine Flucht ins Frauenhaus so gut wie unmöglich. Die sogenannte „Residenzpflicht“ führt dazu, dass die Frau an Ort und Stelle bleiben muss. Außerdem: Wer zahlt? Im Zweifel das Frauenhaus selbst. „Die fehlende Kostenübernahme durch die Jobcenter führt dazu, dass die Frauenhäuser entweder selbst für die entstehenden Kosten aufkommen oder – wenn sie sich das nicht leisten können – keine Frauen (und Kinder) mit prekärem Aufenthaltsstatus aufnehmen können.“
Und schließlich ist da immer noch das neue Vergewaltigungsparagraf 177. Seit Monaten liegt der Gesetzentwurf bei Justizminister Heiko Maas, der sich bis dato nicht dazu durchringen konnte, das eigentlich selbstverständliche Prinzip „Nein heißt Nein“ in sein neues Gesetz zu schreiben.
Keine Frage: Es gibt viel zu tun für die Frauenministerin.