„Discover Football“ startet in Berlin!

Ⓒ Dana Rösiger
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Les Princesses“ haben gerade Pause. Und während auf dem Rasen des Kreuzberger Willy-Kressmann-Stadions das „Green Grass Team“ gegen das „White Sand Team“ antritt, erholen sich die schwarzen Prinzessinnen aus Ouagadougou auf der Zuschauerbank und erzählen von ihrem spektakulärsten Sieg. Was heißt überhaupt Sieg, im Grunde war es eine kleine feministische Revolution! Amissanou, Fatimata, Maimouna und die anderen hatten nämlich gegen niemand geringeren gespielt als den Präsidenten. 

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Auslöser für das Projekt war eine gewaltige Enttäuschung

Und das kam so: Bis Mitte der 1990er Jahre hatte es in Burkina Faso kein einziges Frauen-Fußballteam gegeben. Dann trat Madame Marguerite auf den Plan. Marguerite Kamara, Diplomatin im Außenministerium und vierfache Mutter mit einer Statur, die man in Afrika „imposant“ nennt, hat selbst nicht allzu viel für Bälle übrig. Aber sie weiß, dass es, wenn Mädchen Fußball spielen, nicht nur um Tore geht, sondern um ihr ganzes Leben. Also gründete sie in Ouagadougou eine Mädchenmannschaft. Und noch eine. Und noch eine.  

Madame Marguerite, wie sie von ihren Prinzessinnen respektvoll genannt wird, ist keine Frau der großen Worte. „C’était pas facile“, sagt sie leise. Das war nicht einfach. Aber sechs Jahre später, im Jahr 2002, „hat der Präsident gesehen, dass die Mädchen spielen konnten“. Und dann kam es zu dem legendären Spiel: Prinzessinnen gegen Politiker. Die Prinzessinnen gewannen 2:1. Das Gegentor, grinsen sie, hätten sie absichtlich durchgelassen, weil ihnen beim 2:0 klar wurde, dass es dem Frauenfußball von Burkina Faso nützlich wäre, wenn Präsident Blaise Compaoré wenigstens ein Tor schösse. Das Spiel wurde im Fernsehen übertragen. Seither gibt es in Burkina Faso ein „Championat des filles“ mit acht Teams. Außerdem ­organisieren „Les Princesses“ inzwischen ein Fünf-Länder-Turnier mit den Kickerinnen der Nachbarländer.

Anfang Juli waren die schwarzen Prinzessinnen in Berlin, zusammen mit Fußballerinnen aus 24 Ländern von Argentinien bis Afghanistan, von Iran bis Indien, von Kenia bis Kirgisien. Manchmal zeigen schon ihre Team-Namen, dass es ihnen nicht nur darum geht, dass das Runde ins Eckige muss, sondern auch die Emanzipation in die Köpfe. „Guerreirasproject“ haben die Brasilianerinnen ihr Team genannt – Kriegerinnenprojekt, Motto: „Moving Minds, Moving Bodies“. Die Kickerinnen von „Thokozani“ aus Durban haben sich ihren Namen zu Ehren der südafrikanischen Fußballerin Thoko­zani Qwabe gegeben. Die wurde 2007 ­ermordet, weil sie offen lesbisch lebte – wie auch die Spielerinnen von Thokozani. 

Sie alle waren auf Einladung von „Discover Football“ hier. Alle zwei Jahre – immer, wenn auf internationalem Parkett eine Frauenfußball-EM oder -WM stattfindet – organisiert ein rund 20-köpfiger Frauentrupp die „kleine WM in Kreuzberg“. So nennt die Schirmherrin und zukünftige Bundestrainerin Steffi Jones das Turnier, das 2010 zum ersten Mal stattfand. 

In diesem Jahr stieg das vierte „Discover Football“-Turnier und diesmal gab sich sogar die Kanzlerin die Ehre: Mit Bussen fuhren rund 100 Kickerinnen von Kreuzberg ins Kanzleramt. Als Angela Merkel auftauchte, brach Jubel aus. Die Fußballerinnen überreichten der Regierungschefin als Geschenk ein Trikot mit der bedeutungsvollen Nummer 10: die Nummer der Fußball-Legenden Maradona oder Beckenbauer (und im deutschen Frauen-Nationalteam der virtuosen Dzsenifer Marozsán).

Auch das Foto vom Kanzlerinnen-Empfang ist Teil der „Discover Football“-Strategie: Empowerment! „Die ausländischen Frauenteams nehmen das Foto mit nach Hause und werden plötzlich dort ernster genommen“, sagt Fritzi Faust, ihres Zeichens Außenverteidigerin beim DFC (Discover Football Club) Kreuzberg und Ethnologie-Studentin. „Es geht um die Verbindung von Fußball, interna­tionaler Begegnung und Frauenpower“, erklärt Fritzi, die gerade über „Sport und Geschlechterpolitik“ promoviert.

Aber die Spielerinnen taten, 
was frau nach einer Nieder-
lage tut ...

Aber die kleine WM ist bei weitem nicht alles, was „Discover Football“ stemmt. 2012 zum Beispiel, im Jahr der Männer-EM in Polen und der Ukraine, fuhren Fritzi und eine Handvoll Mitstreiterinnen in einem Kleinbus durch Osteuropa. Wo sie hielten, zeigten sie ihre ­mobile Ausstellung zum Frauenfußball. In Kiew organisierten sie sogar eine Podiumsdiskussion und ein kleines Frauenfußball-Turnier. Denn das wissen sie: Es gibt sie überall, die Frauen und Mädchen, die gegen alle Rollenzwänge und Widerstände kicken. Und die Aktivistinnen von „Discover Football“ finden sie. Sie kontaktieren auf der Suche nach (potenziellen) ­Kickerinnen Fußballverbände und Botschaften, Stiftungen und NGOs. 

„Das war eine coole Erfahrung: Überall, wo wir ankamen, waren Fußballerinnen!“ erzählt Johanna Kösters. Die Abwehrspielerin ist eine von zwei Hauptamtlerinnen, ohne die es bei „Discover Football“ inzwischen nicht mehr geht. Die beiden halben Stellen, die Reise- und Unterbringungs­kosten für die eingeladenen Spielerinnen, Druckkosten und was sonst noch so anfällt bei „Discover Football“, finanzieren das für Sport zuständige Innenministerium und das Auswärtige Amt, projektgebunden.  

Zum Beispiel für ihr „Girls Football Camp“ 2014, das sie in Rio parallel zur Männer-WM 2014 organisierten. Gemeinsam mit ihrer Partnerinnen-Organisation „Estrela Sports“ und den „Guerreiras“ luden sie 50 Mädchen aus der Favela Rocinha fünf Tage lang zum Kicken ein. Mädchen, die in einer Welt aus Drogen, Gewalt und Prostitution jeden Tag ums Überleben kämpfen und dank Fußball neue (Körper)Kraft schöpfen. Außerdem organisierten sie eine internationale Frauenfußball-Konferenz mit Expertinnen und Funktionärinnen. Höhepunkt: ein Frauen-Fußballspiel am 6. Juli an der Copacabana – direkt neben der FIFA-Fan-Meile.

Schwer zu glauben, dass der Auslöser für das Projekt „Discover Football“ eine gewaltige Enttäuschung gewesen war. 

Valerie Assmann, Rechtsaußen beim DFC und Grafikerin, erinnert sich noch gut, wie sie 2007 vergeblich auf die iranische Nationalfrauschaft gewartet hatten. Die hatte Valeries Fußball-Team, das ­damals noch Al Dersimspor hieß, zum Rückspiel nach Kreuzberg eingeladen. Das Hinspiel hatte 2006 in Teheran stattgefunden – und war für alle Beteiligten eine Sensation gewesen. Zum ersten Mal durften Frauen als Zuschauerinnen in das Teheraner Fußballstadion (dafür mussten im Ayatollah-Land die Männer draußen bleiben). Die Iranerinnen ließen sich die Chance, ausgelassen zu feiern, nicht entgehen. Sie sangen, feuerten an und ließen ihre Kopftücher verrutschen. Valerie: „In der Zeitung stand später: Eine Situation, die derartig außer Kontrolle geraten sei, hätte es seit der Revolution nicht gegeben.“ Der iranische Regisseur Ayat Najafi drehte darüber eine mitreißende Dokumentation: „Football Under Cover“. 

Ein Jahr später sollten die Iranerinnen dann nach Kreuzberg ins Willy-Kressmann-Stadion kommen. Aber sie kamen nicht. „Wir hatten schon 4.000 Karten verkauft“, weiß Valerie noch. Und dann, die Iranerinnen waren schon auf dem Weg zum Flughafen, hieß es plötzlich: „Technische Probleme“. Natürlich wussten alle, dass das vorgeschoben war und das Mullah-Regime die iranischen Fußballerinnen nie ausreisen lassen wollte. „Wir waren wahnsinnig enttäuscht und traurig“, sagt Valerie. 

Sie hätten resignieren können. Stattdessen taten sie etwas, was man und frau im Sport nach einer Niederlage tut: Wegstecken! Weitermachen! Besser werden!

Wegstecken! Weitermachen! Besser werden! 

Und sie dachten groß. „Wir wollten was organisieren, was nicht in sich zusammenfallen kann, wenn ein Team wegbricht.“ Frauenfußballteams aus aller Welt einladen, das wäre es doch! Drei Jahre brauchten sie, bis die Finanzierung stand und sie die Teams beisammen hatten. 2010 startete der Probelauf. Im Sommer 2011, dem Jahr der Frauenfußball-WM in Deutschland, war es soweit: Die erste „kleine WM in Kreuzberg“ wurde angepfiffen. Mit dabei zwar nicht die iranische, dafür aber die afghanische Nationalfrauschaft.

Grafikerin Valerie hatte dafür eigens ein Sammelalbum gestaltet, „das erste Frauenfußball-Album, noch vor Panini!“ Denn: „Wir wollten die Frauen wie Stars behandeln!“ 

Bei „Discover Football“ wirft jede ihre Fähigkeiten in die Runde. „Vieles mussten wir selbst lernen“, sagt Fritzi, die sich auf das Schreiben der Projektanträge spezialisiert hat. Ja, es ist verdammt viel ­Arbeit, zumal die Frauen inzwischen fast alle keine Studentinnen mehr sind und weniger Zeit haben als früher. Valerie: „Aber wenn dann die Teams aus der ganzen Welt hier ankommen, dann weiß ich wieder, wofür ich das alles gemacht habe!“ 

Im August dieses Jahres haben die Berlinerinnen zum ersten Mal ein Frauenfußball-Turnier inclusive Empowerment-Workshops im Libanon organisiert. Dort bricht gerade die ohnehin kleine Frauen-Liga zusammen, nicht zuletzt deshalb, „weil die von der FIFA vorgesehenen Gelder nicht dort ankommen, wo sie hinsollen.“ Das wollen die Frauen ändern.  

„Es ist wirklich ein bisschen größenwahnsinnig, was wir da machen“, sagt ­Johanna und feixt: „Aber es klappt ­irgendwie immer.“    

Chantal Louis

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Berlin gegen Teheeran - doppelter Sieg

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Teheran, 4. Mai 2006. Sirenengesang erhebt sich über dem Ararat-Stadion in Teheran. Eintausend iranische Frauen feuern mit hellen, aber kräftigen Stimmen ihre Frauenfußball Nationalmannschaft an. Es ist das erste offizielle Frauenfußballspiel auf iranischem Boden seit der Revolution vor 27 Jahren. Zum ersten Mal sehen also Frauen im Stadion einem Fußballspiel zu, und zum ersten Mal spielt die Frauen-Nationalmannschaft im eigenen Land. Denn Fußballspielen in der Öffentlichkeit ist Frauen in Iran verboten. Die Mannschaft spielte bisher nur in der Halle – geschützt vor den Blicken der Männer.

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Heute aber spielen sie im Stadion, gegen eine Frauenmannschaft des türkischen Fußballvereins Al Dersimspor aus Berlin-Kreuzberg. 90 Minuten dürfen die Zuschauerinnen ihre Spielerinnen unter freiem Himmel anfeuern, hemmungslos schreien, aus sich herausgehen. Kein Mann ist da, um sie zu ermahnen, nur einige Sittenwächterinnen beäugen das Treiben skeptisch. 90 Minuten ist Fußball Frauensache und Hoffnungsträger für ein Leben ohne religiöse Zwänge. Auch für die Gastmannschaft: Susu, Safiye, Mehtap, Paros, Silke, Conny, Friederike und ihre Mannschaftskameradinnen. Sie sind nach Teheran gekommen, um die iranischen Spielerinnen zu unterstützen und sich selbst einen Traum zu erfüllen. Dafür nehmen sie in Kauf, daß sie beim Spiel Kopftuch tragen müssen und einen speziellen, weiten Trainingsanzug.

Auf der Tribüne schieben bald einige Zuschauerinnen ihre Kopftücher nach hinten, einer Frau fällt es herunter, doch sie kümmert sich zunächst nicht darum; sie heben die Köpfe gen Himmel, als könnten sie die atemraubende Stimmung einatmen und für immer speichern. Eine Frau im konservativen schwarzen Tschador feiert ebenso mit wie eine Frau mit farbigem Kopftuch, die eine iranische Flagge auf ihre Wangen gemalt hat. Mädchen mit deutschen und iranischen Flaggen stehen am Spielfeldrand und begrüßen die Spielerinnen.

Dieses Spiel findet just an dem Tag statt, als das Ultimatum der Amerikaner abläuft. Ihren Anfang aber nimmt die Geschichte in Berlin vor einem Jahr. Die Schwestern Marlene und Valerie Assmann begegnen dem iranischen Theater- und Filmregisseur Ayat Najafi auf dem Talent Campus der Berlinale. Die Assmanns zeigen einen Kurzfilm über die Frauenfußballmannschaft aus Berlin-Kreuzberg, der sie angehören. Najafi ist von ihrer Arbeit begeistert. Auch er ist auf der Berlinale mit einem Kurzfilm vertreten: ‘Move It’, in dem es ebendarum geht, dass Frauen in Iran nicht öffentlich Fußball spielen dürfen.

Najafi, Valerie, Marlene und ihre Geschwister Corinna und David Assmann entschließen sich, im fußballfanatischen Iran ein Freundschaftsspiel zwischen der Kreuzberger und einer iranischen Mannschaft zu organisieren. Sie wollen darüber einen Dokumentarfilm drehen und der Welt zeigen, was Sport bewirken kann.

Ayat Najafi lädt die Geschwister nach Teheran ein. Sie treffen Spielerinnen des Nationalteams in Teheran, freunden sich mit ihnen an und geben sich ein Versprechen: Das Spiel wird stattfinden. Doch es folgt eine endlose Odyssee. Ursprünglich war die Begegnung für November angesetzt, dann wird es Dezember, Januar, März. Visa werden verweigert, Versprechen von iranischer Seite scheitern an Absagen in letzter Minute. Die Verantwortlichen in Iran haben Bedenken – auch die Präsidentin des iranischen Frauenfußballverbandes. Erst vor zwei Jahren war ein Spiel zwischen zwei iranischen Frauenteams im Teheraner Azadi-Stadion in letzter Minute abgesagt worden.

Die politische Situation spitzt sich zu, und die Ängste vor einer Reise nach Iran, vor den Sitten und Regeln, die es dort einzuhalten gilt, verstärken die Skepsis der Deutschen. Ende April naht eine weitere Chance: Der iranische Frauenfußballverband verspricht Unterstützung. Ein beruhigendes Gespräch mit dem Auswärtigen Amt überzeugt auch die Kreuzberger.

Mäntel, die über die Knie reichen, und passende Kopftücher für das Abenteuer in Iran sind schnell besorgt. Kurz vor der Landung in Teheran werden noch einmal die Regeln erklärt: In Iran geben Frauen den Männern nicht die Hand. Augenkontakt mit Männern sollte vermieden werden. Ein Grundsatz: Als Frau sollte man eher reagieren als agieren. Nun ist es auch Zeit, das Kopftuch anzulegen. Einige Spielerinnen kennen die Auseinandersetzungen mit den elterlichen und religiösen Forderungen. Zögerlich legen sie sich nach und nach die Tücher um, keine will die erste sein. Etwas rebelliert innerlich dagegen. Schamgefühl und Unsicherheit zeigt sich auf ihren Gesichtern.

Das letzte Hindernis auf dem Weg zum Spiel: Das Visum bekommen wir erst am Teheraner Flughafen. Ein Journalistenvisum hätte das ganze Vorhaben in Gefahr bringen können, als Teil der Mannschaft aber ist die Einreise nun kein Problem. Das Auswärtige Amt hatte im Vorfeld ausdrücklich betont, die Assmanns sollten vorsichtig mit der Beteiligung der deutschen Presse sein. Ayat Najafi begrüßt uns entsprechend: „Es ist ein Wunder, dass ihr hier seid.“

Im Olympic Hotel von Teheran sind zwei Sittenwächterinnen im schwarzen Tschador zur Betreuung abgeordnet. Sie stehen in der Lobby und warten auf die Gäste – von ihrer schwarzen Kleidung umrahmt, die Gesichter zerbrechlich, schmal, grazil, ihre dunklen Augen unsicher und skeptisch. Sie sind jung, erst neunzehn Jahre alt, und für sie ist es ihr erster Auftrag. Rutscht ein Kopftuch zu weit nach hinten oder wird es im Affekt hinter das Ohr gesteckt, sind sie zur Stelle und ermahnen. Schon der Parkplatz vor dem Hotel gilt als unwillkommenes Ausflugsziel, und man wird zur Rückkehr ins Hotel aufgefordert.

Im Team wird die Kontrolle unterschiedlich aufgenommen. „Wir wollen den Fußballerinnen hier in Iran eine Zukunft geben“, erklärt Kotrainerin Safiye Kok. Denn solange Frauen in Iran nur Hallenfußball spielen dürfen, bekommt niemand etwas davon mit. Daher rät sie nochmals allen, sich an die Regeln zu halten. Das ist für die Berliner nicht einfach. Sie sind daran gewöhnt, ihrer Selbstständigkeit und rebellischen Natur viel Raum zu geben.

Die Präsidentin des iranischen Frauenfußballverbandes bedankt sich für den Respekt gegenüber iranischen Sitten durch das Tragen des Kopftuchs. Es sei ja alles freiwillig. Sie fügt am Ende ihres Begrüßungswortes jedoch unmissverständlich hinzu, dass die beiden Sittenwächterinnen dazu abgestellt seien, darauf zu achten, dass die Regeln beachtet würden.

Ungeduldig warten die Spielerinnen auf ein Treffen mit der iranischen Mannschaft. Doch es wird abgesagt. Ayat Najafi bittet die deutschen Fußballerinnen, trotzdem nicht vorschnell über sein Land zu urteilen: „Es wird kontrolliert, und wer weiß, wer hier nicht will, dass wir sie treffen, aber es geht in diesem Land immer einen Schritt vor und dann häufig hundert zurück.“

Angst ist zu spüren im Land, davor, dass sich mit Präsident Ahmadineschad die Lage für Frauen wieder verschlimmert. Da hilft auch nicht die pünktlich zu diesem Spiel ergangene Ankündigung, dass Frauen nun wieder in die Fußballstadien dürfen, um Spiele der Männer zu sehen. Immerhin: Die Kreuzberger müssen sich keine Sorgen mehr um das Spiel und ihre Sicherheit machen. Ahmadineschad hat an diesem Tag persönlich ein Fax geschickt, in dem er zumindest das Spiel begrüßt.

Teheran befindet sich 1.500 Meter über dem Meeresspiegel, die Luft ist dünn und durch den Smog dreckig. Sie brennt in der Lunge und schmerzt in der Nase. Trotzdem herrscht Erleichterung nach dem ersten Training in Kopftuch und weitem Anzug: „Es ist nicht so schlimm, wie wir dachten, nur fühlt man sich, als wäre man unter Wasser, weil das Kopftuch so nah an den Ohren anliegt“, sagt Valerie Assmann. Sie trägt ein Sportkopftuch; es ist speziell zugeschnitten und wird direkt über den Kopf gestülpt. Mit einer Art Stirnband wird es dort festgehalten.

Aber die Sittenwächter sind rigide, auch Karaduman muss außerhalb des Stadions bleiben. Die Vertreter der Fifa und Arie Haan, Trainer beim FC Persepolis in Teheran und ehemaliger Bundesliga-Profi, bleiben ebenfalls ausgeschlossen. Als Ayat Najafi über Handy zum ersten Mal den Spielstand erfährt, herrscht helle Aufregung: 1:0 für Deutschland.

Im Stadion erklingen Sprechchöre: "Iran, Iran" aber auch: "Alemann, Alemann". In der Pause passiert es dann: Die Zuschauerinnen reißen sich die Kopftücher ab und beginnen zur eingespielten Musik zu tanzen. Die Luft vibriert. Wir erleben eine Manifestation des Freiheitswillens der Frauen in Iran. Bald aber wird die Musik ausgeschaltet, und eine Frauenstimme mahnt die Zuschauerinnen über Lautsprecher, sie könnten, wenn sie sich derart verhielten, auch gleich in den Puff gehen.

Augenblicklich kehrt Ruhe ein. Doch die Fans lassen sich nicht entmutigen. Das Publikum intoniert den Namen einer deutschen Stürmerin: "Susu, Susu". Denn sie haben einen ganz besonderen Moment erlebt, der auch von den iranischen Zuschauerinnen frenetisch gefeiert wurde: Eine Ecke der Deutschen von rechts, Susu köpft den Ball trotz Kopftuchs präzise knapp unter die Latte ins Tor. Das Stadion bebt vor Begeisterung über dieses spektakuläre Tor einer ausländischen Frauenmannschaft, die bereit ist, für die Iraner Kopftuch zu tragen.

Der Endstand lautet 2:2 - ein schönes Ergebnis. Langsam legt sich der Gesang im Stadion. Das war es: 90 Minuten Freiheit und noch ein bisschen mehr. Denn am Abend lernen sich Iranerinnen und Deutsche doch noch kennen. Sie essen gemeinsam, tauschen Trikots.

Die Nationalspielerinnen hoffen nun, dass sich mehr ausländische Mannschaften nach Iran trauen werden, damit sie an Spielpraxis gewinnen können. Immerhin 20 Frauenmannschaften gibt es im Land, und sie werden trainieren, um weiter hier und auch international Fußball zu spielen.

Immer dabei war in diesen Tagen das Filmteam der Assmanns. Es gibt nur eine Schrecksekunde nach der Abreise der Mannschaft: Das Filmmaterial wurde beschlagnahmt. Doch die Behörden bestätigen, dass nichts Unerlaubtes zu sehen sei. Nun ist der Weg frei für den Dokumentarfilm über eine höchst ungewöhnliche Reise nach Iran.

Der Text erschien zuerst in der FAZ.
 

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