Fundamentalisten attackieren Abtreibungsrecht!
Das Quasi-Totalverbot der Abtreibung in Polen ist nach dem Sieg des Nationalisten Duda keine Überraschung. Und es ist auch nicht neu. Als noch die Sozialisten an der Macht waren, galt in Polen die Fristenlösung. Seit ihrem Abgang im Jahr 1989 ist das Land, forciert von dem polnischen Papst Wojtyla, in der Faust des Vatikans. Egal, wer in Warschau an der politischen Macht ist, von der Solidarność bis zu den Konservativen, sie alle stehen unter dem Einfluss von Rom.
Das Verbot der Abtreibung ist eine christliche Obsession sowohl der fundamentalistischen Katholiken wie auch der fundamentalistischen Protestanten (vergleichbar der Kopftuch-Obsession der Islamisten). In den USA haben die Evangelikalen bei den letzten Wahlen zu 80 Prozent Trump gewählt – und der ist zwar selber kein Evangelikaler, aber er hat geliefert. Selbst dort, wo der Kampf für das Recht auf den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft Ende der 1960er Jahre seinen Anfang nahm, in Amerika, ist das Abtreibungsrecht also wieder massiv bedroht.
Ganz wie in Deutschland, wo wir Frauen dieses Recht nicht haben. Dank des Drucks der katholischen Kirche, deren Stimme für die Politik schwerer wiegt als die der Mehrheit der Bevölkerung. Hierzulande ist Abtreibung bis heute eine Straftat. Mit der Zwangsberatung wird Frauen nicht das Recht, sondern nur die Gnade gewährt, ungewollte Schwangerschaften abzubrechen (nach Vorlage der Beratungsbescheinigung). Der Kern des Abtreibungsverbotes blieb so erhalten: die Bevormundung der Frauen.
Auch in Deutschland haben Frauen bis heute nicht das Recht auf Abtreibung
Verschärft wird die Entmündigung der Frauen auch in Deutschland seit einigen Jahren durch den steigenden Druck auf ÄrztInnen, die bereit sind, Abtreibungen vorzunehmen, damit Frauen nicht in die Illegalität getrieben werden und ihr Leben riskieren müssen. Viele ÄrztInnen weigern sich allerdings auch in Deutschland inzwischen, diesen häufigsten medizinischen Eingriff bei Frauen vorzunehmen. Sie erlauben es sich entweder im Namen ihrer persönlichen Überzeugung, den Frauen diesen elementaren Dienst zu verweigern, oder aber wagen es nicht mehr, denn in katholischen Krankenhäusern bzw. katholischen Regionen wie Bayern kann sie das ihre Stelle kosten. Ganz zu schweigen von der Bedrohung der ÄrztInnen, die öffentlich über schonende Abtreibungsmethoden aufklären, mit Gefängnis.
Auf der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking haben der christliche und der islamische Fundamentalismus erstmals den Schulterschluss geprobt. Sie brachten erfolgreich 40 Staaten dazu, die geplante Aktionsplattform abzulehnen: die von Frauenrechtlerinnen auf der ganzen Welt über Jahre erarbeiteten Richtlinien zum Schutz und zur Förderung von Mädchen und Frauen.
Die Fundamentalisten sind seither im Vormarsch. Im Visier haben sie, nicht zufällig, die Rechte der Frauen. Es geht diesen Männerbünden um die Wiedererringung der Macht über die Frauen. Und da sind die Fanatiker christlicher wie islamischer Provenienz ganz vorne.
Die Lage ist ernst. Nicht nur in Polen.
Alice Schwarzer