Adele Goldberg: Pionierin der Benutzeroberfläche

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Bill Gates und Steve Jobs aber übernahmen Goldbergs Idee flugs für Microsoft und Apple. Wie Jobs-Biograf Walter Isaacson berichtet, waren sich beide im Klaren, dass sie das Konzept bei Xerox „gestohlen“ hatten. Auch die von Goldberg zusammen mit Alan Kay entwickelte objektorientierte Programmiersprache Smalltalk-80 war ein Trendsetter. Um sie zu vermarkten, gründeten Goldberg und Kay eine eigene Firma, die Goldberg von 1988 bis 1995 leitete. Smalltalk-80 beeinflusste viele aktuelle Sprachen, etwa Java, Ruby und PHP5.

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Als junge Frau war Adele Goldberg sehr schüchtern, daran scheiterte ihr Plan, Mathematiklehrerin zu werden. Als Unternehmerin ist sie bis heute aktiv, unter anderem in ihrer Firma Neometron, die die Arbeit von Online-Teams unterstützt. Sie sitzt sie in mehreren Aufsichtsräten und entwickelt Lernmedien für Schulen und Hochschulen.

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Am Anfang war Ada

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„Die Analytische Maschine hat nichts mit bloßen ‚Rechenmaschinen‘ gemein. Sie steht allein auf weiter Flur, und die Betrachtungen, zu denen sie Anlass gibt, sind von höchst interessanter Art.“ O-Ton Augusta Ada Lovelace anno 1843.

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Allein auf weiter Flur – so könnte man auch die Frau beschreiben, die diese Zeilen schrieb. Von einer „außerordentlichen und singulären Frauenexistenz im vorviktorianischen Zeitalter“ spricht die Medienwissenschaftlerin Sybille Krämer: „Sie ist und bleibt ein Solitär.“

Krämer hat das Begleitbuch zu einer Ausstellung in Paderborn herausgegeben, die in diesem Jahr, 200 Jahre nach Adas Geburt, Frauen in der Computergeschichte zum Thema hat. Titel: „Am Anfang war Ada“. So als ginge es darum, das Evangelium der Computerwelt zu schreiben, an dessen Anfang nicht das Wort Gottes, sondern das Wort einer Frau steht, mit einprägsamem Namen.

Nur eine Symbolfigur? Das erklärt nicht Adas ­Suggestiv-
kraft bis heute

Was macht Ada Byron, verheiratete Lovelace, so einzigartig? Dass sie die Tochter eines Dichters, Herzensbrechers und Freiheitskämpfers war, des berühmt-berüchtigten George Gordon Byron? Heute spielt das keine Rolle mehr. „Er war der Vater von Ada Lovelace“, steht im Wikipedia-Eintrag von Lord Byron; der Ruhm der Tochter hat den des Vaters überholt. Weil sie sich als Frau des frühen 19. Jahrhunderts für Mathematik und Technik, für Hirnforschung und Mole­kularbiologie interessierte? Schon nicht schlecht, aber mit solchen Interessen stand Ada nicht allein auf weiter Flur.

Unter den adligen Frauen im England ihrer Zeit gab es etliche gelehrte Ladys: Mary Somerville zum Beispiel, eine erfolgreiche Sachbuchautorin, bekannt als „Königin der Wissenschaften“. Jane Marcet, die ein Grundlagenwerk über Chemie schrieb. Harriet Martineau, die Wirtschaftsexpertin. Nicht zu vergessen Adas Mutter, Lady Anne Isabella Byron, die wegen ihrer mathematischen Interessen den Spitznamen „Prinzessin der Parallelogramme“ trug. Den hatte ihr spöttelnd ihr Ehemann verpasst, der Dichter, den sie kurz nach der Geburt der gemein­samen Tochter verlassen hatte, weil er nicht aufhörte, sich wie ein Wüstling aufzuführen.

All diese Frauen sind heute weitgehend vergessen, nur noch für WissenschaftshistorikerInnen und GenderforscherInnen interessant. Anders Ada: Sie inspiriert bis heute RomanschriftstellerInnen, SachbuchautorInnen und FilmregisseurInnen. Das US-Verteidigungsministerium hat 1980 eine Computersprache nach ihr ­benannt: Ada. Und auf dem Titel des ­Buches „The Innovators“ des Amerikaners Walter Isaacson ist sie neben Steve Jobs, Bill Gates und Alan Turing abgebildet. Der Untertitel, frei übersetzt, lautet: „Wie eine Gruppe von Hackern, Genies und Computerfreaks die Digitale Revolution erfand“. In dieser Liga also spielt Ada Lovelace mit.

Dabei war ihr Leben kurz: Geboren am 10. Dezember 1815 in London, starb sie mit nur 36 Jahren am 27. November 1852 qualvoll an Gebärmutterhalskrebs. Und ihr Werk ist schmal. Doreen Hartmann, die Kuratorin der Paderborner Ausstellung, skizziert es so: „Sie übersetzte in einer neunmonatigen Arbeitsphase ein Memorandum über einen nie gebauten Computer – die von Charles Babbage entworfene Analytical Engine. Dafür entwarf sie 1843 eine Berechnungsanweisung, die ihr retrospektiv den Titel ‚erste Programmiererin‘ einbrachte und sie zur weiblichen Symbolfigur der Informatik machte.“

Nur eine Übersetzerin also? Nur eine Symbolfigur? Das erklärt nicht Adas ­Suggestivkraft bis heute. Deshalb sollte man sich das Memorandum und den nie gebauten Computer einmal genauer ansehen.

Ada Lovelace trägt den Titel der ersten Programmiererin zu Recht

Ada Byron ist 17, als sie in London Charles Babbage vorgestellt wird. Der 42-jährige wohlhabende Witwer ist zu der Zeit bereits ein bekannter Mathematiker, Kristallograph und Privatgelehrter. Sein Hobby sind intelligente Maschinen. Eine Attraktion seines Hauses ist eine mechanische Tänzerin, die Silver Lady. Die gefällt Ada gut, aber mehr noch begeistert sie sich für den Prototyp einer mechanischen Rechenmaschine, mit der man lange Reihen von Additionen fehlerfrei ausführen kann, etwa um Tabellen für Astronomen zu erstellen. Babbage hat sie „Difference Engine“ (Differenz-Maschine) getauft.

„Miss Byron, jung wie sie war, durchschaute ihre Funktionsweise und vermochte die Schönheit der Innovation gebührend zu würdigen“, schreibt Sophia de Morgan, eine Freundin von Adas Mutter, und fährt fort: „Sie hatte sich schon früh mit der Differentialrechnung auseinandergesetzt und führte ihre Studien auch nach ihrer Eheschließung weiter fort.“ In der Tat fördern sowohl Adas Mutter als auch ihr Ehemann William King, der spätere Earl von Lovelace, den sie mit 19 ­heiratet, ihre intellektuellen Interessen. Um die drei Kinder, die dem Paar in rascher Folge geboren werden, kümmern sich derweil Ammen, Gouvernanten und Hauslehrer.

Die Familien Babbage, Byron, Love­lace und de Morgan bleiben in engem Kontakt. So erlebt Ada aus nächster Nähe mit, wie Charles Babbage bereits an einem neuen Maschinentyp herumdenkt. Die Mittel, einen Prototyp zu bauen, hat er nicht, aber er fertigt Zeichnungen und Beschreibungen in einer selbst entwickelten Notation an.

Es ist die „Analytical Engine“, die Analytische Maschine, von der Ada schreiben wird, sie habe mit bloßen Rechenmaschinen nichts mehr zu tun und stehe allein auf weiter Flur. Außer mit Scheiben, Zahnrädern und Achsen wie die Differenz-Maschine arbeitet sie mit drei Sets von austauschbaren Lochkarten. Das macht sie programmierbar – eine Neuerung, die der Erfinder Babbage aus der Textiltechnik entlehnt hat. In den Worten von Ada: „Am treffendsten können wir sagen, dass die Analytical Engine algebra­ische Muster webt, gerade so wie der Jacquard-Webstuhl Blätter und Blüten.“

Im Sommer 1840 reist Babbage nach Turin, um einen Vortrag über das Konzept seiner Analytischen Maschine zu halten. Ein junger Ingenieur, Luigi Federico Menabrea, schreibt mit und veröffentlicht zwei Jahre später einen Aufsatz in französischer Sprache über das Projekt. Den ­bekommt Ada in die Finger und beginnt sofort, eine englische Übersetzung anzufertigen. Babbage ist davon sehr angetan, wie er in seinen Lebenserinnerungen festhält: „Ich fragte sie, warum sie nicht einen eigenen Aufsatz über ein Thema geschrieben habe, mit dem sie doch so sehr vertraut sei. Lady Lovelace antwortete, ihr sei dieser Gedanke gar nicht gekommen. ­Daraufhin schlug ich vor, sie solle einige Anmerkungen zu Menabreas Memoire hinzufügen – eine Idee, die sogleich in die Tat umgesetzt wurde.“

So kommt Augusta Ada Lovelace im Alter von 27 Jahren zu ihrer ersten – und leider auch beinahe einzigen – wissenschaftlichen Veröffentlichung. Menabreas „Grundriss der von Charles Babbage ­erfundenen Analytischen Maschine“ erscheint 1843 auf Englisch in Taylor’s Scientific Memoirs. Die Anmerkungen der Übersetzerin, nach Babbages Schätzung „etwa dreimal so lang wie das ursprüng­liche Memoire“, sind mit ihrem Kürzel AAL gekennzeichnet – ein Kompromiss. Denn eigentlich gehört es sich für Damen nicht, eigene Werke zu veröffentlichen. Noch sind ihnen die Universitäten und Bibliotheken verschlossen. Romanschriftstellerinnen wie Jane Austen publizieren unter Pseudonym, Sachbuchautorinnen wie Mary Somerville schreiben explizit nur „für das weibliche Geschlecht“ – damit kommen sie durch. Hier aber geht es um Wissenschaft.

Sie inspiriert alle, die die Zukunft von Menschen mit denkenden Maschinen gestalten

Es sind ihre sieben „Anmerkungen“, A bis G, auf die sich Adas Ruhm als „erste Programmiererin“ stützt. Darin erklärt sie ausführlich den Unterschied zwischen Babbages erster und zweiter Maschine, den Aufbau der letzteren und das Lochkartenprinzip. Sie spekuliert über künftige Anwendungen in den Wissenschaften, bringt Beispiele für Aufgaben, die sich mit der Analytical Engine lösen lassen – an diesen Stellen ist ihr Prosatext von Formeln und Tabellen durchsetzt – und erläutert die Prinzipien, nach denen die „Operationen“ der Maschine zu organisieren wären.

Das schwierigste Anwendungsbeispiel, das sie mit Unterstützung von Babbage ausarbeitet, ist die Berechnung der so ­genannten Bernoulli-Zahlen. Hier kommen „eine variierende Schleife erster Ordnung sowie eine gewöhnliche Schleife zweiter Ordnung“ zur Anwendung. In den Ohren von Programmierern klingt das vertraut. Weswegen Adas Text seit seiner Wiederentdeckung in den 1950er Jahren als Meilenstein der Computerentwicklung gewertet wird.

Es wurden allerdings auch Zweifel und Kritik an Lovelaces Leistung laut. War sie überhaupt mathematisch genügend gebildet, um Babbages Maschinen zu verstehen? Tatsächlich sind Briefe von ihr erhalten, in denen sie ihren Privatlehrern Mary Somerville und Augustus de Morgan recht naive Fragen stellt. Und war sie vielleicht nur das Sprachrohr des eigent­lichen Erfinders?

Eine neuere Untersuchung ist der Frage nachgegangen. Die Autoren stellen fest, dass der Austausch zwischen Babbage und Lovelace in der heißen Phase der Redak­tionsarbeit an den Anmerkungen tatsächlich äußerst intensiv war: Täglich ging die Post mehrmals hin und her, die Korrekturvorschläge wurden immer knapper und vertraulicher („Dear Babbage …“), „fast wie E-Mails“ schreiben die Verfasser. Doch ist solch ein Austausch auf Augenhöhe nicht eher ein Beweis für Adas ­Professionalität als für das Gegenteil?

Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern hat sich für das Begleitbuch zur Computerfrauen-Ausstellung noch einmal intensiv mit Leben und Werk der Pionierin auseinandergesetzt. Sie kommen alle zu dem Schluss, dass Ada den Titel der ersten Programmiererin zu Recht trägt. Mehr noch: Sie staunen unisono über Ada Lovelaces Weitsicht. „Dass Ada Lovelaces Kommentare schließlich sogar ­wichtiger als Babbages Vortrag wurden“, schreibt etwa Doreen Hartmann, „liegt nicht zuletzt daran, dass Ada Lovelace im Laufe ihrer Auseinandersetzung mit der Analytical Engine Anwendungsmöglichkeiten imaginierte, die weit über Babbages Anliegen der automatisierten Berechnung hinausreichten. Sie erkannte darin bereits 1843 die Idee eines universellen Computers. (…) Lovelaces Vision, dass die Maschine so Komplexes wie Sprache oder Musik verarbeiten könne, sollte sich erst Ende des 20. Jahrhunderts bewahrheiten.“ Also 150 Jahre später.

Ada selbst war sich ihrer visionären Kraft bewusst. 1844 schrieb sie in einem Brief selbstbewusst an Charles Babbage: „Ich glaube nicht, dass Sie auch nur die Hälfte meiner Vorausahnungen besitzen & das Vermögen, alle möglichen Eventualitäten zu sehen.“

Außerdem in EMMA November/Dezember 2015
Pionierinnen der Computergeschichte im Proträt - Silicon Valley: Willkommen im Männerland - Interview mit Big-Data-Expertin Yvonne Hofstetter: Sind wir noch zu retten? - World Wide Women: Diese Frauen programmieren die Zukunft! - Sexual-Gewalt im Internet - Das Darknet ist eine Chance mehr

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Sybille Krämer (Hg.): Ada Lovelace - Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen (Wilhelm Fink)

Termin
"
Am Anfang war Ada - Frauen in der Computergeschichte", Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn, bis 10. Juli 2016

 

 

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