Zum 125. Geburtstag: Thanks, Agatha!

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Unangefochtene Herrscherin im Krimi-Reich ist auch heute noch Agatha Christie – zumindest was ihre ­literarische Verbreitung betrifft. Selbst 40 Jahre nach ihrem Tod erzielen ihre Bücher weiterhin hohe Auflagen. Doch die so erfolgreiche Autorin hatte als junges Mädchen ganz andere Vorstellungen von ihrer Zukunft. Eigentlich sah sich Agatha Mary Clarissa Miller, 1890 im südenglischen Torquay geboren, als Sängerin und Pianistin auf der Bühne. Doch permanentes Lampenfieber, extreme Schüchternheit und eine realistische Einschätzung ihres Talentes hinderten sie an einer Musik-Karriere. Aber den Traum, Arien singen zu können, möglichst die von Richard Wagner, hatte sie bis ins hohe Alter.

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Den Traum, Arien zu singen, hatte sie bis ins hohe Alter

Das Vorbild ihrer Schwester und die Ratschläge ihrer Mutter brachten Agatha zum Schreiben. Allerdings durfte dabei das Ziel eines jungen, relativ gut situierten Mädchens ihrer Zeit nicht aus dem Auge verloren werden: das Einfangen eines Mannes zwecks Eheschließung und Versorgung und wenn möglich sogar verbunden mit Liebe. Agatha hatte – zumindest anfangs – Glück: Auf einem Ball lernte sie den Flieger Archibald Christie kennen. Und wenn sie diese Begegnung in einem der Romane beschrieben hätte, die sie unter dem Pseudonym Mary Westmacott veröffentlichte, hätte sie vielleicht formuliert: Am 12. Oktober 1912 traf Agatha wie ein Blitz die Liebe ihres Lebens!

Weihnachten 1914 wurde geheiratet, und Archie musste an die Front. 1926 wurde Agatha Christie von einem weiteren Blitz getroffen – ihr Mann verließ sie wegen einer anderen Frau, einer, die lieber und besser Golf spielte als Agatha. Anstatt nun selbst einen Schläger zu ­ergreifen (zu welchem Zweck auch immer), verschwand sie und blieb elf Tage lang unauffindbar. Die Polizei ermittelte, und so geriet auch der untreue Archie unter Verdacht – keine angenehme Situation in einem England mit Todesstrafe. Selbst Dorothy L. Sayers, Christies „Krimi-Kollegin“, beteiligte sich an der Suche, doch auch sie konnte „das Geheimnis der verschwundenen Autorin“ nicht lösen. Nie erfuhr die Welt, was in jenen Tagen wirklich geschehen war – noch nicht einmal aus einem Christie-Roman.

Nach der Scheidung wurde das literarische Meucheln für Agatha Christie noch wichtiger, da sie für sich und ihre Tochter das Einkommen sichern musste. Spätestens nach dem Erscheinen des Romans „The Murder of Roger Ackroyd“ (deutsch: Alibi), in dem sich der Erzähler als Mörder erweist, wurde sie zur Erfolgsautorin par excellence. Ihr Verlag warb mit dem ­Slogan „A Christie for Christmas“.

An ihre Kriegserfahrungen als Krankenschwester im Lazarett erinnerte Christie sich bei der Erfindung ihres ersten ­Detektivs: Hercule Poirot hat angeblich einen der in Torquay gestrandeten belgischen Flüchtlinge zum Vorbild – einen adretten, schnurrbärtigen und fürchterlich eitlen Gourmet. Für Miss Marple benennt Agatha Christie in ihren Memoiren eine andere Assoziation: „Nicht, dass das Vorbild für Miss Marple meine Großmutter gewesen wäre. Doch eines hatte sie mit ihr gemeinsam: So heiter und aufgeschlossen sie auch war, erwartete sie doch von ihren Mitmenschen immer nur das Schlechteste – und behielt gewöhnlich mit ihren düsteren Voraussagen recht.“

Und diese Skepsis, erworben durch die Erfahrungen mit den Bewohnern des Dorfes St. Mary Mead, befähigt die ältere, aber kaum alternde Lady zur Lösung schwierigster Kriminalfälle. Anders aber als Christies wohlhabende Großmutter lebt Miss Marple nur in einem kleinen, aber umso gemütlicheren, mit Reet gedecktem Cottage, in dem sie ihren Freundeskreis zum delikaten afternoon tea empfängt. Und natürlich hat das Häuschen auch den obligaten Cottage-Garten, dessen Pflege Miss Marple zugleich Gelegenheit gibt, die bösen Buben in der Nachbarschaft zu beobachten.

Miss Marple hatte etwas gemein mit Agathas Groß-
mutter ...

Miss Marple ist der Autorin sehr viel lieber als der selbstgefällige Egoist Poirot, und auch deshalb lässt sie die beiden nie aufeinander treffen, obwohl dies vielleicht für das Publikum, wohl aber kaum für die so unterschiedlichen Protagonisten interessant und angenehm gewesen wäre.

1930 heiratet Agatha Christie erneut, den sehr viel jüngeren Archäologen Max Mallowan, den sie auf seinen – so manches Mal von ihr finanzierten – Ausgrabungen in den Vorderen Orient begleitet. Christie meinte, Archäologen seien ideale Ehemänner, da sie alles, was alt sei, besonders zu schätzen wüssten. Mallowan schätzte allerdings auch Junges – ein Jahr nach dem Tod von Agatha Christie (1976) heiratete er seine langjährige Sekretärin, die auch schon zu Lebzeiten seiner Frau häufig Gast im Hause gewesen war. Auf dem Friedhof von Cholsey aber liegen Agatha und Max wieder vereint.

Auszug aus: "Crime Ladies" von Luise Berg-Ehlers, erschienen in EMMA November/Dezember 2013.

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