Happy Birthday, Agrippina!

Bildnis von Agrippina aus schwarzem Basalt, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek.
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Wer weiß das schon? Dass die Jungfrau im Drei­gestirn des Kölner Karnevals die beschützende „Mutter Colonia“ neben Prinz und Bauer die Kaiserin Agrippina symbolisiert? Und bis heute vergeht kein Karneval, ohne dass die KölnerInnen aus voller Kehle singen: „Agrippina, Agrippinensis, wenn do ding Pänz sühs, bes’de vun de Söck“ (Wenn du deine Kinder siehst, bist du platt).

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Agrippina, Agrippinensis, wenn do ding Pänz sühs, bes’de vun de Söck

Bis heute ist die römische Kaiserin und Gründerin von Köln unvergessen. Dabei stand sie als Ehefrau von Kaiser Claudius nur sechs Jahre an der Spitze des römischen Reiches – doch ihr öffentliches Auftreten und politisches Wirken hat einen nachhal­tigen Eindruck hinterlassen. Wie bei allen großen Herrscherinnen gibt es posthum ­allerdings zwei Sichtweisen: War Agrippina eine kluge und beliebte Politikerin – oder eine sex- und machtbesessene Mörderin?

Agrippina wurde im Herbst 15 oder 16 n.Chr. im heutigen Köln geboren, also vor nun mehr 2.000 Jahren. Sie war eine Enkelin von Kaiser ­Augustus. Nach dem Tod ihres Vaters Germanicus wurde Kaiser Tiberius der Vormund der kleinen Agrippina. Er ­verheiratete sie als 13-Jährige mit einem Verwandten.Einmal an der Macht beschuldigte Kaiser Tiberius die eigene Familie, sich gegen ihn verschworen zu haben. Agrippinas Mutter und einen Bruder ließ er verbannen, den Bruder kurz darauf ermorden, einen zweiten Bruder im Kerker grausam verhungern. Agrippinas Mutter brachte sich um. 

Im Jahr 37 starb Kaiser Tiberius, sein Nachfolger wurde der jüngste Bruder Agrippinas, Caligula. Er erließ eine allgemeine Amnestie. Seinen drei Schwestern ließ er alle erdenklichen Privilegien und Ehren zukommen, auf einer Münze ließ er sie sogar als Göttinnen der Eintracht, des Glücks und der Geborgenheit darstellen. In diesem Jahr brachte Agrippina ihren Sohn Nero zur Welt.

Aber das Glück währte nicht lange. ­Caligula erkrankte an Hirnhautentzündung. Danach war er verändert, depressiv, aggressiv und ruinierte durch Verschwendung den römischen Staatshaushalt. Er steigerte sich in unglaubliche Grausamkeiten hinein. Seine Schwestern schickte er in die Verbannung auf verschiedene kleine öde Inseln, der angebliche Grund: sexuelle Ausschweifung und Hochverrat. Agrippinas Mann starb in dieser Zeit, fern von ihr.

Caligulas Blutspur in Rom war so entsetzlich, dass ihn die Prätorianer, also seine eigene Leibwache, im Jahr 41 umbrachten. Zum Nachfolger riefen sie den einzigen Mann aus der Familie des Augustus aus, der die Blutbäder überlebt hatte: Claudius.Er ließ alle Verbannten zurückkehren. So kamen auch Agrippina und ihre Schwester Livilla wieder nach Rom zurück. Doch auch Claudius wurde grausam wie seine Vorgänger, nach und nach ließ er fast 300 Senatoren und hohe Militärs hinrichten, schließlich auch seine eigene Frau Messalina, die offene Liebesbeziehungen mit anderen Männern hatte. 

Nach Messalinas Tod im Jahr 48 suchte der Senat eine neue Frau für den Kaiser, eine, der man keine Skandale nachsagen konnte. Die Wahl fiel auf die Enkelin des Augustus: Agrippina. So rückte sie an die Spitze des römischen Reiches, ihr Sohn wurde von Claudius adoptiert.

Sie war beliebt beim Volk – aber verhasst bei einflussreichen Männern

Frauen hatten in Rom keinerlei politische Rechte, waren dem Gesetz nach unmündig, vom Familienvorstand abhängig. In den vergangenen Jahrzehnten hatten sich allerdings die Frauen der Oberschicht zunehmend Platz in der Gesellschaft erobert, verschafften sich Bildung, verfügten über Vermögen. Agrippina ging darüber hinaus. Sie brachte Claudius dazu, sie als Mitregentin anzuerkennen und bekam den Titel „Augusta“, der den Kaisern zustand, sowie alle Insignien der Macht: eine eigene Prätorianergarde, einen Ehrenplatz im Theater, das Recht auf Benutzung der Staatsschiffe. Ihr Bild wurde auf Münzen geprägt, Statuen von ihr in der Stadt aufgestellt.

Noch wichtiger: Claudius hörte auf ihren Rat. Sie war dabei, wenn er Staatsgäste empfing; sie rief den Philosophen ­Seneca, den er verbannt hatte, nach Rom zurück und setzte ihn als Lehrer für ihren Sohn ein; sie sorgte dafür, dass Claudius bei Prozessen wieder den Senat beteiligte. Missliebige hohe Militärs beseitigte sie auf elegante Art – durch Beförderung auf ­Stellen weit weg in fernen Provinzen. Massenweise Hinrichtungen von politischen Gegnern gab es nicht mehr.

In den ersten Jahren ihrer Zeit mit Claudius gab es eine Feuersbrunst und große Hungersnot in Rom. Agrippina war gemeinsam mit Claudius vor Ort, organisierte Hilfsmaßnahmen, ließ Geld und Brot verteilen. Sie war beliebt beim Volk – aber verhasst bei einflussreichen Männern, denen es ein Gräuel war, dass eine Frau so viel Macht hatte.

Zwei Jahre nach der Eheschließung erhob Claudius auf Agrippinas Wunsch ihre Geburtsstadt, die Ubiersiedlung am Rhein, in den Rang einer „Colonia“, das heutige Köln. Es war ein kluger außenpolitischer Schachzug. Denn an den Grenzen des Reiches herrschte Unruhe an, in Britannien und Judäa gab es Aufstände, in Germanien hatte Claudius vergeblich versucht, das rechte Rheinufer zu halten. Am linken Rheinufer siedelten die Ubier, die mit den Römern verbündet waren. Mit der Erhebung zur Kolonie wurde die Stadt mit üppigen Mitteln ausgebaut, viele Ubier erhielten römisches Bürgerrecht und damit Steuerfreiheit, römische Veteranen siedelten sich an und befreundeten und verschwägerten sich bald mit den Ubiern. Die Einwohner der Stadt, egal welcher Herkunft, nannten sich nun Agrippinenser und waren loyal zum römischen Reich. 

Nur sechs Jahre nach der Eheschließung starb Claudius, angeblich vergiftet von seiner eigenen Frau. Agrippinas Sohn Nero wurde Kaiser und hörte in allen politischen Fragen auf ihren Rat. Aber auch Nero, zunächst milde und wohltätig wie Caligula, wurde schnell herrisch, verschwenderisch, unberechenbar und grausam. Er überwarf sich mit seiner Mutter, verdächtigte sie der Verschwörung gegen ihn. In einem aufsehenerregenden Prozess vor dem Senat, in dem sie sich selbst verteidigte, wurde sie freigesprochen.

Wenig später ließ Nero seine Mutter durch Soldaten ermorden. Er befahl, all ihre Statuen und Bilder zu zerstören. Aber Agrippina war in der Bevölkerung sehr ­beliebt. Bald bedeckten Graffiti die Mauern Roms, die Nero als „Muttermörder“ schmähten. Und der Senat war empört, dass eine Enkelin des Augustus ermordet worden war.

Nero verbreitete daraufhin Agrippinas angebliche Verbrechen, wegen derer sie den Tod verdient habe: Sie habe ihn umbringen wollen, habe sexuelle Ausschweifungen begangen und Hochverrat. Und schließlich: Sie habe ihren eigenen Mann vergiftet.

Frauen hatten
in Rom keine Rechte, aber dabei blieb es nicht.

Der Historiker Tacitus hat Neros Version in seine Annalen übernommen, die er 50 Jahre nach den Ereignissen schrieb. Der Zeitgenosse Seneca hingegen, der ja selbst am römischen Hof gelebt hat, sah das anders. Er beschrieb literarisch verfremdet, wie nach längerer Krankheit die Parzen den Lebensfaden von Claudius abgeschnitten und die Göttin des Fiebers ihn in den Götterhimmel begleitet hätte. Doch in die Geschichte eingegangen ist die Version von Nero und Tacitus einer sexbesessenen und blutrünstigen Agrippina.

Die KölnerInnen neigen von je her zu der Version von Seneca. Und darum haben sie zum Jubiläum ihrer Gründerin eine Ausstellung vorbereitet, auf der man u.a. eine überlebensgroße Statue von Agrippina aus schwarzem Basalt sehen wird. Die war in der Spätantike in tausend Stücke zertrümmert worden (wie die meisten Statuen großer Herrscherinnen) und wird nun von ihren Kölner Pänz nach fast zweitausend Jahren erstmals wieder zusammen gefügt präsentiert: mit Kopf und Körper.

"Agrippina - Kaiserin aus Köln" im Römisch-Germanischen Museum in Köln, 26.11.2015 bis 29.3.2016

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WDR 5 ZeitZeichen über Aggripina

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Pharaonin Hatschepsut

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Die Pharaonin Hatschepsut kam um das Jahr 1495 vor Christus in der Hauptstadt Theben zur Welt. Die Epoche, in der sie über Ober- und Unterägypten regierte (zirka 1479-1458 vor Christus) wird "Neues Reich" genannt. Sie begann ihre Herrschaft als Witwe und Regentin für ihren vierjährigen Neffen und Stiefsohn Thutmosis III. Anfangs ließ sie sich noch hinter ihm stehend abbilden, womit sie anzeigte, dass ihm, dem Kind Thutmosis, der Vortritt gebühre. Doch irgendwann genügte ihr die Regentschaft nicht mehr und sie griff nach der ganzen Macht.

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Hatschepsut nannte sich "Maat Kare" (König von Ober- und Unterägypten) und bestieg den Horusthron. Statuen und Reliefs zeigen sie mit allen Insignien der Macht, in männlichem Königsmantel und mit dem Pharaonenbart. Objektiv gesehen war Hatschepsut eine der bedeutendsten Pharaonen des ägyptischen Reiches. Sie bescherte ihrem Land zwei Jahrzehnte großer Prosperität, Frieden und Reichtum. Dennoch war sie über 3.000 Jahre vergessen, ausradiert. Ihr Nachfolger hatte dafür gesorgt, dass uns beinahe kein einziges Abbild von ihr erhalten geblieben wäre, geschweige denn die Geschichte ihres langen Wirkens. Und bis ins 21. Jahrhundert hinein ist Hatschepsut für viele ägyptische Männer ein rotes Tuch. Schon nur die Erwähnung dieser vor genau 3.467 Jahren gestorbenen Frau provoziert im Nilstromland bis heute gereizte Debatten über Frauen und Macht. Wer also war sie wirklich, diese Hatschepsut, genannt Maat Kare?

Auch im alten Ägypten galt eigentlich einzig die männliche Erbfolge. Hatschepsut aber wurde von ihrem Vater Thutmosis I seinen männlichen Nachkommen vorgezogen, vielleicht weil sie das erste Kind war, das ihm seine Hauptfrau Ahmose geboren hatte. Es folgte aus dieser Verbindung noch eine Tochter, aber kein Sohn.

Hatschepsuts Mutter Ahmose entstammte als einzige jenem göttergleichen Pharaonengeschlecht, das nach langer Fremdherrschaft der so genannten Hyksos die Macht über Ober- und Unterägypten zurückerobert hatte. Jetzt musste dieses Geschlecht seine Herrschaft festigen. Und zwar über Ahmose, die das genealogisch mächtigere Geschlecht repräsentierte als ihr Gatte Thutmosis I, Hatschepsuts Vater, der einer weniger wichtigen Nebenlinie entsprossen war. Hier deutet sich also schon eine über Frauen vermittelte Erbfolge bzw. Machtweitergabe an.

Hatschepsut, Tochter der Ahmose und des Thutmosis, genoss die allerbeste Erziehung, begleitete ihren Vater auf dessen Expeditionen und lernte früh, was es heißt, über ein Land zu gebieten. Die Forschung glaubt Anzeichen dafür gefunden zu haben, dass der Pharao sie – entgegen der Tradition – von Anbeginn an als Nachfolgerin aufbauen wollte.

Sie heiratete, den Gepflogenheiten folgend, in früher Jugend ihren Halbbruder Thutmosis II, der als kränklich oder gar geistig behindert dargestellt wird. Nach dem Hinscheiden von beider Vater Thutmosis I wurde Hatschepsut, die "große königliche Gemahlin", wahrscheinlich sogleich mit den Regierungsgeschäften betraut. Nach nur dreieinhalb Jahren auf dem Horusthron verstarb Hatschepsuts Bruder-Ehemann; das Paar hatte lediglich eine Tochter, Neferure (auch: Nofrure).

Als legitimer Thronerbe wurde nun Thutmosis III, Sohn von Thutmosis II mit seiner Nebenfrau Isis, eingesetzt. Für diesen vierjährigen Knaben trat seine Tante und Stiefmutter Hatschepsut im Jahre 1479 vor Christus die Regentschaft an. Doch sie sollte sich zur Pharaonin aufschwingen und den Thron bis zu ihrem Ende nicht mehr aufgeben.

Ein Pharao hatte zunächst sein Reich zu verwalten; hierin hatte es das alte Ägypten weit gebracht. Ein großer und differenzierter Beamtenapparat stand zur Verfügung und musste von Hatschepsut geleitet werden. Anzunehmen, dass sie die dafür nötigen Kenntnisse als Liebling und rechte Hand des Vaters, sowie als Mitherrscherin an der Seite ihres beschränkten Bruder-Gatten längst erworben hatte. Jetzt aber kam die Autorität der Pharaonin hinzu. Hatschepsut stieß auf wenig Schwierigkeiten, wenn es galt, sich durchzusetzen.

Selbstverständlich stand der Pharao auch an der Spitze des Militärs; auch hier kannte Hatschepsut sich aus. Der Vater hatte seine Tochter in die Geheimnisse der Kriegskunst eingeweiht, wenn er sie nicht sogar mitnahm auf einige seiner "Strafexpeditionen" oder Feldzüge gegen Aufrührer oder Abtrünnige, etwa aus dem Lande Kusch. Hatschepsut aber war dennoch keine kriegerische Pharaonin; sie zog es vor, das Land durch Förderung des Bergbaus, des Handwerks und des Güteraustauschs sowie durch mancherlei Reformen groß zu machen.

Ihre weiten Reisen zum Zwecke des Warenaustausches sind legendär. So schickte sie eine Handelsmission in das sagenhafte afrikanische Land Punt (dessen genaue Lage auf dem afrikanischen Kontinent bis heute unbekannt ist), um Weihrauch, Elfenbein, Gold und Tierfelle zu erwerben.

Eine weitere wichtige Aufgabe des Pharaos war die Pflege der Baukunst, die religiöse Pflicht, Denkmäler, Grabstätten, Tempel und Stelen zu errichten – zu Ehren der Götter und des Herrscherhauses. Wir kennen bis heute diese großartigen Zeugnisse des Wirkens der Pharaonen als Pyramiden, Tempel, Skulpturen und Obelisken. Hatschepsuts Totentempel, ein in den Fels getriebenes Terrassenbauwerk im westlichen Theben nahe dem hochberühmten "Tal der Könige", ist – in Resten, die immer noch den Atem rauben – bis heute zu besichtigen.

Und wer die Stadt Paris besucht, kommt kaum um den Hatschepsut-Obelisken herum, der den Place de la Concorde beherrscht. Die Franzosen haben ihn im 19. Jahrhundert in Ägypten geklaut. Im Amun-Tempel zu Karnak am Ufer des Nil ließ die Pharaonin die damals höchsten Obelisken errichten (dreißig Meter); etliche weitere große Anlagen, so der Mut-(=Name der Göttin Thebens)Tempel zu Karnak, gehen auf ihre Regierungszeit zurück.

Die wichtigste aller Pflichten der Pharaonin jedoch war der Dienst an den Göttern. Als Herrscherin war sie zugleich die Gebieterin aller Priester, die höchste Vertreterin der Götter auf Erden – ja, mehr noch: sie war selbst von göttlicher Natur. Hatschepsut streute die Legende, dass niemand anderes als Gott Amun selbst sie gezeugt habe – nachdem er die Gestalt von Thutmosis I angenommen hatte.

Möglicherweise war es üblich, dass ein Pharao sich auf diese Weise eine göttliche Abkunft zuschrieb. Vielleicht aber hat Hatschepsut auf dieser hohen Geburt auch deshalb bestanden, weil sie als Frau auf dem Thron eine zusätzliche Legitimation liefern musste. Sie hatte ja schon Ahmose vorzuweisen, eine hochkönigliche Mutter. Der Vater sollte dann gleich Thebens Schutzgott selbst sein. Auch war da noch das Orakel des Amun, in dem ihr die Herrscherwürde prophezeit worden war ...

Im Leben der alten Ägypter war die Religion kein Bereich für sich – sie durchwirkte den Alltag mit all seinen Verrichtungen, sie war stets gegenwärtig. Die Pharaonin lebte ihr Leben quasi in Tuchfühlung mit den Göttern. An den Feiertagen zu Ehren der Götter und der Pharaonenfamilie legte Hatschepsut die männliche Tracht und den Bart an, und zollte so dem ursprünglich rein männlichen Thronanspruch Tribut.

Offenbar verstand diese Pharaonin und Gottestochter es sehr gut, sowohl das Volk als auch die Eliten, das heißt die Beamtenschaft, die Heerführer, Priester und Gelehrten derart für sich einzunehmen, dass niemand ihr die höchste Majestät streitig machte. Ihre auf Frieden, Handel und Baukunst gerichteten Regierungsziele überzeugten und machten sie zu einer beliebten Herrscherin ihrer Zeit, deren Ruhm über die Grenzen des Landes hinaus für Ägypten und sein Herrscherhaus warb.

Wichtige Unterstützung bei den Regierungstätigkeiten sowie den Bauvorhaben leistete ihr der Hauslehrer ihrer Tochter, der als Architekt weithin bekannte Senenmut. Die Forschung nimmt an, dass die langjährige Nähe zwischen Hatschepsut und ihrem engsten Berater ein Liebesverhältnis wurde. Die Deuter der Quellen glauben sogar ein Kind von Hatschepsut und Senenmut nachweisen zu können. Manche vermuten gar, Neferure sei Senenmuts Tochter gewesen. In späteren Jahren fiel der große Berater und Freund bei seiner Pharaonin in Ungnade, es kam zu keiner Versöhnung mehr. Senenmut verschwand von der Bildfläche. Die Gründe sind unbekannt.

Nun gab es aber doch einen, der mit Neid und Missgunst auf die Frau auf dem Horusthron blicken musste, und das war Thutmosis III. Der junge Mann wuchs im Königspalast auf, während seine Tante/Stiefmutter regierte. Die Priester, Lehrer und Berater, die ihn unterrichteten, erwiesen ihm die Ehrerbietung eines künftigen Pharao, und auch Hatschepsut ließ sich häufig mit ihm sehen. Nach außen hin und auch gemäß dem Protokoll und dem Erbfolgegesetz war und blieb Hatschepsut eine Regentin in Vertretung ihres Neffen/Stiefsohns. Die Tatsachen aber sahen anders aus.

Auch als Thutmosis III herangewachsen war und sich auf der Jagd und in den allfälligen Grenzscharmützeln als wahrer Heißsporn erwies, war es weiterhin seine Tante/Stiefmutter Hatschepsut, die die politischen Entscheidungen fällte: Schiffe für Handelsmissionen ausrüstete, den Bau der Grabanlagen für die Pharaonenfamilie leitete, Heerführer und Spitzenbeamte ernannte und die Scharen von Bediensteten im Palast auf das Zeremoniell um ihre Person konzentrierte. Thutmosis, obwohl längst erwachsen, blieb ohne Einfluss, eine Nebenfigur. Wir wissen nicht, was er dabei empfand, dürfen aber annehmen, dass ein tiefer Grimm in ihm kochte.

War nicht er der wahre Pharao und sie nur seine Stellvertreterin? Aber was konnte er ihrer göttlichen Abkunft entgegensetzen, er, der Sohn des zweiten Thutmosis, der ja nur einer Nebenlinie entstammte, der Sohn der im Vergleich mit Ahmose unbedeutender Nebenfrau Isis? Der Familienzwist im Pharaonenpalast ist uns nicht überliefert, aber er muss heftig gewesen sein und entschied sich für Hatschepsut – sie verließ den Thron erst nach zwanzig Jahren und neun Monaten, als sie um 1458 starb.

Es wird von einem zeremoniellen Begräbnis berichtet, in dem kein Ritus fehlte, der einer Herrscherin gebührte. Lange Zeit galt ihre Mumie als verschollen. Erst im Jahre 2007 wurde sie quasi zufällig in einem Hinterraum des ägyptischen Nationalmuseums in Kairo entdeckt. Neueste Prüfmethoden ergaben zweifelsfrei: Es ist Hatschepsut. Den Untersuchungen zufolge soll die mit knapp vierzig Jahren Verstorbene an Krebs gelitten haben. Ob sie auch daran gestorben ist oder aber ob sie gar ermordet wurde, das ist bis heute nicht klar und wohl auch nicht mehr zu klären.

Hatschepsuts Nachfolger Thutmosis III übernahm ein hervorragend von seiner Stiefmutter organisiertes Heer, eine funktionierende Verwaltung, eine Riege hochmotivierter Skulpteure und Baukünstler (die ihre Aufgabe als königliche Bildhauer und Architekten nicht nur darin sahen, die Tradition zu pflegen, sondern auch, neue Ausdrucksformen zu erproben – das hatte die "Maat Kare" von ihnen gefordert). Thutmosis III also hatte die besten Startbedingungen für seine Herrschaft, und er nutzte sie.

Aber sein Grimm? Was wir wissen, ist, dass einige Jahre nach Hatschepsuts Tod in einer beispiellosen Zerstörungswut fast alle Zeugnisse von Existenz und Wirken der Pharaonin regelrecht eliminiert wurden: aus den unzähligen Reliefs in Palästen, Tempeln und Stelen wurden Hatschepsuts Bildnisse und die Verweise auf ihre Taten gelöscht. Sie wurden sozusagen chirurgisch herausgefräst und durch Abbildungen des Thutmosis III ersetzt. Statuen von Hatschepsut wurden zerstört oder zerstückelt. Ihre Bildnisse wurden aus Obelisken und Wandschmuck in Pyramiden und an Säulen herausgekratzt. Selbst auf den in Ägypten lückenlos geführten Königslisten verschwand ihr Name: auf Thutmosis II folgte sogleich Thutmosis III. Durch Zufall sind einige Statuen erhalten geblieben. Sie ergeben einen sinnlichen Eindruck der Pharaonin, die offenbar sehr schön war. Auch ihre Mumie wurde nicht angetastet.

Die Pharaonin sollte zur Unperson herabgewürdigt, ihr Dasein und ihre Leistung in den Orkus des Vergessens gerissen werden. Wie konnte das geschehen?

Erst im 19. Jahrhundert wurde Hatschepsuts Andenken durch die moderne Archäologie, in der England führend war, wieder hergestellt – die Bilderstürmer im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung hatten also ganze Arbeit geleistet. Doch für immer hatten sie die Pharaonin nicht aus der Geschichte katapultieren können. Wir wissen dreieinhalb Jahrtausende nach Hatschepsut von ihr und stellen ihr Andenken wieder her. Und wir fragen uns: Wer wollte warum einst die Erinnerung an sie auslöschen, die Geschichte so umschreiben, als habe Hatschepsut nie existiert?

Die Forschung stieß sogleich auf den Grimm des Thutmosis. Bloß hat es damit eine Schwierigkeit: Die geschilderte Zerstörungsorgie fand erst viele Jahre nach Hatschepsuts Tod statt, als der neue Pharao bereits fest und sicher auf dem Thron saß. Wäre es um eine Tat im Affekt gegangen, hätte sie keinen Aufschub vertragen.

Oder war Hatschepsuts Vernichtung von langer Hand geplant, musste jedoch mit Umsicht in die Tat umgesetzt werden, um ihre Anhänger und Gönner nicht zu verärgern? Man wird das Geheimnis nie ganz lüften. Man kommt aber einer Erklärung näher, wenn man an die Bedeutung des religiösen Lebens im alten Ägypten denkt. Die Götter waren keine Inbegriffe oder Prinzipien – sie wurden als wirkende, wirkliche Wesenheiten gedacht. Sie gekränkt zu haben, galt als größte Sünde – völliges Verderben, unter Umständen für das ganze Land, war die Strafe.

So ist es vorstellbar, dass Thutmosis eine Kommission aus hohen Priestern einsetzte, die im Verein mit den Verwaltern der Königslisten darüber nachsinnen sollte, wie man wieder Ordnung in die Erbfolge bringen und einen weiblichen Thronanspruch künftig ausschließen könnte. Zwar war Neferure schon vor ihrer Mutter gestorben – aber wer weiß, vielleicht gab es wirklich jene sagenhafte Tochter von Hatschepsut und Senenmut, die womöglich von einflussreichen Gruppen im Palast gefördert wurde. Bei ihrem Versuch, die Erbfolge rückwirkend rein männlich zu gestalten, musste eine solche Kommission sehr vorsichtig sein, um den Gott Amun sowie den Sonnengott und die übrige Verwandtschaft Hatschepsuts nicht zu brüskieren – man überstürzte also nichts.

Vielleicht gab es auch zwei Parteien bei Hofe, eine pro, eine contra Hatschepsut. Vielleicht musste die Contrapartei, geführt vom Pharao selbst, warten, bis das Haupt der Propartei, ein weiser Priester, der Hatschepsut einst persönlich in ihre religiösen Pflichten eingeführt hatte, vom Totengott Osiris abberufen worden war, bevor Hatschepsut ausradiert werden konnte.

Die Pharaonin Hatschepsut, die bedeutendste Herrscherin in der Antike, wurde jedenfalls nicht zufällig im 19. Jahrhundert, in der Epoche der Historischen Frauenbewegung, wiederentdeckt. So wie einst der patriarchale Furor ihre Person und Bedeutung ausgelöscht hat, so grub nun eine emanzipatorisch inspirierte Archäologie Hatschepsut wieder aus.

Zum Weiterlesen:
Marianne Schnittger: Hatschepsut (2008)
Christiane Desroches Noblecourt: Hatschepsut (2007)
Joyce Tyldesley: Hatschepsut (2001)
EMMA-Serie: Herrscherinnen

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