Iran: Ahoo Daryaei ist frei!
Ja, auch wir Frauen in Deutschland haben Probleme. Doch das sind Peanuts im Vergleich zur Lage von Frauen in anderen Regionen der Welt. Iran zum Beispiel, seit 1979 die Mutter des islamistischen Terrors, der im Namen des Glaubens die muslimische Welt und Communities im Herzen der westlichen Welt in Geiselhaft nimmt und die Frauen im eigenen Land brutal unterdrückt. Symbol dieser Frauenunterdrückung war vom ersten Tag an die Verhüllung der Frauen, das Kopftuch bzw. der Tschador.
Die erste Frauengeneration in Iran hat sich dagegen aufgelehnt und das teuer bezahlt: Ihr verrutschter Schleier wurde ihnen mit Nägeln in den Kopf geschlagen. Sie wurden im Gefängnis Evin gefoltert. Sie wurden ermordet oder offiziell gesteinigt. Die zweite Generation war gelähmt vor Entsetzen. Die dritte Generation, die jetzigen jungen Frauen nun sind es leid! Sie wollen sich nicht länger beugen. Sie wollen sich nicht mehr verschleiern. Und koste es ihr Leben!
So wie im Fall von Ahoo Daryaie, die Studentin, die sich Anfang November aus Protest gegen die Rüge und Belästigung der „Sittenwächter“ wg. Kopftuch bis auf die Unterwäsche entkleidete und so in aller Ruhe über den Campus ging (EMMA berichtete). Es hat Ahoo offensichtlich einfach gereicht. Sie konnte und wollte nicht mehr.
Es gab viele internationale Proteste gegen die Festnahme von Ahoo. In Schweden, Belgien, in Frankreich. Da stellten sich die französischen Femen in Unterwäsche, Exil-Iranerinnen wie Französinnen, an das Gitter des Pantheons und forderten die Freilassung von Ahoo. Und in Deutschland? Viel Aufregung im Netz, aber kaum Aktionen. Wenn, dann von Exil-Iranerinnen wie in Köln. Die Entpolitisierung der jüngeren Frauen scheint dank des intersektionalen Irrweges fortgeschritten zu sein.
Brilliant action in Paris today in solidarity with #AhooDaryaei.
Remember 8 November is international solidarity day with her organised by FEMEN & One Law for All.
Women please send photos/videos/drawings/songs/poems in solidarity on day using #AhooDaryaei #آهودریایی pic.twitter.com/5F5XZrGmDI
— Maryam Namazie مریم نمازی (@MaryamNamazie) November 5, 2024
Masih Alinejad, die Frau, die Berufsverbot bekam, weil sie als Parlamentskorrespondentin in Teheran zu kritisch berichtet hatte, und die seit 2009 im Exil in den USA lebt, berichtete über Ahoo: „Sie war nicht nur unglaublich intelligent, sondern war bei ihren Freunden auch für ihren Mut und ihre Entschlossenheit bekannt, dafür, sich gegen Unterdrückung zu wehren. Sie hat ihre Rechte sowohl in der Schule wie an der Universität verteidigt und sich Belästigern und Tyrannen entgegengestellt!“
Ahoo wird sich nach ihrer Freilassung nicht mehr politisch äußern dürfen. Ihr Instagram-Account ist von den Behörden gelöscht worden. In einer Psychatrie soll sie gefoltert und unter Drogen gesetzt worden sein. Immerhin ist sie nun frei. Mahsa Amini wurde 2022 ins Koma geprügelt und starb - weil ihr Kopftuch verrutscht war (EMMA berichtete).
Eines ist klar: Ahoo ist eine Vertreterin der rebellischen dritten Generation, eher flippen sie aus, statt weiter in Angst, Schrecken und Unterdrückung zu leben. Sie soll vor ihrem Aufstand in Unterwäsche von den Sittenwächtern gerügt und belästigt worden sein. War das der letzte Tropfen?
Vom Außenministerium, das wir am 4. November angefragt hatten, was es zum Schutz von Ahoo zu unternehmen gedenkt, bekamen wir folgende Antwort: "Die Menschenrechtssituation in Iran war schon vor den Protesten im Herbst 2022 desolat und hat sich seitdem weiter verschlechtert. Insbesondere die Beschneidung der Rechte von Frauen beobachtet das Auswärtige Amt mit großer Sorge." Die Außenministerin persönlich konnte nichts sagen, sie war gerade mal wieder in Kiew. Druck aus Deutschland war es also wohl nicht, der zu Ahoos Freilassung führte.
Provokante Aufttritte wie der von Ahoo, sie sind Hilfeschreie, die die Welt nicht überhören darf.
ALICE SCHWARZER