Er gilt als der beste Jazz-Gitarrist der Welt. Und er sollte im Großbordell Pascha ein Konzert geben. Aber daraus wird nichts. Denn Al Di Meola weigert sich, in dem Bordell aufzutreten. Wo er da genau in Köln spielen sollte, hat er übrigens erst von EMMA erfahren.
10. März 2017
Al di Meola: kein Konzert im Kölner Pascha!
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Das hatte sich das Kölner Großbordell Pascha, das sich so gerne mit Kultur schmückt, mal wieder nett ausgemalt: Der weltberühmte Jazz-Gitarrist Al Di Meola live im Pascha-Nightclub! Gleich zwei Konzerte hintereinander. Und wer das späte Konzert um 21.30 Uhr buchen würde, der bekäme auch gleich ein Ticket für das sogenannte „Pascha-Showprogramm“ dazu, sprich: für Table-Dance und Striptease. Sowie alle alkoholischen Getränke umsonst.
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Und bis ins Pascha-Laufhaus sind es vom Nachtclub dann ja auch nur ein paar Schritte. 140 Zimmer auf sieben Etagen, im "Express-Gang" Sex für 30 Euro. Und eine Geld-zurück-Garantie. Für die Freier. Die Frauen zahlen erst mal 160 Euro für ein Zimmer. Täglich. Das muss bei den Tarifen erst mal reinkommen.
Al Di Meola allerdings - der unter Jazzgitarristen etwa den Stellenwert hat wie der Papst unter Katholiken - wusste gar nicht, wo er da auftreten sollte. Erst als EMMA den Pascha-Flyer (siehe Foto) auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte und Di Meola anschließend um ein Statement zu dem geplanten Auftritt in Köln bat, wurde dem Musiker aus den USA klar: Es handelt sich gar nicht um einen Jazzclub, sondern um ein Bordell!
„Wir sind total schockiert!“ mailte Di Meola heute an EMMA. „Wir werden dort auf keinen Fall spielen. Sie sollen sofort damit aufhören, Werbung für das Konzert zu machen! Noch nie in meiner ganzen Karriere war ich in einer so grauenvollen Situation!“
Wir sind total schockiert! Wir werden dort auf keinen Fall spielen.
Bestürzt sind auch die Al-Di-Meola-Fans, die seit gestern auf der EMMA-Facebook-Seite den Flyer kommentieren, mit dem das Bordell überall in der Stadt für das Konzert in Köln wirbt. „Wie bitte?! Ich mag das gar nicht glauben. Zuvor fand ich Al Di Meolas Musik immer großartig, doch diesen Status verliert er umgehend“, schreibt Astrid Manthey. „Ich dachte erst, dass das ein Fake sein muss!“ kommentiert Una Steiner. Und auch Anne Beck schreibt: "So wird das System Prostitution immer wieder verharmlost.“
Genau das ist die Strategie, die das Pascha seit Jahren verfolgt. Mit Erfolg. Aktivitäten mit der Kölner Kulturszene, Spenden für Pfarrer, elegante Golfturniere. Das ist seit Jahren an der Tagesordung in dem Kölner Bordell.
Auch Al Di Meola ist nicht der erste Jazzmusiker, der im Pascha ein „Spitzenkonzert“ (O-Ton, Pascha-Webseite) geben sollte. Aber er ist der Berühmteste. Und der Erste, der sich nun öffentlich weigert, in dem Nachtclub des Laufhauses aufzutreten: „Ich werde die Show von meiner Webseite löschen und meine Fans auffordern, keine Tickets mehr zu kaufen“, erklärt er nun. Die Verträge für den Abend sind schon unterschrieben, di Meola würde im Notfall auch eine Klage in Kauf nehmen.
Der 62-jährige US-Amerikaner mit italienischen Wurzeln ist vielfach ausgezeichnet worden für sein virtuoses Gitarren-Spiel. Er stand mit Paul Simon, Frank Zappa und Santana auf der Bühne. Seine Alben wie das 1981 veröffentlichte „Friday Night in San Francisco“ gelten als legendär.
Heute hätte er noch einen Preis verdient: Für Charakter und Courage!
Was wir hier auf dem Foto sehen, ist eine der vielen Sexfabriken in Deutschland: das Pascha in Köln. Wie es da zugeht, wollte EMMA mal ganz genau wissen. EMMA-Redakteurin Alexandra Eul hat sich beworben im selbsternannten "größten Laufhaus Europas". Was sie zu berichten hat, ist mehr als bedenklich.
Nur fünf, sechs Kilometer von der EMMA-Redaktion entfernt steht das nach eigenen Angaben „größte Bordell Europas“, das Pascha. Frauen haben keinen Zutritt. Es sei denn, sie mieten ein Zimmer und schaffen an. Als Jüngste (und Blondeste) in der Redaktion werde eines Nachmittags ausgerechnet ich genau dazu auserkoren: „Du bewirbst dich da einfach mal als Mieterin!“
In Deutschland, wo selbst Frauenzeitschriften wie Brigitte die Prostitution zum Trendberuf erklären, zum „Reservat, in dem Sex mit Neugierde und Leichtigkeit erlebt werden kann wie kaum irgendwo sonst“, dürfte das doch eigentlich gar kein Problem sein, oder? Und Prostitution ist ja auch kein „Ausbildungsberuf“, wie das die Grünen tatsächlich mal gefordert haben. Ich könnte also durchaus… Und es hilft in der Tat auch kein Sträuben: Ich werde von den Kolleginnen schlicht dazu verdonnert.
Es kostet mich in den Tagen darauf eine gewisse Überwindung, bis ich an einem stillen Wochenende zuhause beherzt die Internetseite des Pascha anklicke: „Wir senken die Preise, nicht die Qualität!“, steht da. Für 30 Euro gibt es 15 Minuten Geschlechts- oder Oralverkehr im Express-Gang auf der ersten Etage. Von 9 bis 15 Uhr im Angebot: „Gratisnummern“. Außerdem: Gratiszugang für „Senioren“ ab 66, für Geburtstagskinder und Bräutigame auf Junggesellenabschied (für die aber nur freitags). Alle anderen müssen unter der Woche 30, am Wochenende 35 Euro Eintritt für den PaschaNightclub zahlen. Inklusive Alkohol, Stripshow und allem Pipapo. Vom Nachtclub ist es nicht weit ins Laufhaus nebenan. Das kostet fünf Euro Eintritt. Oder bis zum „Club 11. Etage“, dem „Gentleman-Club“ im Pascha, der „FKK“-Etage. Die kostet 60 Euro Eintritt. 800 Freier kommen im Schnitt täglich ins Pascha, am Wochenende sind es oft über 1000 pro Tag.
Ich klicke weiter und sehe das Foto einer Frau im Handstand. Die Beine spreizt sie breit auseinander. Eine andere hockt dahinter und leckt ihr die Klitoris. Ich klicke auf Pascha Livecam und sehe sehr viele Frauen, die ihre Brüste in die Kamera halten. Titel: „Amateure live vor der Webcam“. Eigentlich sind es ausschließlich Amateurinnen, die hier dazu auffordern, im Chat die „versautesten Phantasien“ auszuleben. Ein Klick weiter, auf das Foto einer halb-nackten Frau mit Krankenschwester-Haube, die auf einem Gynäkologenstuhl kniet, ihr ragt ein Schlauch aus dem Hintern. Jetzt bloß nicht nervös werden. Ich klicke weiter auf die Seite „Für Mieterinnen“. Sieh an!
Das Pascha sichert mir „gut verdientes Geld“ im „sichersten Bordell Europas“ zu und umwirbt mich: „Du bist mindestens 18 Jahre alt. Du bist aufgeschlossen und hast keine Berührungsängste mit dem Rotlichtgewerbe. Deine Leidenschaft ist es, Männern zu Inspiration und Freude zu verhelfen. Bewirb dich bei uns über das Kontaktformular oder rufe uns gleich an und komm bald vorbei, um dich vorzustellen.“ Europas „erfolgreichstes Bordell“ mit mir per du.
Eine Woche später nimmt mein Alter Ego „Nicole“ Kontakt mit dem Pascha auf. Nicole ist 28 Jahre alt, also vier Jahre jünger als ich. Sie hat Germanistik studiert und Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Das Arbeitslosengeld reicht nicht aus, um Wohnung, Versicherungen, Essen und ein bisschen mehr zu finanzieren. Neuerdings bieten ihr auf Partys Typen schon mal Geld für Sex an. So kommt sie auf den Gedanken, es mal als Prostituierte zu probieren.
Doch Nicole hat auch durchaus Tabus, wie die meisten Frauen. Sie will auf keinen Fall Analsex und auch keinen Sex ohne Gummi. Was sie will ist: Die Sache jetzt durchziehen. Für maximal ein Jahr. Bis sie einen Job hat. Mein Handy mit der Prepaidkarte liegt seit einer Stunde unangerührt auf dem Küchentisch, daneben der Zettel mit der Pascha-Nummer: 0221/17906100. Okay, ich tu’s! Ich ruf an…
Es meldet sich ein Mann. „Ich habe gehört, dass ihr Mieterinnen sucht“, sage ich. „Club oder Laufhaus?“ Auf diese Frage bin ich nicht vorbereitet. „Club“, antworte ich verunsichert. Klingt irgendwie besser. Ich werde durchgestellt, diesmal meldet sich eine Frau, die so aufgeräumt plappert wie Heidi Klum bei Germany’s next Top Model. „Oh, wenn du ein Zimmer willst, bist du hier falsch, da musst du ins Laufhaus!“
Was denn Club überhaupt bedeute, will ich wissen. „Also, im Club in der elften Etage stehen die Mädchen an der Bar und werden von den Männern angesprochen. Und wenn es dann zum … nun ja … kommt, gehen sie mit den Männern auf ein Zimmer, das frei ist. Im Laufhaus mieten sie ihr eigenes Zimmer und arbeiten selbstständig.“ – „Klingt irgendwie besser“, sage ich, diesmal entschlossen. Die Frau stellt mich auf Warteschleife.
Es meldet sich wieder der Mann, offenbar in Eile. „Hast du schon mal als Prostituierte gearbeitet?“ – „Ich hatte Angebote.“ – „Bist du über 18.“ – „Ja.“ – „Wo kommst du her?“ – „Aus dem Umland.“ – „Also pass auf, es läuft so: 150 Euro Kaution, 160 Euro Miete pro Tag. Die Miete muss täglich bis morgens um vier Uhr gezahlt sein. Bei Auszug stehen 40 Euro Reinigungskosten an.“
Einen Vertrag gebe es nicht, aber ich müsse meinen Ausweis vorzeigen. Der Auszug sei jederzeit möglich. Die Arbeit ginge auf eigene Verantwortung und auf eigene Rechnung. „Preisgestaltung ist deine Angelegenheit. In der Regel nehmen Frauen 50 Euro für eine normale Nummer“, sagt der Mann. „Kann ich mir das Haus mal anschauen?“ – „Klar, wir haben 24 Stunden geöffnet!"
160 Euro Miete? Das wären ja 4800 Euro im Monat. Für ein Zimmer. Bei einer Sieben-Tage-Woche wären das also mindestens drei „normale“ Nummern am Tag oder fünf „Express-Nummern“. Und dann habe ich noch nicht einmal was gegessen – von der Miete für eine Wohnung außerhalb der Bumsbude ganz zu schweigen.
Zur Einstimmung suche ich im Internet nach Erfahrungsberichten von Mieterinnen. Über „Pascha + Bordell + Zimmer“ finde ich nur Freier, die sich in Online-Foren wiehuren24.info oder hurenforum.to gegenseitig informieren, ob jetzt die mit den „Mördermöpsen“ auf Zimmer 108 oder der „Optikfick“ auf Zimmer 521 geiler ist. Ausführlichere Tipps geben die Herren auch gerne: „Moin Mitficker. Was ist das Beste an einem Besuch in Köln? Ein Kurzbesuch in der Hornstraße. Also rüber ins Pascha. In Zimmer 406 habe ich Kim getroffen. Ein Kohleneimer wie er im Buche steht, weiße Fickmich-Stiefel an, weiße Dessous, ansonsten kohlrabenschwarz. Ach ja, dicke Titten und nen drallen Arsch hat sie ebenfalls. Sie fängt an zu blasen und ich widme mich ihren vorzüglichen Arschbacken (...). Dann ziehe ich sie in meine Richtung und setze mich auf meinen Arsch. Der Schwanz ist in ihrem Po und somit habe ich sie aufgepflockt. Endlich mal komplett im Negerarsch! Bezahlt habe ich 80 Euro.
Ich recherchiere: elf Stockwerke insgesamt. In einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger erläutert Pascha-Geschäftsführer Armin Lobscheid: Das Laufhaus habe 140 Zimmer auf sieben Etagen; sowie 70 Festangestellte, also Köche, Kellner und Reinigungspersonal. Plus 15 bis 30 „Tänzerinnen“ im Pascha Nightclub. Auf der Dachterrasse, die zum FKK-Club auf der elften Etage gehört, veranstaltet das Pascha schon mal Gang-Bang-Partys samt Amateur-Porno-Dreh. Der schwedische Filmemacher Svante Tidholm war für seine Dokumentation „Like a Pascha“ dabei. Ein dutzend Freier in Bademäntelnund mit Masken umkreisen da transsexuelle Porno-Darstellerinnen und jeder durfte mal ran. Die Pascha-Kameraleute halten auf alles drauf. Also, da bewerbe ich mich lieber für's Laufhaus!"
Zwei Wochen später mache ich mich auf den Weg zur Hornstraße. Ich betrachte noch einmal mein überschminktes Gesicht im Spiegel: schwarz umrandete Augen, rote Lippen, zurückgesteckter Pony, lange, strohblonde Haare. Mein Blick wandert auf meine Push-Up-Brüste, die unter dem engen T-Shirt unwirklich groß wirken. Das ist also Nicole. Nicole hat gerade Schiss. Aber Nicole ist jetzt tapfer und fährt mit dem Fahrrad ins Pascha!
Ich vermute, dass Prostituierte nicht auf Hollandrädern vorfahren und schließe meins in einer Nebenstraße an. Von der in der Lokalpresse gern beschriebenen „Industrie-Romantik“ und dem „anrüchigen Flair des Bordells“ (Stadtrevue) ist in der Hornstraße allerdings wenig zu spüren. Die Sonne scheint auf den hellblauen Plattenbau. Die Fassade bröckelt, die roten Neonlampen leuchten nicht und vor dem Eingang zum Pascha stehen zwei unschlüssig wirkende junge Männer und starren mir hinterher. Das Drehkreuz direkt hinterm Eingang bremst meinen als energisch geplanten Auftritt leider aus. „Hallo!“, sage ich zu dem Riesen dahinter. Der Pascha guckt finster. Besonders oft kommt es scheinbar nicht vor, dass junge Frauen hier reinmarschieren. Erst als ich mich nach dem Zimmer erkundige, erhellt sich sein Gesicht. „Du hattest doch angerufen!“ – „Ja, genau, ich bin …“ – „Komm doch rein!“ – „Wir hatten…?“ – „Ja, wir haben telefoniert, willst du was trinken?“
Der Mann, nennen wir ihn Pascha Nr. 1, fummelt an seinem Funkgerät rum, er will gleich „den Manager“ rufen. Eine „Dame“ sei da, die sich das Haus ansehen wolle. Die „Dame“ steht verloren in dem verwinkelten Eingangsbereich, und scannt die Rezeption mit den vielen Zimmerschlüsseln und den Tresen mit Bildschirmen für die Überwachungskameras. Erst mal orientieren.
„Setz dich doch!“, sagt Pascha Nr. 1 und lässt noch eben ein paar Freier durchs Drehkreuz. Ich hocke mich zittrig auf den Rand der Lederpolster, vor mir sprudelt schon ein Glas kaltes Wasser. Es riecht süßlich, wie in einer Shisha-Bar. „Die Konditionen kennst du ja schon“, sagt Pascha Nr. 1. Ich will Zeit gewinnen. „Kann mich nicht erinnern“, sage ich leise. Pascha Nr. 1 lächelt verständnisvoll und erklärt alles noch mal.
Eine zierliche Halbasiatin im geblümten Morgenmantel schwebt in die Empfangshalle und macht vor, wovon Pascha Nr. 1 spricht. Sie steckt Geld in einen klobigen Automaten an der Wand. Das wird dann direkt auf ihr Pascha-Konto gebucht. Alles ganz einfach, sagt Pascha Nr. 1, ich dürfe eben nur nicht im Minus sein.
Und wenn ich nicht zahlen kann? Es sei ja manchmal nix los, so wie jetzt zum Beispiel. Pascha Nr. 1 zieht die Schultern hoch. Klar könne man hier auch anschreiben lassen. Aber dann müsse ich eben in den kommenden Nächten so „richtig ran“. Pascha Nr. 1 grinst. „Suck and Fuck“ heißt das hier, erklärt er mir. „Du hast noch nie in einem Laufhaus gearbeitet, oder?“ – „Nee.“
Auftritt Pascha Nr. 2, der angekündigte Manager. Ein kleiner, hagerer Mann mit Haartolle. Er mustert mich kritisch, nickt und verschwindet. Meine Handtasche kontrolliert niemand, dabei hatte ich die extra auf Glaubwürdigkeit gepackt: nur Kondome und Schminke.
Jetzt setzt sich Pascha Nr. 1 in Bewegung und winkt aufmunternd. Die Hausführung beginnt. Was er denn so mache? „Ich bin Türsteher.“ Wir steigen in einen engen Aufzug und fahren in die zehnte Etage. Hier gibt es sogar Tageslicht. Und die PaschaKantine. Die hat ihre besten Zeiten hinter sich. Pascha Nr. 1 lobt die 24-StundenKüche, Soft-Drinks seien „sogar gratis“.
Auf der Durchreiche zur Küche steht ein Teller mit einem Flatschen Kartoffelpüree, darunter muss sich das Schweinemedaillon verbergen, das heute auf der Tageskarte steht. „Fifteen Euros!“ sagt eine blonde Frau und zeigt auf den Teller. Sie nimmt einen Soft-Drink dazu. „Das sind ja Restaurantpreise“, sage ich. „Ist ja auch kein MensaEssen“, stellt Pascha Nr. 1 klar. Essen von außen bestellen ist verboten. Macht einmal „Suck and Fuck“ für drei Mahlzeiten.
Siebte Etage. „Hier sind unsere Transen“, sagt Pascha Nr. 1 und geht im Treppenhaus gleich weiter in die sechste Etage und fünfte Etage. Langsam werde ich ungeduldig. Wollten wir nicht ein Zimmer anschauen? Ja gleich, sagt Pascha Nr. 1 und will schon wieder weiter in die vierte Etage. Ich bleibe stehen vor einem großen Plakat, auf dem eine „Krankenschwester“ im Kittelchen zu sehen ist. „Was ist das?“ frage ich betont unschuldig. „Ein Themenzimmer“, sagt Pascha Nr. 1. Davon gibt es hier mehrere, je nachdem, welche Techniken ich so bevorzugen würde. Vielleicht Sado-Maso…? Ich erwidere, ich hätte bei Männern den größten Erfolg damit, „ganz ich selbst zu sein“. „Ja, ganz natürlich, das ist … auch nett“, murmelt Pascha Nr. 1. Am Ende des Gangs schließt er eine Tür auf. Wir stehen in einer „Arztpraxis“ samt gynäkologischem Stuhl und WhirlpoolBadewanne. Der Raum wird nach Gebrauch sofort von professionellen Reinigungskräften geputzt, erklärt Pascha Nr. 1.
Wir streben weiter nach unten. Vierte Etage. Irgendwie sieht hier alles gleich aus. Kein Tageslicht, terrakotta-rot gestrichene Wände, orientalisch anmutende Ornamente und Deckenlampen, viele geschlossene Türen, davor Holzhocker, auf denen manchmal ein Handtuch liegt: das Zeichen, dass ein Freier im Zimmer ist.
Was ich denn so anziehen soll, will ich wissen. Völlig egal, sagt Pascha Nr. 1. Nur ganz nackt ginge nicht. Oben ohne aber schon.
Pascha Nr. 1 ist im Grunde kein unsympathischer Typ. Während er mich zielsicher durch das Haus führt und übers Wetter plaudert, würde ich trotzdem gerne brüllen: Scheiß aufs Wetter! Hast du denn noch nie davon gehört, dass zwei von drei Prostituierten unter den gleichen posttraumatischen Belastungsstörungen leiden wie Folteropfer und neun von zehn als Sozialhilfeempfängerinnen enden? Aber ich halte den Mund. Klar.
Wir kommen nun auf das Thema Gefahr zu sprechen. Zu Hause hätte ich ja immerhin die Kontrolle, wer rein kommt. Aber hier? „Was ist, wenn ein Arschloch mir eine reinhaut?“ Pascha Nr. 1 wehrt ab. Nein, nein, hier sei ich auf jeden Fall sicher! Er selbst sortiere ja am Eingang die Alkoho lisierten, die Pöbler aus. „Aber im Pascha Nightclub sind doch alkoholische Getränke im Eintritt inbegriffen…“ – „Eine gewisse Promille-Zahl ist ja auch gut fürs Geschäft“, erklärt Pascha Nr. 1. Und auf den Zimmern gebe es „natürlich Alarmknöpfe“. Beruhigend! Was ist denn jetzt mit dem Zimmer?
Während wir durch die Gänge des Laufhauses eilen, erhasche ich immer wieder mal einen Blick auf Frauen, die in Reih, Glied und in Unterwäsche auf den Hockern vor ihren Zimmern ausharren. Fast alle sind jung und schlank. Mit jeder Etage wächst mein Respekt vor den Frauen, die hier ihr Brot verdienen – und sinkt mein Respekt vor den Männern, die sie betrachten wie die Auslage in einer Metzgerei. Ich würde zu gerne mit einer der Frauen sprechen, aber Pascha Nr. 1 hat es eilig. Wenn ich den Freiern im Vorbeigehen ins Gesicht schaue, blicken sie auf den Boden.
Dritte Etage. Aus dem Friseursalon schallt uns ein heiteres „Hallo“ entgegen. Der Stylist und seine Kollegin lachen, auf dem Friseurstuhl sitzt eine Frau mit AluStreifen im Haar, ein kleiner weißer Hund tapst uns entgegen und für einen kurzen Moment scheint im Pascha alles so zu sein, wie die Betreiber es den Medien so gerne erzählen: Wie in einer großen Familie!
Zweite Etage. Die Boutique. Hier gibt es alles, was ich für den Job brauche: Kondome, Kostüme, Plateauschuhe. „Du brauchst also das Pascha nie verlassen“, schwärmt mein Begleiter.
Endlich biegt Pascha Nr. 1 in einen Gang ein. Es handele sich um ein „älteres Zimmer“. Ich trete ein und wünsche mir sofort den Pascha-Patchouli-Duft von eben zurück. Das Zimmer riecht so streng, dass ich kaum atmen kann. Wie soll hier auch gelüftet werden, die Fenster sind mit schwarzer Folie bedeckt, davor hängen vergilbte weiße Vorhänge. Der ganze Raum besteht aus einem riesigen Bett. Ich teste die dünne Schaumstoffmatratze. „Unbequem“, sage ich. „Du sollst hier ja auch nicht schlafen“, grinst Pascha Nr. 1. Der „Alarmknopf“ entpuppt sich als Telefon. Wie das in einer Notsituation funktionieren soll, will er mir beim „nächsten Mal“ erklären. Ach ja, wohnen könne ich hier natürlich auch! Der Arzt – einer für alle Frauen? – komme „zu festen Terminen“, erfahre ich. Bonjour tristesse: eine Art Schlafmatte, ein wackliger SperrholzSchrank, ein kleiner Tisch, eine nackte Deckenlampe, ein Mini-Bad.
Nebenan sehe ich zwei Frauen in einem halbwegs wohnlich eingerichteten Zimmer auf dem Bett sitzen und plaudern. Für die rund 4 800 Euro, die das Bordell pro Vollzeitmieterin monatlich verbuchen kann, würde ich lieber in ein Haus im Grünen ziehen. Wenn das Pascha ausgebucht ist, arbeiten hier über 100 Mieterinnen, demnach würde das Laufhaus allein via Miete der Frauen schon eine halbe Million Euro monatlich abwerfen. Hinzu kommen die Einnahmen vom Pascha-Nachtclub, der Eintritt von den Freiern ins Laufhaus, die Einnahmen durch die Pascha-Partys, das Geld vom Gentleman-Club im elften Stock und vom Restaurant sowie die Einnahmen durch Merchandise-Produkte wie Pascha Shirts, Pascha Vodka, Pascha Kondome. Eine wahre Goldgrube. Für die Pascha-Betreiber.
Wir sind wieder im Erdgeschoss gelandet und machen noch einen Abstecher in den Pascha Nightclub, das Striplokal in direkter Nachbarschaft zum Laufhaus. Mit hochgestellten Stühlen im hellen Licht und dem staubigen gewaltigen Holzpenis auf der Bühne wirkt der Raum bei weitem nicht so rasant wie in dem Werbespot, mit dem das Pascha für seine Tabledance-Bar wirbt.
Ob ich denn noch was über den Club im elften Stock wissen will?, fragt Pascha Nr. 1. Ich will. Na gut.
Er übergibt mich an seinen Kollegen, nennen wir ihn Pascha Nr. 3. Der klärt mich auf über die Arbeitsbedingungen auf der „Beletage“. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: eine „Saunalandschaft“, in der ein „Ledergeschirr träge von der Zimmerdecke baumelt“. Der Gentleman-Club eben.
Also, los geht’s. Pascha Nr. 3 erklärt: 1. Wer nicht ohne Gummi blasen will, kann nicht im Club arbeiten. Und Aids? „Kannst ja ins Laufhaus gehen“, sagt er gleichmütig. Zum Standardprogramm gehöre außerdem: 2. Anfassen, „überall, nicht nur im Gesicht“. 3. Vaginaler Sex mit so vielen Positionen wie der Mann verlangt. Und: Sollte sich der Freier zwei Club-Girls aussuchen, gehören auch 4. „lesbische Liebesspiele“ dazu. Anal oder nicht, „das ist deine Entscheidung“. Aber so ein Extra steigere natürlich die Chancen.
60 Euro zahlen die Frauen „pro Schicht“ an das Pascha. Nur, um im Club an der Bar stehen zu dürfen. 60 Euro zahlen die Freier Eintritt und dieselbe Summe noch mal an die Frauen für 30 Minuten Sex. „Eine Schicht dauert immer zehn Stunden“, erläutert Pascha Nr. 3.
Wer die Standards nicht liefert, fliegt. Denn die Freier haben im Pascha eine so genannte „Geld-zurück-Garantie“. „Wenn wir hören, dass du nicht ohne Gummi bläst oder deine Abmachungen mit dem Gast nicht einhältst, ist das schlecht“, sagt Pascha Nr. 3. Was „schlecht“ in letzter Konsequenz bedeutet, lässt er offen. Noch schlechter als Bluffen ist Sex mit Ausländern ablehnen. „Wenn hier am Wochenende mal wieder ne Busladung Inder ankommt, wären solche Vorbehalte einfach nicht gut fürs Geschäft.“
„Ich muss über die ganze Sache noch mal nachdenken“, murmele ich. Inzwischen stehe ich wieder mit Pascha Nr. 1 im Eingangsbereich vor der Rezeption. Ich solle mir ruhig Zeit lassen, sagt er. Nur im Herbst, da müsse ich mit Vorlauf anrufen, um ein Zimmer zu bekommen. Dann gingen die Messen in Köln los. „Und dann ist hier richtig was los.“ Er gibt mir einen Flyer mit den Mietkonditionen und eine Visitenkarte, auf der stehen auch die Telefonnummern der Pascha-Filialen in München, Salzburg und Linz.
Wem gehört der Laden eigentlich? Das ist im Grunde kaum rauszukriegen. Der einzige wirklich Bekannte unter den Pascha-Besitzern ist Hermann Müller, der jüngst mit 250 Gästen im Casino Montesino in Wien seinen 60. Geburtstag feierte. Inklusive Ständchen vom Biene-Maja-Chan sonnier Karel Gott. Pascha Müller ist jemand. Er tritt seit vier Jahren in der Sport1-Poker-Sendung „German Highroller“ auf – neben Prominenten wie Boris Becker. Motto: „Zocken ums große Geld“. In seiner Kolumne auf Pokernews.de tönt Müller: „Eine Zigarre verkürzt das Leben um zwei Minuten – ein Arbeitstag um acht Stunden!“ Ein Arbeitstag im Pascha verkürzt das Leben vermutlich um acht Tage.
Nicht so gut lief Müllers letztes Projekt: Das Berliner Pascha, angesiedelt in den Räumen des Ex-Bordells „Bel Ami“, mitten in einem Wohngebiet auf der Flatowallee im feinen Westend. Es musste 50 Tage nach Eröffnung im Frühjahr 2012 schon wieder dicht machen, berichtete die Berliner Lokalpresse. Grund: Angemeldet war ein „Wellnessbetrieb“ (neudeutsch: Spa). Angeboten aber wurden „sexuelle Dienstleistungen“. Doch Müller ließ sich nicht klein kriegen. Er sei auf der Suche nach einem neuen Gebäude für das Hauptstadt-Pascha, verkündete er der B.Z..
Für seine beste Kundschaft spricht der Bordellbetreiber regelmäßig „Einladungen zum Einlochen“ aus. Dabei geht es nicht um einen Tag der offenen Tür im Pascha, sondern um Golfturniere, die so genannten „Pascha Open“. Die fanden letzten September zum sechsten Mal im „Golfclub Schloss Miel“ bei Bonn statt. Mit anschließender „Player‘s Night“ für alle Golfer im Pascha, versteht sich.
Auf der Internetseite des feinen Schlosses („Golf in fürstlichem Ambiente“) ist über dieses illustre Zusammenspiel nichts zu finden, auf der des Pascha schon. Schließlich geht es um „einen guten Zweck“! Das Pascha kooperiert nach eigenen Aussagen mit der Organisation „be your own hero e. V.“, die gegen Aids kämpft, gegründet von dem Extremsportler Joachim Franz, der im vergangenen Jahr für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. „In diesem Jahr unterstützten die Teilnehmer wieder ein Projekt für von HIV betroffene Kinder, die in der Kinderambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover betreut werden“, versprach Harald Müller auf der hauseigenen Facebook-Seite PaschaEntertainment.
„Wir haben von dem Bordell Pascha bisher weder eine Spende erhalten, noch von einer Spendensammlung zu unseren Gunsten Kenntnis gehabt“, sagt dagegen Prof. Ulrich Baumann, Leiter der Kinder-Ambulanz im Gespräch mit EMMA. Die Abteilung habe zwar einmal 20 000 Euro von dem Verein „be your own hero“ erhalten. Aber dass es sich bei einem der Geldgeber für diese Spende um ein Großbordell handeln soll, war in der Klinik bisher nicht bekannt.
Harald Müller ist der Bruder von Pascha-Chef Hermann Müller. Laut Pascha Entertainment ist er außerdem der „Koordinator“ der Golfturniere. Neuerdings wird er in den Medien allerdings vor allem als „Hausmeister“ des Kölner Bordells vorgestellt. Und als Prinz Harald I. Denn Harald Müller ist in der Session 2012/2013 Karnevalsprinz in dem Städtchen Pulheim bei Köln.
„Puff-Hausmeister wird Prinz-Karneval“ meldete der Express und wunderte sich. Aber nicht etwa darüber, dass ein Bordellmitarbeiter neuerdings so salon - fähig ist, dass er Prinz Karneval werden kann – was im Rheinland eine hohe Ehre ist –, sondern darüber, dass ein gebürtiger Franke das geschafft hat. Der Familienvater (eines Sohnes) hat im Express auch gleich schon angekündigt, dass er gedenkt, mit seinem „ganzen Regiment“ zum Tabledance im Pascha aufzukreuzen. Das gutbürgerliche Städtchen Pulheim, in dem auch Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wohnt, scheint das nicht zu stören. Die Ehefrauen des Prinzenregiments anscheinend auch nicht.
Geschäftsführer des Pascha Nightclub, der siebten Etage für Transsexuelle sowie des Pascha Hotel ist Armin Lobscheid. Auch über den gelernten Kaufmann wird öfter mal berichtet. Der 55-Jährige lebt mit seiner Frau Stephanie und seinen beiden Töchtern in einem Dorf bei Gummersbach und soll in seiner Freizeit Steinböcke in Sibirien jagen, schreibt die Welt. Lobscheid erzählte dem Kölner Stadt-Anzeiger, er habe nach einem dreijährigen Erziehungsurlaub als Manager im Pascha angefangen. Seit 2001 führt er die Geschäfte. Von ihm stammen auch Werbe-Ideen wie diese: Jeder Mann, der sich das Pascha-Logo auf den Arm tätowieren lässt, hat lebenslang freien Eintritt. Es heißt, 40 Männer haben sich den Schriftzug tatsächlich stechen lassen.
Geschäftsführer von dem Pascha Club 11. Etage ist ein gewisser Thomas Gaj. Über den wird nicht so viel berichtet. Was auch immer das heißen mag. Die gesamte Pascha-Unternehmensstruktur wirkt ohnehin ziemlich nebulös. Über Jahresumsatz und Gewinn ist auch bei gründlicher Recherche nichts rauszukriegen.
Ein paar Skandale allerdings sind öffentlich geworden: 2005 nahm die Polizei bei der Aktion „Frühlingszauber gegen Menschenhandel“ im Pascha 23 Prostituierte fest, darunter vier Minderjährige. Das Pascha kam ohne Strafe davon. Zur Fußball-WM protestierten laut FAZ „30 Islamisten“ in der Hornstraße. Grund: Auf dem riesigen Werbeplakat des Pascha mit dem Slogan „Die Welt zu Gast bei Freundinnen“ prangten auch die Fahnen von Iran und Saudi-Arabien. Das Pascha übermalte die Fahnen.
2010 flog in Köln ein 37-jähriger Grieche auf, der sich fälschlicherweise als Arzt ausgegeben hatte. Er soll unter anderem ein Behandlungszimmer im Pascha betrieben haben, in dem er regelmäßig Prostituierte medizinisch betreute. Für eine monatliche Pauschale von 2 500 Euro. Das Pascha will nicht geahnt haben, dass der Mann ein Hochstapler ist. Das Verfahren läuft noch.
Richtig eng wurde es 2011 in München: Da standen insgesamt drei Pascha-Betreiber vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen „dirigistische und überwachende Zuhälterei“ vor. Unter anderem sollen sie die Frauen im Münchner Pascha zu Oralverkehr ohne Kondom gezwungen haben. Doch das konnte nicht bewiesen werden. Das Gericht sprach die Männer frei.
Übrigens: Alle drei Paschas, denen ich bei meinem Besuch begegnet bin, haben bis zum Schluss nicht gerafft, dass ich keine „Professionelle“ bin, sondern eine Reporterin auf Rollenreportage. Nur einer konnte ich nichts vormachen: Der Prostituierten um die 40 auf der ersten Etage. Als wir an ihr vorbeigehen, guckt sie mir nur ganz kurz in die Augen und sagt dann laut: „Schräg!“ Am Tonfall ist klar, was sie meint: Mit der stimmt was nicht.
Stimmt. Ich kann mir nämlich nach dem Besuch im Pascha weniger denn je vorstellen, in diesem „Beruf wie jeder andere“ tätig zu werden. Allerdings muss ich das auch nicht. Ich habe eine Stelle. Und kann meine Miete zahlen. Ganz im Gegensatz zu „Nicole“ und all den anderen, denen es in 95 Prozent der Fälle noch tausendmal dreckiger geht als meinem Alter Ego.