Ali E. Toprak: Die Türkei in Deutschland
Seit dem vereitelten Militär-Putsch und dem zivilen Gegenputsch Erdoğans ist nun auch Deutschland ein Schauplatz türkischer Konflikte. Viele Deutsche verstehen nicht, dass so viele Türkeistämmige Erdoğan unterstützen. Manch einer macht die „Parallelgesellschaft“ dafür verantwortlich. Doch die Parallelgesellschaft war, wenn überhaupt, gestern. Heute müssen wir leider von einer Gegengesellschaft sprechen. Einer Gemeinschaft von Menschen, die dem Aufnahmeland ablehnend gegenüberstehen, die aktiv und aggressiv gegen unsere Werte und unsere freie Gesellschaft agieren.
Wenn man sich Erdoğans Umgang mit unserer Bundeskanzlerin in den vergangenen Monaten genauer anschaut, drängt sich der Gedanke auf, dass die deutsch-türkischen Beziehungsprobleme nicht nur politischer Natur sind. Dieser Konflikt läuft auch auf der Gender-Ebene ab. Obermacho Erdoğan, dessen Ehefrau und Tochter islamisch verschleiert sind, wird sich doch von einer Frau nicht weichklopfen lassen! Merkel blitzt bei ihm in fast allen politischen Fragen nur noch ab. Sie ist es in seinen Augen kaum wert, mit ihm an einem Tisch zu sitzen.
Wie geht dieser Mensch eigentlich mit unserer Kanzlerin – und damit mit uns um? Und warum lässt sich Merkel das gefallen?
Würde ein Mann an der Spitze Deutschlands sich Erdoğans Allüren bieten lassen? Und hätte sich Erdoğan gegenüber einem Kanzler ebenso verhalten?
Erdoğans Ton gegenüber Deutschland, dessen mächtigstes Amt eine Frau innehat, ist der eines türkischen Macho, der bauchkraulend seine Ehefrau auffordert, den Tee zu servieren. Und sie serviert.
Was macht Deutschland falsch? Es lässt Erdoğan über die von ihm gesteuerte Ditib, die über 900 Moscheen hierzulande betreibt, sowie andere ihm nahestehende Organisationen und Netzwerke auch mitten in Deutschland seine Macht ausüben. Das islamisch-totalitäre Gesellschaftsmodell des türkischen Präsidenten wird gezielt gegen die säkulare, freiheitliche Demokratie Deutschlands in die (noch) friedliche Schlacht geschickt.
Den jüngsten Beweis für das Totalversagen deutscher Integrationsbemühungen lieferte die Pro-Erdoğan-Demonstration in Köln. Das Bühnenprogramm startete mit dem Satz „Ich grüße Euch, die ihr seit 50 Jahren nicht assimiliert wurdet!“ Da wirkt es für deutsche Ohren wie Hohn, wenn der Moderator die Menge auffordert, „Wir sind Deutschland!“ zu skandieren. Das ist kein Angebot zum Miteinander, das ist die Kampfansage einer Gegengesellschaft: Nicht ihr Deutschen seid länger dieses Land – WIR sind es!
Sodann grölen tausende von Menschen: „Wir wollen die Todesstrafe!“. Dieses selbsternannte Gegen-Deutschland erklärt der europäischen Zivilisation den Krieg. Das war keine Kundgebung in Deutschland angekommener BürgerInnen – es war eine Machtdemonstration Erdoğans. Er will uns beweisen, dass er auch in Deutschland jederzeit zehntausende seiner Anhänger auf die Straße bringen kann. Er will uns mit der von ihm gezüchteten Gegengesellschaft einschüchtern, will uns Angst machen.
Erdoğan hat Gefallen daran gefunden, dass wir uns von ihm abhängig machen. Nicht erst durch den Flüchtlingsdeal, sondern schon viel früher: durch unsere falsche Toleranz gegenüber dem von ihm vertretenen fundamentalistischen Islam und seinem archaischen, antizivilisatorischen Weltverständnis.
Erdoğan konnte in Deutschland ungehindert die Strukturen seiner Gegengesellschaft aufbauen und wurde dabei sogar noch von der Politik in jeder Hinsicht gefördert. Seit Jahren weisen kritische Muslime darauf hin, dass der größte Islamverband, die Ditib, der der staatlichen türkischen Religionsbehörde unterstellt ist, nicht die Aufgabe erfüllt, Muslime zu integrieren, sondern dass er im Gegenteil die Interessen des türkischen Staates auf deutschem Boden vertritt.
Jeden Freitag werden deutschlandweit Predigten aus Ankara verlesen. So werden die Muslime in Deutschland Woche für Woche aus Ankara indoktriniert – und ihnen wird eingeimpft, wohin sie mental gehören: Nicht hierhin, sondern in die Türkei.
Neben Ditib ist Milli-Görüs ein Erdoğan vorbehaltlos ergebenes Instrument zur Implementierung des radikalen Islam in Deutschland. Flankierend agieren Lobbyorganisationen wie die UETD, die Erdoğans politische Arbeit in Deutschland koordinieren.
In den Sozialen Medien agieren viele Tausende professionelle und dilettierende Trolle, die regelrechte Propaganda-Kriege gegen jeden Kritiker und jede Kritikerin des islamischen Fundamentalismus führen. Sie hetzen gegen Menschen wie mich, nur weil wir wagen, Erdoğans Politik öffentlich zu kritisieren; dieser Mega-Star des politischen Islam und Möchtegern-Sultan.
Wir aus der muslimischen Welt stammenden Islamismus-Kritiker wurden und werden allein gelassen. Man wirft uns vor, „überintegriert“ zu sein. Alles wurde kulturalistisch relativiert, und der Islamismus, dieser importierte Rassismus, wird verharmlost. Statt sich der kritischen Auseinandersetzung zu stellen, machen sich Muslime mit deutscher Unterstützung zu Opfern.
Wir Kritiker des Islamismus verstehen die Welt nicht mehr. Die angeblich aufgeklärten Deutschen und die Intellektuellen verbündeten sich nicht etwa mit uns, sondern mit den erzreaktionären muslimischen Kreisen.
Dabei sind diese Menschen hier nie angekommen. Sie können selbst in der dritten Generation mit Werten wie Freiheit, Gleichberechtigung und Aufklärung nichts anfangen. Deutschland konnte diesen Menschen offensichtlich keine Identität bieten. Warum? Weil in unserem Land bis heute eine irrationale Multikulti-Romantik vorherrscht. Weil wir selbst unsere freiheitlichen Werte nicht selbstbewusst und offensiv vertreten und verteidigen.
Wir haben die Konfrontation mit dem politischen Islam gescheut und stattdessen Appeasement-Politik betrieben. Der größte strategische Fehler der deutschen Politik ist die absurde Vorstellung, jene erzreaktionären Islamverbände würden sich mit unserem Staat und Gesellschaft schon identifizieren, wenn man sie nur salonfähig mache, sie finanziell und politisch unterstütze. Doch nach zehn Jahren Deutsche Islamkonferenz müssen wir feststellen, dass die Islamverbände noch nie so weit weg von unserem Staat und unserer Gesellschaft waren wie heute. Erdoğan und Saudi-Arabien haben mehr Einfluss über die Islamverbände in Deutschland als der deutsche Staat.
Der anatolische Macho nimmt sich heute die Freiheit, mit jedem Wort noch eine Schippe draufzulegen. Und wir lassen uns das gefallen. Wir befördern auch noch das Selbstbewusstsein einer Gegengesellschaft, deren einziges Ziel es ist, das verhasste liberale Denken für alle Ewigkeit in die Mauern des Harems zu sperren.
Wenn die Integration der Muslime noch gelingen soll, müssen wir ein selbstbewusstes Land sein, das Werte wie Freiheit und Selbstbestimmung hochhält und alles Reaktionäre und Machohafte ablehnt und sanktioniert.
Ali E. Toprak