Alice Schwarzer im Gespräch mit Nina Hagen
...denn Nina hält sich erstens nicht an Spielregeln, ist keine "Vernünftige" - und wird es hoffentlich auch nie werden - und zweitens viel zu unbequem, um nur gefällig zu sein. "Zeit"-Schreiber Sack zum Beispiel ging sie offensichtlich so an die Nieren, daß er allen Ernstes behauptete, die "kreischende, sopranierende, schwitzende, prustende und linkisch hopsende Person" habe "außer dröhnender Musik keine Botschaft". Vielleicht nicht seine Botschaft... Eine Stunde vor Auftritt habe ich sie zum ersten Mal getroffen und gleich gemocht: keine Show, nichts Künstliches, ganz sie selbst, offen und spontan, warmherzig und witzig. Und so ist sie auch auf der Bühne. Hinzu kommt da nur eines: ihr schlicht unerhörtes Talent! Eine unbekümmert, ja dreist eingesetzte Stimme, dazu ein energischer Körper und ein kluges Gesicht. Das ist Nina, und die macht in Sekunden klar, wie erbärmlich diese aufgezäumten Hitparader und andere sind. Nina ist auf ihre Art schon jetzt Stars wie Patti Smith oder Liza Minelli (an denen sie nicht zufällig gemessen wird) durchaus ebenbürtig. Und - sie ist noch lange nicht am Ende ihres Weges. Sie steht am Beginn ihrer zweiten Karriere, denn schon in der DDR, die sie kurz nach Biermann verließ, war sie ein Star, und sie hat auch jetzt beste Chancen, den Rummel relativ heil zu überstehen. Denn mit Nina macht es Spaß, Frau zu sein. Ungezähmt ist sie und ermutigend stark, verletzbar und hinreißend komisch. Eine glatte Herausforderung für die Welt der Männer, der Normalen und der Erwachsenen. Was für ein Prachtweib diese Nina ist läßt der nachfolgende, redigierte Extrakt aus unserem gemeinsamen Nachmittag nur ahnen. Denn Nina, die darf man eigentlich gar nicht lesen, die muß man hören und sehen. Vielleicht gibt es Menschen, die nichts mit ihr anfangen können. Aber auch die sollten wissen, daß es ein wirklich gutes Zeichen ist, daß es heute Frauen wie Nina geben kann. Frauen, die "unbeschreiblich weiblich" sind (Nina-Zitat) und dennoch keine Weibchen.
Wenn man so über dich liest in der Presse, dann gibt's vielleicht ein, zwei Artikel, die sensibel sind, aber beim Rest hat man entweder das Gefühl, du spinnst, oder du bist ein journalistenkillendes Monster. Oder aber, da sind sich zwei Wesen von verschiedenen Sternen begegnet.
Die stellen mich als merkwürdiges Wesen hin, dabei sind sie die merkwürdigen Wesen, weil sie kranke und tote Fragen stellen. Da bin ich einfach nicht gewillt, in ihrer Sprache zu antworten. Dagegen wehr' ich mich, und deswegen kommen da auch manchmal so merkwürdige Interviews zusammen. Zum Beispiel: Wie finden Sie denn die deutsche Showszene? Dann erzähl' ich was aus meinem Leben. Oder: Ihre Texte sind ja nun sehr provozierend; meinen Sie, daß Sie sich noch lange über Wasser halten? Was soll ick denn da sagen... Da bin ick sauer! Und dann sagen die, die Nina Hagen ist eine schwierige Person. Nee - die sollen doch erst mal ihre Denkweise ändern, dann werden sie feststellen, daß sie die schwierigen Personen sind.
Hast du denn auch schon die Erfahrung gemacht, daß deine Antworten verdreht, manipuliert worden sind?
Na klar. Von dem "Spiegel"-Menschen zum Beispiel. Der hat mich gefragt: Punk, was ist das eigentlich? Da hab ick gesagt, dat kann ich Ihnen ganz kurz erklären: Wenn ich ein Punk wäre - ich bin aber kein Punk, weil ich Nina bin und individuell, und Punk ist Punk - also wenn ich ein Punk wäre, dann hätte ich Sie schon längst rausgeschmissen. Da macht der dann im "Spiegel" draus: Nina Hagen würde Punks rausschmeißen... So geht das. Und wenn du dem dann 'nen Brief schreibst, das richtig stellst, dann druckt der das noch nicht mal ab. Da muß man aufpassen.
Da wird noch manches auf dich zukommen... Aber ich hab das Gefühl, daß du es ziemlich heil überstehen wirst. Stark genug bist du ja. Und trotzdem bist du nicht erdrückend. Das hab ich gestern sehr gemocht in deinem Konzert, wie du eben nicht den Star machst; was Besonderes leistest, dich aber deswegen noch lange nicht für was Besonderes hältst.
Weil ich immer wieder versuche, mich da oben genauso locker zu fühlen, wie die da unten, und merkwürdige Bewegungen mache und komisch tanze. Denn ick will ja kein Star sein, nichts Besonderes. Ick bin nun mal so 'ne ganz lustige Blume und kann nun mal singen. Aber ansonsten will ich, daß wir das gleiche Gefühl haben, das gleiche dufte Gefühl vom Leben. Deswegen laß ich mich zum Schluß auch runterfallen ins Publikum, oder ich gehe runter. Wenn sie dicht stehen, dann kann ich mich ja fallen lassen. Dann wird ja wohl nichts passieren.
Reagieren eigentlich Männer und Frauen gleich auf deine Auftritte? Ich könnte mir vorstellen, daß es da ziemliche Unterschiede gibt...
Also bei den Männern ist natürlich erst mal shocking, weil ich so viele Faxen mache und Sachen verscheißere, die die sonst todernst nehmen. Also ihre Anmache zum Beispiel.
... die müßten dann doch schwer Aggressionen kriegen...
Eigentlich ja. Aber ich mach es ja wie im Hollywoodfilm. Ich mach sie nach, aber sehr gut. Ich mach so das Mannweib, daß denen die Spucke wegbleibt. Und dann öffne ich mich ja auch gleichzeitig wieder, knall ihnen mein Herz auf'n Tisch und mach Grimassen... Also ich weiß auch nicht, wie ich das hinkriege. Ich müßt's mal selbst sehen, um's zu begreifen.
Was macht dir selbst auf der Bühne eigentlich am meisten Spaß?
Die Imitationen. Die anderen Lieder sind mehr dazu da, um mal abzurollen, ein bißchen was rauszuschreien. Aber wenn ich jemand nachmache, Timi Yuro zum Beispiel, dann machl's mir Spaß, die staunenden Gesichter da unten zu sehen, daß ich das kann. Da bin ich für die der Clown. Die können sich auch ruhig über mich lustig machen. So lustig machen, wie sie sich auch über sich selbst lustig machen sollen, wie ich mich auch über mich lustig mache.
Wenn du in deinen Liedern von Sexualität sprichst, dann klingt das sehr offensiv. Lebst du das auch so?
Ich hab mal ne Freundin gehabt, mit der bin ich mir darüber klargeworden, welche körperlichen Empfindungen man als Frau eigentlich haben kann, und daß man da beim Mann unheimlich zurückstecken muß und sich nicht traut, was zu sagen. Das ist auch bei mir jahrelang so gelaufen. Bis ich mir dann eines Tages gesagt hab: Entweder es ändert sich jetzt was, oder ich brauch keinen Mann mehr! Dann hat sich eben was geändert Und wenn mir meine Freundinnen jetzt was vorjammern, ich trau mich nicht und so, ja dann sag ich ihnen: Dann muß frau sich eben auch mal selber anfassen, das geht unheimlich gut, wenn man sich schön bequem hinlegt. Der Mann kann das ja auch sehr gut. Unsereins muß und kann und soll dann endlich auch mal.
Mit "ich hab mal ne Freundin gehabt" meinst du offensichtlich, daß du auch eine sexuelle Beziehung zu ihr gehabt hast. War das das einzige Mal, daß du eine Frauenbeziehung hattest? Und gibt's für dich da Unterschiede zu deinen Männerbeziehungen?
Es ist für mich sehr selten gewesen. Es ist erst zweimal passiert. Nee, dreimal. Aber es war alles nicht so... Die Liebesbeziehung war nicht so stark. Wir haben zusammen geschmust, aber es ist keine ernste Liebesbeziehung daraus geworden.
Und warum nicht?
Weil die Außenwelt einen nicht akzeplieren würde. Deswegen vielleicht. Früher, mit meiner ersten Freundin, da haben wir noch gedacht, lesbisch, das wollen wir ja nicht sein, das ist ja doof. Mit der anderen war es dann so, daß ich auch 'nen Freund hatte und die Beziehung zu ihm eben stärker war als zu ihr. Bei der dritten — da ist nie was zustande gekommen. Die zieht die Möglichkeit, mit mir zu schmusen, einfach gar nicht erst in Betracht
Ich mag es sehr an deinen Liedern, daß sie nie platt agitatorisch sind, sondern voller Phantasie, Witz und auch Lebensfreude. Gerade das scheint mir das Politische an deiner Arbeit Denn das Übel ist ja, daß man den Menschen die Lebensfreude austreibt und es ihnen unmöglich macht, sie selbst zu sein. Deine wenigen Lieder aber, die explizit agitatorisch sind, die haben, das kann man wohl sagen, immer feministische Inhalte.
Nina: Na klar. Da sind ja auch meine speziellen Probleme, meine Erfahrungen.
Hast du auch direkte Kontakte zur Frauenbewegung? Und was hältst du überhaupt davon?
Ich sehne mich unheimlich danach, mehr Freundinnen zu haben. Wenn wir spielen und da sind Frauen, dann ist es toll, wie wir uns nach dem Konzert umarmen. Neulich, als wir im Quartier Latin gespielt haben, da flatterten da immer zwei Lesben rum, so richtig schön dick und rund. Die fühlten sich einfach frei, das war ein Volksfest für die. Und ein andermal, auch im Quartier, saß meine Freundin Ariane unten. Bei der zweiten Zugabe hatte sie keine Lust mehr, unten zu hocken und ist hochgekommen, hat getanzt und gesungen, ist auch mal hingeflogen, hat sich das Mikrofon gegriffen und ist über die Bühne gesegelt. Da hab ich gedacht, wenn eine oben ist, können auch mehr hoch kommen. Es kamen auch ganz viele Mädchen, die hab ich alle hochgezogen. Zum Schluß war die ganze Bühne voll. Das fand ich schon sehr gut. Aber zur Frauenbewegung direkt hab ich wenig Kontakt. Ich hab eher Kontakt zu denen, die in unsere Konzerte kommen. Mit denen verbrüdern und verschwestern wir uns.
Was mich am meisten bei deinem Auftritt frappiert hat, ist deine Stärke. Gibt es auch Dinge, vor denen du Angst hast?
(lange Pause) Nö...
Und woher hat du die Kraft, so sehr du selbst zu sein?
Tja. Es gibt vielleicht ein paar Dinge... Also irgendwann gab's mal Biermann in meinem Leben, und der war für mich unheimlich dufte. Mit 12,13 hab ich all seine Lieder gesungen, auf der Gitarre, und war ein richtiger Biermann-Fan. Er war ja verboten in der DDR. Und dadurch, daß meine Mutter mit ihm gelebt hat, und ich sozusagen seine Stieftochter war, hab ich automatisch zu den Außenseitern gehört. Auch in der Schule haben sie mich deswegen geschnitten, ich sollte erst mal beweisen, daß ich trotzdem eine gute Genossin war...
Das war vielleicht damals schwierig für dich, aber vielleicht ist es ganz gut für Frauen, als Außenseiter ranzuwachsen. Nichts engt Frauen schließlich so ein, wie die sogenannte Normalität. Wenn man in dem Käfig nicht drinsteckt, dann kann man sich besser entfalten.
Glaub ich auch. Deswegen sind die Schwarzen ja auch oft so dufte Menschen. Von Biermann und meiner Mutter hab ich mich allerdings eines Tages befreit. Ich hab ihn ganz lange nicht mehr besucht, hab meine eigenen Texte geschrieben. Die waren zwar beschissen, aber es waren meine eigenen. Ich mußte mich da einfach gegen wehren. Die beiden sind nämlich sehr starke Individuen — was sie nicht daran gehindert hat, zeitweise an mir rumzuerziehen, mit Aufräumen und so. Der Biermann, der hat mich damals immer nur als Kind behandelt. Mit Sprüchen wie "Frau Gräfin steht mal wieder auf dem Sessel mit den Schuhen" und so.
Gab es noch andere Einflüsse, die wichtig für dich waren?
Klar. Das Brecht-Theater zum Beispiel. Da hab ich schon mit zehn Jahren immer rumgehangen. Das hat mich unheimlich angetörnt. Die Lieder und die ganzen Verkleidungen. Mit 12 hab ich dann den Rock entdeckt und bin erst mal ausgeflippt... Mit 17 sollte ich dann ne Lehre anfangen. Da bin ich aber abgehauen nach Warschau, weil ich mir erst mal überlegen wollte, was ich denn nun werden will und so. Ich wollte Leute kennenlernen, mal in einer Band singen. Auf die Idee zu kommen, war in dem Milieu, in dem ich gelebt habe, ja nicht so ausgefallen. Meine Mutter singt ja auch. Die erste Zeit hab ich immer mit ihr zusammen zu Hause gesungen. Da hatte ich meine richtige Stimme noch überhaupt nicht entdeckt, da hab ich immer nur leise gesungen, so mit normaler Singstimme. Ich hab mich eben noch nicht getraut. Na und in Warschau habe ich angefangen. Mit Janis und Blues. Zurück in der DDR bin ich dann in das Studio für Unterhaltungskunst gegangen, ein Jahr lang.
Und wie haben Biermann und deine Mutter darauf reagiert?
Na, die haben erst mal die Nase gerümpft, haben gesagt: Jetzt wird sie Schlagersängerin... Aber ich bin dann doch nicht Schlagersängerin geworden, sondern nur so halb, weil manche Sachen sich eben in der DDR nicht ganz vermeiden lassen. Besonders am Anfang, wo ick noch nicht so auf mir drauf war wie heute.
Wenn du sagst, "auf mir drauf sein", dann meinst du ja, du selbst sein zu können. Ich habe das Gefühl, daß da auch die Londoner Zeit eine große Rolle gespielt hat.
Ja, unheimlich. Da bin ich hin, kurz nachdem ich hier rüber gekommen bin. Vor London hatte ich zwar auch schon irgendwie nen Stil mich anzumalen und anzuziehen, der war schon immer irgendwie verrückt, aber doch nicht ganz so. Und als ich dann die "Slits" kennenlernte, besonders die Ariane, die 15jährige, da ist mir klar geworden, daß man jung im Kopf bleiben kann - wenn man sich nur Mühe gibt.
Sag mal genauer, was du damit meinst.
Na ja, man muß versuchen, sich mit den jungen Leuten abzugeben. Also mit den 15- bis 16jährigen, denn die machen noch viele Spielchen, die man als Erwachsener nicht mehr macht. Am Anfang, als ich die Ariane kennengelernt habe, da hab ich mich unheimlich erwachsen gefühlt. Ich konnte ihre Späße ja manchmal nicht nachvollziehen. Es hat mich zum Beispiel mächtig Überwindung gekostet, sie auf ihr Drängen im Rollstuhl ins China-Restaurant zu fahren - nur, weil sie keine Lust hatte zu laufen. Ich hab dann gesagt: ok, ich mach's, aber nur, wenn du nicht aufstehst... So Scherze haben wir dauernd gemacht. Mit Ariane kann ich auch am besten über meine Arbeit reden. Die mag ich ganz wahnsinnig gern. Die ist auch unheimlich helle im Kopf. Das ist eine richtige Hexe!
Demnächst gehst du wieder auf Tournee. Neue Lieder und Platten machst du auch. Hast du noch andere Pläne?
Ja, ich hab einen Film geschrieben. Über eine Frau natürlich. Den Namen kann ich schon mal verraten: Eulalia Treppengeländer. Die rutscht nämlich so gern Treppengeländer und hat leider auf einer Schiffsweltreise ihr Gedächtnis verloren. Sie kommt nach Deutschland zurück, denn die deutsche Sprache spricht sie noch. Sonst ist alles weg. Sie weiß nicht mehr, wer sie ist und so. Dann stößt sie auf ein paar Leute, und da teilt ihr jemand mit, da gab's ne "Liga für gestrandete Existenzen". In dieser Liga wird auch der Wolf Biermann vorgeführt, der spielt nur noch Bongo oder singt Lieder ohne Gitarre. Und Lindenberg singt mit sächsischem Akzent. Lieder, die die Gefühle der Leute verbessern und die Vergangenheit in den Griff kriegen wollen. Dann gibt's aber da noch ne andere Liga, die die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen will. Und alles hängt mit der Eulalia zusammen wegen ihrem Gedächtnisschwund und mit den Eigenheiten des Liga-Präsidenten, der ist nämlich Fischmann und daran scheitert auch die Beziehung zu Eulalia, aber mehr will ich noch nicht verraten. Ich such noch jemand, mit dem ich das Drehbuch ausfeilen kann und der die Regie führt. Ich spiel natürlich die Eulalia. Es soll ja ein Musikfilm werden, richtig schön ausgeflippt.
Du bist ja oft gefragt worden, was für dich denn nun der Unterschied sei zwischen der DDR und der BRD, ob du einen Kulturschock gekriegt hättest oder so. Ich verstehe gut, daß du auf solche Allgemeinplätze hilflos reagierst. Magst du mir trotzdem sagen, ob es für dich jetzt, nach fast zwei Jahren im Westen, Unterschiede gibt im täglichen Leben?
Schon. Von der DDR aus da sah so manches so progressiv aus. Der Beatclub zum Beispiel. Na und von hier aus begreifst du, daß das ne ganz miese Bedürfnisindustrie ist. Und dann gab es in der DDR einen unheimlichen Zusammenhalt zwischen den Leuten, die manche Sachen nicht so dufte fanden und irgendwie was ändern wollten. Drüben hat es so eine richtig große Szene. Die fahren im Sommer vielleicht alle nach Ungarn oder ins Sandsteingebirge oder woanders hin. Wenn man da mal jemand besucht, ist immer offene Tür und es wird Tee gemacht und ist ganz toll. Im Westen, da verläuft sich das alles so. Das ist größer und bunter, da kann man leicht den Anschluß verlieren. Man kann leichter traurig werden, weil man mehr allein ist. Man kann sich hier leichter langweilen, wahnsinnig langweilen. In den Diskotheken, da ist zwar alles ganz bunt, aber die Menschen haben sich nicht viel zu sagen. Du guckst dir den Verrückten an, und dann den, und dann den Hintern und den Busen und dann hat es sich. Dann langweilst du dich wieder. Und dann kommt wieder ein anderes Lied, verstehst du, und das alles ist eine große Einsamkeitsschaffe. Jeder produziert sich, so gut er kann. Es ist auch schwer, mit den Leuten in Kontakt zu kommen, weil es so laut ist. Darum fände ich es gut, wenn sich wieder mehr Bands trauen würden, live zu spielen. Das hat dann einen ganz anderen Charakter. Da kann man brüllen, Sachen sagen, Fressen schneiden, unübliche Sachen machen, sich befreien, sich nicht so alleine fühlen.
Wie lebst du eigentlich, Nina? Wie vergeht so ein ganz normaler Tag?
Ich wohne mit dem Manne, unser Gitarrist und mein Freund, in einer Altbauwohnung in Steglitz. Oft haben wir Besuch, von Lothar zum Beispiel oder dem schwulen Thomas, der arbeitet mal als Vertreter für Rasenmäher bei Karstadt und mal als Kellner. Wenn ich morgens aufstehe und in die Küche gehe, dann kommt meistens aus einer der Türen einer von denen, denn wenn die abends lange bleiben, dann frühstücken wir auch gleich zusammen. Später kommt der Pot und mit dem fahren wir zu unserem Kreuzberger Proberaum. Unterwegs rauchen wir ein Pfeifchen und kommen da ganz munter an. Das zieht sich dann so ein paar Stunden hin, wir gehen was essen, kriegen Besuch von anderen Bands, arbeiten weiter, und abends guckt auch schon mal jemand von den Flying Lesbians hoch. Dann wird noch mal gejamt oder so. Ganz netter Tag. Abends geht's wieder nach Hause, und ich guck in den Kühlschrank, was es da gibt, und mach noch was. Dann mach ich in der letzten Zeit leider öfter den Fernseher an, und dann geh ich ins Bett, schlaf ein und freu mich auf den nächsten Tag. Oder ich geh auch mal abends weg, wenn Bands spielen, oder in ne komische Kneipe.
Du bist ja schon ziemlich bekannt, in Berlin noch stärker als hier. Und unauffällig siehste auch nicht gerade aus. Wie reagieren denn da die anderen auf dich?
Ach, wie reagieren sie... Die kennen mich ja schon alle so. Wenn ich auftauche, dann gucken sie immer, als war ich ein großes exotisches Wunder, keiner quatscht mit mir. Ich steh dann alleine rum. Höchstens die Schwulen, die quatschen mit mir. Die gehören ja selber auch nicht richtig dazu. Oder nette Frauen, mit denen quatsche ich natürlich auch, so ist es nicht. Aber die meisten staunen eben und denken, ich wär ein bißchen abgehoben oder überkandidelt. Dabei ist das nur Lebensfreude, reine Lebensfreude.
Wie verkraften dich denn die Jungs, mit denen du arbeitest? Vor allem dein Freund?
Meistens arbeiten wir gut zusammen und haben uns gern, manchmal aber sind die Jungs einfach komisch... Die ziehen eben nicht immer so mit. So wie bei der Sache mit den "Slits", der Londoner Frauenband. Als die drei Tage nach Berlin kamen, da hab ich vorher ein Plakat für sie gemacht, ne Collage für Frauenbuchläden und so. Das fanden die Jungs gar nicht gut. Das haben sie versucht mir auszureden und dann gab's nen ziemlichen Stunk. Dann steh ich alleine und die sind zusammen. Und wenn ich sage: Ich werde unterdrückt, ihr seid gegen mich! Dann antworten die: Die spinnt mal wieder! Dann flipp ich aus...