Alleh hopp, Heike II und Ute I!

Das Prinzessinnenpaar Heike II und Ute I mit Kinderprinzessin Marit I und der Reblaus Minigarde.
Artikel teilen

Wie konnte das passieren? Die Kleinblittersdorfer Karnevalsgesellschaft „Die Rebläuse“ hatte sich nichts dabei gedacht, als sie in dieser Session nicht Prinz & Prinzessin inthronisierten, sondern Prinzessin & Prinzessin: das Ehepaar Heike und Ute. Sie meldeten Heike II. und Ute I. ganz selbstverständlich zum traditionellen „Prinzenfrühstück“ an. Für Uneingeweihte: Vor der heißen Phase des Karnevals (der im Saarland „Faasend“ heißt) kommen alle saarländischen PrinzessInnenpaare zum Frühstück zusammen und küren das „Prinzenpaar des Jahres“.

Anzeige

Doch der „Verband Saarländischer Karnevalsvereine“ lehnte die Prinzessinnen ab. Im Wettbewerb würden nur „das klassische Prinzenpaar gewertet“, sprich: Mann und Frau. Begründung: „Tradition und Brauchtumspflege“.

Ein Wettbewerb nur für "klassische Prinzenpaare"? Nicht mit den Rebläusen!

Das fanden die Rebläuse gar nicht lustig. „Der Verband Saarländischer Karnevalsvereine nennt es Tradition und Brauchtumspflege, wir nennen es schlichtweg Homophobie und diese Ausgrenzung ist für uns einfach nicht zu dulden. Ich schäme mich für das Präsidium des VSK, das langjährige aktive Karnevalisten so dermaßen ausgrenzt“, erklärte Reblaus-Präsident Stefan Jung. Denn: „Unterm Strich heißt die Verweigerung der Teilnahme am Wettbewerb nur eines: Heike II. und Ute I. sind weniger wert als alle anderen Prinzenpaare. Shame on you, VSK und vorneweg Präsident Hans-Werner Strauss mit seinem fast ausschließlich männlich besetzten Präsidium. Ehrenamt und Faasend in die Zukunft führen? So gewiss nicht!“

Im Mutterland von AKK - hier als Putzfrau Gretel - leistet den Macho-Karnevalisten Widerstand. - Becker&Bredel/imago images
Im Mutterland von AKK - hier als Putzfrau Gretel - leistet den Macho-Karnevalisten Widerstand. - bub/imago images

Der beherzte Kleinblittersdorfer Präsident und seine Rebläuse wehrten sich mit Erfolg. Denn siehe da: Nach einem Treffen mit den saarländischen Oberkarnevalisten gaben die Herren im Mutterland von AKK eine Kurswende bekannt und erklärten:

„Gleichgeschlechtliche Prinzenpaare dürfen am Wettbewerb zum ‚Prinzenpaar des Jahres 2020‘ des Verband Saarländischer Karnevalsvereine e. V. (VSK) teilnehmen.“ Na, geht doch. Vor allem im Land von AKK, die eine so glückliche Ministerpräsidentin im Saarland war und jetzt nur Ärger hat. Übrigens: Im Fastelovend ist die Annegret traditionell Putzfrau – die Fähigkeit kann sie in Berlin jetzt bestens gebrauchen.

Erste GratulantInnen: Prinzessinnenpaar Marcella I. und Senna I. aus Nürnberg

Zu den ersten GratulantInnen zählten Marcella I. und Senna I., ihres Zeichens das erste Prinzessinnenpaar von Nürnberg. Dort allerdings war die Inthronisation des Frauenduos ohne Zögern aufs Herzlichste begrüßt worden: „Nürnberg ist bunt, die Welt ist bunt, die Zeit ist reif dafür!“ Na, wer ein nicht-weißes Christkind hat (wie Benigna im letzten Jahr), der freut sich auch über ein Karnevals-Prinzessinnenpaar.

PS: Kleinblittersdorf scheint eine gewisse widerständige Tradition zu haben. Im Herbst 2016 verhinderten die KleinblittersdorferInnen mit einer Bürgerinitiative ein Großbordell.

 

 

Artikel teilen

Fastnacht, jetzt auch in Berlin!

Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) als Putzfrau Gretel verkleidet, Foto: Becher & Bredel/Imago
Artikel teilen

In der Fastnacht, was der saarländische Karneval ist, ist sie die Putzfrau Gretel vom Saarbrücker Landtag. Dann betritt „es Annegret“ aus Püttlingen im blauweißen Kittel die Bühne und fegt mit ihrem XXL-Besen alles weg. Genau das hat sie gerade in Hamburg auch getan.

Anzeige

Seit vielen Jahren ist Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) die heimliche Favoritin der Kanzlerin. Diese Gunst Merkels ist in Zeiten, in denen diese in die Kritik geraten ist, Vorteil und Nachteil zugleich. Es stellt sich also die Frage: Was verbindet die beiden – und was unterscheidet sie? Beiden gemeinsam ist offensichtlich der Stil: Bescheidenheit und Sachorientiertheit. AKK jedoch scheint angriffslustiger zu sein als die allzeit bedachte Merkel.

Frauenpolitisch gesehen ist AKK feministischer als Merkel, aber auch konservativer. Eine Reform des § 218 wäre mit der gläubigen Katholikin wohl nicht verhandelbar. Und auch zu ihrer Unterscheidung zwischen „eingetragener Partnerschaft“, die sie bejaht, und Homoehe, die sie kritisiert, steht sie weiterhin aufrecht. Allerdings scheint ihr Katholizismus gelassen. Sie bezeichnet sich als „säkularisierte Christin“. Ihr Glaube ist für sie „Privatsache“.

Sie ist konser-
vativer als Merkel, aber feministischer

Die verhinderte Messdienerin („Meine Brüder durften Messdiener sein“) hat ein durchaus kritisches Verhältnis zur Amtskirche. Sie findet, es ist überfällig, dass Frauen Priesterinnen sein können.

Und die Feministin Kramp-Karrenbauer? Die sagt fröhlich von sich: „Ich bin eine Quotenfrau und stolz darauf!“ Sie ist für die Abschaffung des Ehegattensplittings, das stärke die Hausfrauenehe. Und sie ist für eine „Ächtung“ der Prostitution, ja hat sogar den EMMA-Appell zum Kampf gegen die Prostitution unterschrieben. Als Saarländerin weiß sie schließlich nur zu gut, was Sache ist: Ins Ländle strömen en masse französische Freier, weil bei ihnen die Prostitution als „Verstoß gegen die Menschenwürde“ verboten ist.

Und der Islam? Da blickt sie durch. „Den Islam“ gäbe es nicht, anstatt zu pauschalisieren, müsse man die Muslime fragen: „Wie stehst du zu den Grundwerten unseres Landes? Wie zum Grund­gesetz? Wie willst du dich in diesem Land einbringen?“ Als Ministerpräsidentin hat sie Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches untersagt und die ärzt­liche Untersuchung jugendlicher Flüchtlinge befürwortet, um festzustellen, ob die wirklich minderjährig sind. Die u. a. von Erdoğan missbrauchte doppelte Staatsbürgerschaft stellt sie infrage. Und bei einer Bürgerdebatte erklärte AKK: „Wenn mus­limische Jungs das Essen verweigern, weil es von einer Frau gereicht wird, sagen wir: Ok Jungs, ­weitergehen. Heute gibt es kein Essen.“

Annegret mit Ehemann Helmut.
Annegret mit Ehemann Helmut.

Die Gleichheit von Frauen und Männern ist für die heute 56-Jährige selbstverständlich. Den Floh hat ihr anscheinend der Vater, Rektor einer Sonderschule, ins Ohr gesetzt. Gern von ihr kolportierte Anekdote: Wenn Annegret, eine von vier Kindern, zum Abtrocknen antreten sollte, sagte der Vater schon mal zu seiner Frau: „Lass sie lesen. Ich mach das schon.“ Denn „es Annegret“ las so gerne. Sie ist also wohl das, was man in der Psychologie eine „Vatertochter“ nennt. Was auch ihren sach­lichen Auftritt erklärt.

Noch im Studium, der Politikwissenschaften, heiratete sie den Bergmann Helmut Karrenbauer, der in der Abendschule den Ingenieur nachmachte. Die beiden haben drei inzwischen erwachsene Kinder, die vorrangig er großgezogen hat. Zunächst, indem er Teilzeit arbeitete, und dann, als ihre ­Karriere steiler wurde, ganz zu Hause blieb.

Als ihre Karriere steiler wurde, blieb er ganz zu Hause

In der Politik war AKK als Frau immer die Erste. Die Parteibasis liebt sie, weil sie sich dafür inte­ressiert, was die Basis denkt. Und als Frau hat sie nichts zu beweisen, bzw. schon alles bewiesen.

Gefragt vom Spiegel, ob die Menschen sich heutzutage nicht eher nach einem „Gegenmodell zu Merkel“ sehnten, antwortete die „Mini-Merkel“: „Mag sein, dass manche sich den starken Mann wünschen. Aber wenn man sich umschaut in der Welt und auf die Putins, Trumps und Erdoğans blickt, dann bin ich mir nicht sicher, ob der die Qualität der Politik verbessert.“

Tusch, Putzfrau Gretel!

Weiterlesen
Manfred Otzelberger: "Die Macht ist weiblich", Biografie (Riva)
Kristina Dunz/Eva Quadbeck: "Ich kann, ich will und ich werde" (Propyläen)

Weiterlesen
 
Zur Startseite