Nasrin Sotoudeh: Alternativer Nobelpreis
Mit ihrem letzten Hungerstreik hat Nasrin Sotoudeh die Menschen im Iran und vielen westlichen Ländern noch einmal wachgerüttelt. Es war ihr letzter Hilfeschrei, beinahe wäre sie daran gestorben. Wegen Herz- und Atembeschwerden und heruntergehungert auf 47 Kilo, wurde sie vor zwei Wochen ins Krankenhaus eingeliefert. Nach vier Tagen unzureichender Behandlung und ohne ein Besuchsrecht für ihre verzweifelte Familie wurde sie direkt von der Intensivstation wieder ins Evin-Gefängnis zurückgebracht, die berüchtigte Folteranstalt in Teheran, in der hauptsächlich politische Gefangene einsitzen.
Mit der Aktion „Free Nasrin“ riefen währenddessen Prominente, internationale KünstlerInnen und AutorInnen ihre Regierungen dazu auf, sich für die Freilassung von Sotoudeh einzusetzen. Auch iranische Frauenrechtlerinnen im Exil riefen um Hilfe, hunderte europäische Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Journalismus unterschrieben, darunter aus Deutschland auch die Autorin Herta Müller, die Fotografin Barbara Klemm und Alice Schwarzer. Der Aufruf läuft noch (Hier unterschreiben!).
Noch immer steht es schlecht um Nasrin. Hinzu kommt Corona. Im Iran sind derzeit 420.000 Menschen infiziert, 24.000 starben bereits an den Folgen. Das Evin-Gefängnis ist überfüllt, wie viele andere Gefängnisse im Iran, und bietet keinen Schutz gegen Corona, die Verbreitung des Virus wird also miteinkalkuliert.
Die Weltpolitik muss endlich handeln. Auch Deutschland muss Stellung beziehen!
Im Juni 2018 war Nasrin Sotoudeh zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt worden. Anklagegrund war ihr Rechtsbeistand für Frauen, die gegen den Kopftuchzwang protestiert hatten, weswegen ihr unter anderem „Ermutigung zur Prostitution“ vorgeworfen wurde. Sotoudeh ist dem iranischen Regime schon lange ein Dorn im Auge.
2006 rief sie die Aktion "Eine Million Unterschriften" ins Leben, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Islamischen Republik forderte. 2009 verteidigte sie die AktivistInnen, die sich dem Verschleierungszwang widersetzten. Unter ihnen war auch die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.
Dafür ist die Sacharow-Preisträgerin Sotoudeh 2010 verhaftet worden. Das Urteil: Elf Jahre Haft, 20 Jahre Ausreiseverbot und für immer Berufsverbot. Der Fall erregte internationales Aufsehen. Nach drei Jahren wurde die Mutter zweier Kinder dann überraschend aus dem Gefängnis entlassen. 2018 dann die erneute Verurteilung wegen des Kampfes für Frauenrechte und gegen Verschleierung. EMMA sprach kurz danach mit Nasrin Sotoudeh. Seit der Verhaftung bangt Nasrins Familie um ihr Leben.
Vor wenigen Tagen schrieb Nasrin einen Offenen Brief, den ihr Mann Reza Khandan auf Facebook öffentlich machte. Sie dankte darin für den Zuspruch während ihres Hungerstreikes. Der kam sowohl von Mitgefangenen, die ebenfalls in Streik traten, wie von UnterstützerInnen weltweit. In dem Brief machte sie noch einmal auf die aussichtslose Lage der politischen Gefangenen in Evin aufmerksam und äußerte die Hoffnung, dass „die Gerechtigkeit in unserem Land, im Iran, wiederhergestellt werden möge“.
ExiliranerInnen in Deutschland fordern: Endlich Schließung der Blauen Moschee!
Nun erhält Nasrin Sotoudeh den „RightLivelihood Award“, bekannt als „Alternativer Nobelpreis“, für „ihren Kampf für Gleichheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit“, so die Begründung der Jury. Sie ist die erste Iranerin, die den Preis erhält. Er wird in Stockholm verliehen und hat vor allem eine Funktion: eine internationale Öffentlichkeit zu schaffen.
Könnte der Preis Nasrin Sotoudehs letzte Rettung sein? Wird sich nun endlich jemand mit Macht für sie einsetzen? Bislang waren der Bundesregierung Atomdeals und Geschäfte mit den Mullahs weitaus wichtiger als Frauen- und Menschenrechte.
ExiliranerInnen in Deutschland setzen sich bereits für Nasrin Sotoudeh ein und wollen auch die deutschen Behörden wachrütteln. Am Samstag, dem 3. Oktober, demonstrieren demokratische Deutsch-ExiliranerInnen in Hamburg gegen das totalitäre Regime im Iran. Unter anderem fordern sie, die Blaue Moschee an der Alster, die zum Islamischen Zentrum Hamburg gehört, zu schließen. Das IZH steht seit fast 30 Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes und gilt als „Propagandazentrum der Islamischen Republik Iran in Europa“. Ihre weiteren Forderungen: Keine Diktatoren empfangen, die Menschenrechte mit Füßen treten! Stoppt Hinrichtungen von politischen Gefangenen! Beendet die Zwangsverschleierung von Frauen! Und: FREE NASRIN SOTOUDEH!