Karriereväter

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Vor zwei Jahren trat das neue Elternzeit-Gesetz in Kraft. Sind Sie zufrieden mit dem Resultat?
Ich bin sehr zufrieden. Ich ärgere mich bloß, wenn Journalisten immer wieder schreiben: „Nur zehn bis 15 Prozent der Väter gehen für ein Jahr in Elternzeit.“ Das sind doch schon viel mehr, als die Politiker je zu träumen gewagt hätten.

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Als Sie im Sommer 2005 mit Ihrem Projekt „Väter und Karriere“ begonnen haben …
… war es ja mitnichten so, dass das Thema in Politik und Medien präsent gewesen wäre. Ich habe da wirklich noch Pionierarbeit geleistet. Dann hat das Projekt bald durch Frau von der Leyens Familienpolitik natürlich großen medialen ­Rückenwind bekommen.

Was hat sich in den Unternehmen für Väter getan?
Dort hat sich viel weniger geändert als bei den Männern selbst. In einer aktuellen Führungskräftebefragung sagen lediglich 17 Prozent, dass sie betriebsintern über die neuen Regelungen des Elterngeldes informiert worden seien. Familienfreundlichkeit wird immer noch mit Mütter- und Frauenfreundlichkeit verwechselt. Väter werden erst gar nicht angesprochen. Die Regelungen werden so kommuniziert, als ob sie nur für Frauen wären. Außerdem können Väter dieses Thema in den meisten Betrieben nicht ansprechen, ohne in den Geruch eines Drückebergers, oder, noch schlimmer, eines ‚Weicheis‘ zu kommen. So wird Teilzeit bezeichnenderweise unter Männern eher von Singles wahrgenommen, die andere private Pläne oder Projekte haben und sich dafür mehr Freizeit wünschen. Deutsche Väter arbeiten sogar mehr im Beruf als Männer gleichen Alters, die kinderlos sind!

Welche Hürden muss ein junger Vater nehmen, wenn er Kind und Karriere will?
Das erste Hindernis ist oft der zuständige Chef bzw. Personalchef. Auch in diesen ­Posi­tionen sitzen Väter, aber die meisten haben sich für eine klassische Rollenverteilung entschieden. Die haben sich für die Karriere aufgerieben und dabei vielfach auch die Familie, im wahrsten Sinne des Wortes, geopfert. Ein Mann, der für die Familie zurückstecken will, widerspricht dem eigenen Lebensmodell dieser Chefs und stellt es in Frage. Darum muss ein junger Vater, der Elternzeit oder eine Teilzeitbeschäftigung vom Arbeitgeber einfordert, schon sehr entschlossen sein. ­Außerdem ist es für die Entscheidung ­innerhalb der ­Familie wichtig, welche ­finanziellen Folgen die neue Rollenverteilung hat. Wenn zum Beispiel die Frau – wie so oft – sehr viel weniger verdient, ist es keine Frage des Wollens, sondern eine des Könnens, ob ein Vater sich engagiert.

Wie sind Sie auf die Unternehmen zugegangen?
Ich habe zunächst Firmen angesprochen, die schon für ihr Engagement in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekannt waren, zum Beispiel, weil sie einen Preis dafür bekommen hatten. Aber das betraf natürlich in erster Linie die Mütter im Betrieb. Ich habe dann gefragt: „Wie sieht es denn bei Ihnen mit den Vätern aus?“ Dann gab es am anderen Ende drei Sekunden Stille. Und dann kamen Antworten wie: „Ja, wir haben da zwei so Exoten in Elternzeit.“ Die Bedingungen für die Väter waren also praktisch noch nie Thema gewesen. Und ich habe dann versucht, das Thema Väter bei denen auf die Tagesordnung zu setzen.

Und wie haben Sie die Unternehmensleitungen überzeugt?
Es gibt eine ganze Reihe Untersuchungen, die zeigen: Auch Väter haben ein Vereinbarkeitsproblem. 50 Prozent aller Väter wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder und können sich vorstellen, in Elternzeit zu gehen. Tendenz steigend. Und mit diesen Fakten im Rücken konnte ich dann fragen: Was wissen Sie eigentlich über Ihre Väter im Betrieb? Wie steht es denn mit der Motivation dieser Beschäftigten, wenn Sie denen Knüppel zwischen die Beine werfen? Am leichtesten haben sich jene Chefs überzeugen lassen, die persönlich vom Thema ­berührt waren. Zum Beispiel solche, deren berufstätige Töchter gerade selbst Kinder bekommen hatten, mit ihren Männern halbe-halbe machen wollten und auf hohe Hürden stießen. Oder ältere Personalchefs, die begriffen haben, was sie selbst bei ihren Kindern verpasst haben. Solche biografischen Erfahrungen wirken wie ein Katalysator, und da geht dann plötzlich was.

Wenn die Geschäftsleitung schließlich zugestimmt hat – welche Maßnahmen haben Sie dann ergriffen?
Zunächst haben wir eine Befragung der Väter im Betrieb gemacht. Wie alt sind deren Kinder? Was wünschen sie sich vom Unternehmen, um ihre Situation zu verbessern? Ist ihnen ihr Ansprechpartner im ­Unternehmen bekannt? Das ist übrigens in den meisten Fällen die Gleichstellungsbeauftragte, die qua Amt für beide Geschlechter zuständig ist, aber das ist den meisten Männern gar nicht klar. Das Ergebnis stelle ich dann den Führungskräften, dem Personalrat und dem Betriebsrat vor, plus eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen. Das können zum Beispiel Heimarbeitsplätze für Väter oder die Einführung von Gleitzeit sein.

Mit wie vielen Unternehmen haben Sie Ihre Väter-Kampagne bisher durchgeführt?
Richtig durchgeführt habe ich das Projekt bisher mit zwölf Unternehmen. Beratungs- und Informationsgespräche hatte ich mit rund 80 Betrieben. 

Wie steht es um Ulrich Becks vielfach zitier­ten Satz über moderne Väter aus den 80er Jahren: „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“?
Diese Sichtweise blendet die Rahmenbedingungen und die mächtigen Rollenmodelle weitgehend aus. Das Steuersystem, das ­Betreuungssystem und das Schulsystem sind nach wie vor auf das klassische Ernährermodell ausgerichtet. Der Familienforscher Fthenakis, der die einzige Längschnittuntersuchung in Deutschland durchgeführt hat, resümiert die Misere treffend, ich zitiere: „Das Modell der Gleichheit mutiert nach der Geburt des ersten Kindes zu einem Modell der Ungleichheit: Die Frau bleibt in der Regel zu Hause, der Mann muss arbeiten. Gleichzeitig übernimmt die Mutter den ­Löwenanteil im Haushalt, der Vater ein knappes Drittel. Diese Traditionalisierung betrifft das gesamte Zusammenleben – und widerspricht zutiefst den geäußerten Bedürfnissen von Männern und Frauen. Das drückt sich in einer massiven Verschlechterung der Partnerschaftsqualität aus. Kommunikation, Zärtlichkeit und Sexualität lassen rapide nach, Konflikte nehmen zu. Und damit verschlechtert sich die Vater-Kind-Beziehung, nicht jedoch die Mutter-Kind-Beziehung. Das dämpft auch weitere Kinder-Wünsche von Vätern. Sie ziehen sich immer mehr aus der väterlichen Verantwortung zurück.“ Diese Spannung zwischen den eigenen Wünschen und den nicht vorhandenen Möglichkeiten im Job führt auf Dauer auch zu einer gesundheitlichen Belastung und zu Konflikten mit der Partnerin, die zu Recht mehr ­Engagement in der Familie einfordert. Aber bei uns gilt derjenige als Leistungsträger, der am längsten am Schreibtisch sitzt.

Ist das auch so in anderen Ländern?
Auch da sind die Schweden beispielsweise viel fortschrittlicher. Dort herrscht eine Unternehmenskultur, in der junge Väter von ihren Vorgesetzten nach Hause geschickt werden, wenn die Arbeitszeit überschritten wird. Wer ständig Überstunden macht, steht im Verdacht, schlecht organisiert zu sein und nicht delegieren zu können. Übrigens nutzen mittlerweile 85 Prozent der schwedischen Väter die Elternzeit.

Was ist typisch deutsch?
Dazu zählt vor allem die Haltung: Du musst dich entscheiden! Also – zwischen Karriere und Kindern. Der Economist hat das als „die deutsche Frage“ betitelt. Das betrifft Frauen wie Männer. Aber wenn ein Vater die Arbeitszeit reduzieren will, dann ist das für die Unternehmen hierzulande ein Statement nach dem Motto: Der will kein Leistungsträger sein. Es wird eher toleriert, wenn ein ­Arbeit­nehmer ein Sabbatical nimmt, um beispielsweise eine Weltreise zu machen.

Aber haben Männer, die in Väterzeit gehen wollen, wirklich mit Nachteilen zu rechnen?
Ich habe Fälle erlebt, in denen einem Mann gekündigt wurde, nachdem er – fairerweise früher als die gesetzlich vorgeschriebenen sieben Wochen – mitgeteilt hat, dass er länger in Elternzeit gehen möchte. Die Befürchtungen, die viele Väter in Befragungen zum Thema äußern, sind also durchaus realistisch.

Wie könnte man verhindern, dass junge Väter sich durch solche Beispiele abschrecken lassen?
Ich sehe beispielsweise keinen Grund, warum der Kündigungsschutz für Schwangere nicht genauso für werdende Väter gelten sollte – also ab dem Zeitpunkt, an dem sie die Schwangerschaft ihrer Partnerin im Unternehmen bekannt geben. Unabhängig von der gesetzlichen Lage könnte ein ­Unternehmen aber auch eine Erklärung abgeben, eine Art Betriebsvereinbarung, die Väter genauso schützt wie Mütter.

Wie sähe für Sie ein familienfreundlicher „Musterbetrieb“ aus?
Zwei Dinge sind ganz wichtig: Glaubwürdigkeit und eindeutige Botschaften. Ich habe es schon sehr häufig erlebt, dass Väter zwar verbal in die Vereinbarkeitsbemühungen einbezogen wurden, zumindest im letzten Satz: ,Diese Maßnahmen sind auch für die Väter gedacht‘. Wenn aber gleichzeitig die unterschwellige Botschaft im Betrieb kursiert: „Wer hier was werden will, muss schon mehr als 50 Stunden arbeiten“, sind das doppeldeutige Botschaften. Ein Musterbetrieb würde sich dadurch auszeichnen, dass er den Umstand Familie & Kinder nicht als individuelles Problem oder gar ­Defizit betrachtet, sondern wertschätzt und die Potenziale und Chancen betont.

Welche konkreten Maßnahmen in Bezug auf Väter müssten ergriffen werden?
Mehr Flexibilität auf Seiten des Arbeit­gebers! Die Möglichkeit, Arbeitszeiten und gegebenenfalls auch den Arbeitsort im Rahmen der betrieblichen Bedürfnisse selbst zu bestimmen. So sind unter Umständen 50 flexible Arbeitsstunden für einen Vater leichter mit seinen familiären Ansprüchen zu vereinbaren als 40 unflexible. Das heißt allerdings für die Führungskräfte, dass sie sich umstellen müssen. Die Managementfrage der Zukunft lautet: Wie kann ich führen, wenn die Leute nicht da sind? Dazu benötigen wir Chefs, die mit so einem Kontrollverlust umgehen können.

Kennen Sie einen Spitzenmanager in ­Elternzeit?
Leider nein. Auch das ist ein Problem: Es mangelt an Vorbildern.

Dennoch geht seit dem Lohnersatz eine unerwartet hohe Zahl Väter in Elternzeit. Gibt es noch weitere positive Dinge zu berichten?
Ja. Als ich anfing mit „Väter und Karriere“, musste ich aktiv auf die Unternehmen zugehen. Heute melden sich Personalchefs, die die Bedingungen für Ihre Väter verbessern wollen, auch schon mal bei mir.

Das Gespräch führten Lisa Ortgies und Chantal Louis, EMMA 1/2009

www.vaeter-und-karriere.de

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