Annalena Baerbock geht
Nach drei Jahren und vier Monaten ist Schluss mit der ersten Frau an der Spitze des deutschen Außenministeriums. Ihr wird wohl ein Mann folgen. Als sie im Dezember 2021 antrat, versprach Annalena Baerbock eine „feministische Außenpolitik“. Hat die grüne Ministerin das eingelöst?
Im Ministerium heißt es, die Atmosphäre und Gepflogenheiten hätten sich gelockert, seien entspannter geworden. Gut vorstellbar. Und sicherlich zu begrüßen. Und Baerbock hat, ohne jemals darüber zu reden, auch einen neuen Kleiderstil für Politikerinnen eingeführt. Außenministerinnen sind noch nie sonderlich aufgefallen, aber die Staatschefinnen hatten sich bisher in weibliche Klischees eingeschlossen, außer Merkel. Die Kanzlerin trat betont genderneutral auf: Hose, Jacke, vier Knöpfe.
Baerbock ließ sich 137.000 Euro für Friseurin und Visagistin spendieren
Baerbock leugnete ihr Frausein nicht. Sie trug fließende Stoffe, oft Kleider, manchmal auch Anzüge, meist angemessen und schick. Sie war vorzüglich beraten. (Und ließ sich im Jahr 137.000 Euro für Friseurin und Visagistin vom Steuerzahler spendieren.)
Nun ist das Aussehen durchaus ein ernstzunehmender Faktor bei öffentlichen Auftritten von Politikerinnen, denn gerade in dem Bereich stolpern sie so manches Mal in der Männerwelt. Aber das ist nicht alles. Was also ist mit der „feministischen Außenpolitik?“
Feministische Politik nimmt die spezielle Betroffenheit von Frauen in den Fokus – und sie nimmt sie ernst. Feministische Außenpolitik ordnet die Sache der Frauen eben nicht mehr der „großen Politik“ unter, sondern wägt bei allen Entscheidungen auch ab: Was bedeutet das für Frauen? Konkret:
In Bezug auf den Iran hätte feministische Politik in der Amtszeit von Baerbock bedeutet, eben nicht nur auf den vom Westen erträumten „Atomdeal“ zu setzen (also den freiwilligen Verzicht Irans auf den Bau der Atombombe, der eh komplett illusorisch ist), sondern trotz der heiklen geopolitischen Lage den aufständigen Frauen im Land, die öffentlich gegen den Schleierzwang protestieren und damit ihr Leben riskieren, diplomatisch zur Hilfe zu eilen. Feministische Politik hätte 2022 bei der Fußballweltmeisterschaft bedeutet, nicht nur von der fatalen Lage der Fremdarbeiter in Katar zu reden, sondern auch von der Versklavung der Frauen durch den wg. Gaslieferungen hofierten Emir und seine Brüder.
Feministische Außenpolitik hätte in Afghanistan bedeutet, trotz hastigen Rückzugs an die höchstgefährdeten Frauen zu denken, die der Westen zur Emanzipation ermutigt und dann schnöde im Stich gelassen hat. Sie sitzen zum Teil bis heute zitternd in den Kellern von Kabul.
Anfang Januar 2025 fuhr die deutsche Außenministerin nach Syrien, wenige Wochen nach der Machtergreifung durch Ahmed Al-Scharaa, und im März gleich nochmal. Sie hatte jedes Mal Millionen Dollar und freundliche Worte im Gepäck für den neuen Machthaber, auf dessen Kopf die USA noch wenige Monate zuvor 10 Millionen Dollar gesetzt hatten. Denn Al-Scharaa ist ein in der Wolle gewaschener Islamist und Muslimbruder, der schon in der syrischen Region Idlib, die er zuvor über Jahre beherrscht hatte, eine streng islamistische Geschlechterapartheid eingeführt hatte (in Restaurants ließ er Trennwände zwischen Männern und Frauen einziehen etc.).
Baerbock ging so weit, einen Hardcore-Islamisten salonfähig zu machen
Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Al-Scharaa Syrien zu einem Gottesstaat machen wird. Darum konnte die deutsche Außenministerin sich auch nicht im Ernst darüber wundern, dass er ihr nicht die Hand gereicht hat. Selbstverständlich weiß eine Außenministerin, dass Frauen in den Augen fundamentalistischer Muslime unrein sind und Unberührbare. Baerbock war aus einem anderen Grund zwei Mal in Syrien: Weil sie dazu beitragen will, dass Al-Scharaa die Russen, die noch zwei Basen in dem Land haben, rauswirft. Sie verfolgt damit die Politik des „grünen Gürtels“, mit dem die Amerikaner einst den Süden der Sowjetunion eingezingelt hatten. Sie bauten in Afghanistan die Taliban auf, um die Sowjets zu verjagen. Was ihnen gelungen ist – aber um welchen Preis?
Baerbock ging also so weit, einen Hardcore-Islamisten salonfähig zu machen und mit Millionen zu beglücken. Der wird bald auch in Syrien das Schicksal der Frauen endgültig besiegeln. Soll das „feministische Außenpolitik“ gewesen sein?
Und dann der Ukraine-Krieg. Feministische Außenpolitik hätte in dem Fall gerade für die deutsche Diplomatin Nr. 1 bedeutet, von Anbeginn an nicht nur Waffenlieferungen zu propagieren, sondern immer auch gleichzeitig auf Friedensverhandlungen zu pochen. Denn Krieg ist für alle Menschen eine Katastrophe, aber für Frauen eine besondere. Ihnen droht im Krieg noch zusätzlich die sexuelle Gewalt.
Und in Friedenszeiten geht der Krieg weiter: Die Männer kommen von der Front zurück: traumatisiert, brutalisiert und bewaffnet. Ein wirklicher Frieden zwischen den Geschlechtern wird in der Ukraine Generationen brauchen. Hat die Außenministerin das bei ihrer forschen Kriegspolitik jemals bedacht? Oder ist sie dann in New York und sehr weit weg?
ALICE SCHWARZER