Anne: Ich dachte, ich habe keine Chance!

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Das hier ist mein Zweitstudium, ich habe schon einen Master in Wirtschaft. Dabei spukt das Informatikstudium schon ganz lange in meinem Kopf herum. Ich dachte nur, dass ich gegen die ganzen Jungs, die von Kindesbeinen an programmiert oder Rechner zusammengeschraubt haben, keine Chance habe. Obwohl ich zum Beispiel in Mathe total gut bin. Erst nach meinem ersten Abschluss hatte ich das Selbstbewusstsein, meinen Traum anzugehen. Da habe ich begriffen: Alle fangen bei Null an. Die vier Frauen genauso wie die 70 Männer, mit denen ich losgelegt habe. Von den Frauen sind noch alle dabei, von den Männern nicht.

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Ich versuche deshalb, Frauen für Informatik zu begeistern! Ich sitze auch als studentische Vertreterin im Rat meiner Fakultät, da diskutieren wir oft darüber, wie wir den Frauenanteil erhöhen können. Natürlich heißt das noch lange nicht, dass ich damit auch auf oberster Ebene der Hochschule etwas bewege – aber immerhin habe ich es versucht! Mich nervt, dass es so wenig Sensibilität für Sexismus unter meinen Kommilitonen und Professoren gibt.

Es ist ja nicht die Regel, aber klar haben die auch schon mal blöde Witze über Frauen gerissen oder mich von oben herab behandelt. Aber mich direkt vor den Professor zu stellen und mich zu beschweren – das traue ich mich nicht. Ich würde gerne eine Initiative gründen, die Studentinnen der Informatik in Schulen schickt, um den Mädchen zu erzählen, wie toll ein Informatikstudium ist. Und welche Chancen sie damit haben: Der IT-Bereich ist doch perfekt geeignet, wenn sie einen sicheren Arbeitsplatz, ein gutes Gehalt und eine gute Work-Life-Balance suchen. Manchmal tut es mir richtig weh, wenn ich mir anschaue, wie andere Branchen von Frauen so überlaufen sind und wie schlecht diese Frauen bezahlt werden. 

Ich komme aus dem Erzgebirge, in Ost-Deutschland verdienen die Menschen im Vergleich sowieso weniger als im Westen – dafür ist der Gender Pay Gap nicht so groß. Die Debatte über die entpolitisierten Studentinnen und Studenten finde ich sehr einseitig. Natürlich gibt es die, die sich nur für Filme, Musik und Sport interessieren und davon ausgehen, dass sie im Schlaraffenland leben. Aber was ist mit all den anderen, die so sind wie ich?

Anne Mehlhorn, 25, studiert Informatik an der HTWK Leipzig

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