Arbeitgeber-Präsidentin Frankreich:
Die Präsidentin des französischen Arbeitgeberverbandes Medef ist eine Frau: Laurence Parisot. Ihr vor allem ist es zu verdanken, dass in Frankreich die 40-Prozent-Frauenquote für Vorstände durchgekommen ist. Jetzt ging die Spitzenmanagerin in der französischen Tageszeitung Aujourd’hui anlässlich der Debatte um den Fall Strauss-Kahn hart mit dem „grassierenden Sexismus“ in Frankreich ins Gericht. Erstmals sprach die 51-Jährige auch über eigene Erfahrungen mit Übergriffen und sexueller Belästigung und appellierte an die Französinnen: „Habt keine Angst mehr. Redet endlich!“ Neben der sexistischen Werbung kritisiert Parisot besonders das beharrliche Schweigen der Intellektuellen zu Sexismus und sexueller Gewalt. Für die Präsidentschaftswahlen im Juni 2012 erwartet die Arbeitgeber-Präsidentin, dass die Themen sexuelle Gewalt und Frauenrechte eine zentrale Rolle spielen werden. EMMA veröffentlicht Auszüge aus dem Gespräch mit Laurence Parisot.
Der Skandal DSK hat den Machismo in der französischen Gesellschaft beleuchtet. Haben Sie auch selber schon Erfahrung mit dem Sexismus gemacht?
Laurence Parisot: Als die Affäre bekannt wurde, haben auch wir Frauen innerhalb des Medef angefangen zu reden. Wir haben uns zum ersten Mal Dinge aus unserem eigenen persönlichen und beruflichen Leben gesagt, die wir bis dahin noch nie gesagt hatten. Ich zum Beispiel den Verlauf meiner ersten Anstellung. Das fand zu meiner Überraschung nicht im Büro statt, sondern er hat zu mir gesagt: „Wir gehen zusammen Abendessen.“ Ich habe nicht gleich verstanden… Das Essen war dann sehr heikel. Ich wurde zwar angestellt, habe aber sofort den Widerstand organisiert. Das war quasi instinktiv.
Und später, als Präsidentin des Medef?
Frauenverachtende Bemerkungen sind oft die erste Waffe meiner Gegner. Als es um die Verlängerung meines Mandats ging, hat Alain Minc (Anm.d.Red.: bekannter Intellektueller) gesagt: „Wenn sie wenigstens ein Zehntel des Könnens der Spitzen der CGT (Anm.d.Red.: Gewerkschaft) hätte…“
Glauben Sie, dass der Schock über die Affäre DSK die öffentliche Meinung ändern wird?
Eines ist klar, ohne das Resultat des Prozesses vorausnehmen zu wollen: Es gibt für uns ein Davor und ein Danach. Diese schlimme Geschichte hat dazu beigetragen, das Schweigen zu brechen. Die Franzosen haben, überzeugt von der Bedeutung der Prinzipien der Menschenrechte, die reale Gleichheit zwischen Frauen und Männern vernachlässigt. Ich bin aber überzeugt, dass diese Frage im Herzen der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen stehen wird.
Laufen die Franzosen da nicht Gefahr, so puritanisch zu werden wie die Amerikaner?
Unter dem Vorwand, nicht prüde sein zu wollen, schließt man in Frankreich die Augen und die Ohren vor Dingen, die weit über eine akzeptable Libertinage hinausgehen. Die Bemerkung der jungen Frau beim IWF, die mit Strauss-Kahn eine Affäre hatte, ist ja bezeichnend. Sie hat gesagt: „Ich hatte den Eindruck, dass ich verloren bin, wenn ich mitmache – und verloren, wenn ich nicht mitmache.“ Dieser Satz zeigt die Glasdecke, an die Frauen auf ihrem Weg nach oben stoßen.
Die ersten Frauen, die jetzt anfingen zu reden, sind Politikerinnen. Warum haben sie so lange geschwiegen?
Der Druck ist groß. Sie riskieren ihre Karriere. Und bis heute ist ja nur jeder fünfte Abgeordnete eine Frau. Dank der Affäre DSK wird unser Land jetzt über das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern nachdenken müssen. In den USA ist das klar, in Frankreich jedoch noch ziemlich verschleiert. Alle Kandidaten und Kandidatinnen der Präsidentschaftswahlen werden sich jetzt zu dem Punkt verhalten müssen. Auch auf die steigende Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz wäre eine wahre Gleichheit von Frauen und Männern die beste Antwort. Ich frage mich übrigens, wie es kommt, dass unsere Intellektuellen bei dem Thema ein Abonnement auf Abwesenheit zu haben scheinen.
Sollte man Werbung, die ein erniedrigendes Frauenbild propagiert, verbieten?
Das wäre eine gute Idee. Ich fand auch die Werbung für die TV-Serie über Bordelle inakzeptabel. Es sollte eine Instanz geben, die Grenzen zieht, die nicht mehr überschritten werden dürfen.
Würden Sie sich eine Präsidentin wünschen?
Das wäre gut, auch wenn das Geschlecht nicht das einzige Kriterium ist. Ich erinnere mich an die Nomination von Edith Cresson – und wie stolz ich damals war. Obwohl ich politisch überhaupt nicht ihrer Meinung war.
EMMAonline, 12.7.2011
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