Ask Alice! Zusammenhang von Medien & Macht
Liebe Adjany,
da sprichst du in der Tat ein großes Problem an. Doch geht es dabei nicht nur um „Kampagnen-Journalismus“, d.h. eher „linke“ Medien versuchen, „Rechte“ madig zu machen und umgekehrt. Es geht auch um die eskalierende allgemeine Skandalisierung in den Medien.
Die traditionellen Medien kämpfen heute, im Schatten der sozialen Medien, mit allen Mitteln um Auflagen, Einschaltquoten und Klicks. Und leider Verfahren die angeblich „seriösen“ Medien dabei nicht anders als die einschlägig bekannten unseriösen (wie Boulevard- und Yellow-Press).
Nehmen wir das Beispiel Spiegel und SpiegelOnline. Die Einnahmen von SpiegelOnline hängen von der Zahl der Klicks ab – und wenn die Klicks nicht so hoch sind wie erwartet, nimmt so ein Verlag nicht nur weniger ein, sondern muss gegebenenfalls sogar Werbeeinnahmen zurückzahlen. Entsprechend wird zugespitzt und skandalisiert. Auf Teufel komm raus.
Gleichzeitig haben die großen Verlage sehr fitte Hausjuristen. Das heißt, die Skandalmeldungen sind in der Regel so formuliert, dass sie für die Betroffenen quasi unangreifbar sind, eben nur „Meinung“ und nicht „Tatsachenbehauptung“.
Die LeserInnen erkennen das oft gar nicht, und sie nehmen die Meinung in „seriösen“ Medien für Tatsache. Deswegen ist es für Betroffene viel heikler, in den vorgeblich seriösen Medien diffamiert zu werden als in den bekannt unseriösen – da weiß auch die naivste Leserin, der naivste Leser, dass man das nicht so ernst nehmen muss.
Dieser Entwicklung müssten sich auch die JournalistInnen viel selbstkritischer stellen. Sie tun es leider nicht häufig genug. An euch LeserInnen, kritisch zu lesen!
Mit lieben Grüßen
Alice Schwarzer