Frauenhäuser schlagen Alarm!
Sie bekommen Hilferufe aus ganz Deutschland. „In Hessen gibt es schon seit Wochen einen Notstand bei freien Frauenhausplätzen, schon seit März sind wir voll belegt. Wenn wir versuchen, eine Frau innerhalb von Hessen zu vermitteln, ist dies so gut wie nicht möglich. Wir haben versucht, in Baden Württemberg, in Bayern und Nordrhein-Westfalen einen Platz zu bekommen – ohne Erfolg. Für die Frauen und Kinder ist das eine Katastrophe und für uns eine große psychische Belastung, dass wir Frauen und Kindern keinen Schutz anbieten können.“
Lebensgefährlich: Jede zweite Frau wird abgewiesen
Auch aus Baden Württemberg heißt es: „Seit Wochen sind keine freien Frauenhausplätze zu bekommen. Betroffene Frauen sind verzweifelt auf der Suche nach einem Schutzplatz. Weder das bundesweite Hilfetelefon noch die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern können ihnen einen Ausweg zeigen, die Plätze reichen einfach nicht aus.“ Aus NRW kommt die Meldung, dass jede zweite hilfesuchende Frau abgewiesen werden muss. Die Frauenhäuser sind voll.
Jetzt schlägt die „Frauenhauskoordinierung“ Alarm. In dem Dachverband sind die Wohlfahrtsverbände von AWO bis Caritas organisiert, die insgesamt rund 260 Frauenhäuser vertreten. In einem Offenen Brief an die Bundestagsfraktionen, die Konferenz der Gleichstellungsministerinnen (GFMK) und die kommunalen Spitzenverbände warnt die „Frauenhauskoordinierung“ vor unhaltbaren Zuständen. „Die Aufnahmesituation in deutschen Frauenhäusern ist dramatisch wie nie“, schreibt sie. „Die Versorgungssituation von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern hat sich drastisch verschlechtert.“
Schon seit Jahren klagen die Frauenhäuser über Platz- und Geldmangel. Nun aber verschärft sich die Situation. Zum Beispiel durch die steigenden Mieten, die es Frauenhaus-Bewohnerinnen immer schwerer machen, nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine bezahlbare Wohnung zu finden. „Hinzu kommt, dass immer mehr Frauen mit besonderen Problemlagen in die Frauenhäuser kommen“, sagt Heike Herold, Sprecherin der „Frauenhauskoordinierung“. „Das sind zum Beispiel Frauen mit Schulden, psychischen Problemen oder einer Suchtproblematik. Die können Sie nicht nach ein paar Wochen wieder auf die Straße schicken.“
Auch geflüchtete Frauen brauchen dringend Plätze
Und dann sind da noch die geflüchteten Frauen, die ihre prügelnden Ehemänner verlassen. Eine weitere Gruppe, die in die Frauenhäuser drängt, die aber schon jetzt aus allen Nähten platzen. Gleichzeitig ist die Finanzierung der Frauenhäuser immer noch keine staatliche Pflichtaufgabe, Länder und Kommunen schieben sich den Schwarzen Peter hin und her.
Anfang Juni hatte auch der zweite Dachverband der Frauenhäuser, die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) eine Protestaktion gestartet. Auf dem Weimarer Marktplatz hatte der Verband, der rund 130 Frauenhäuser vertritt, 16 Liegestühle aufgestellt (für jedes Bundesland einen). Darauf je ein Schild: „Voll belegt“. In Weimar tagten an diesem Tag die Frauenministerinnen der Bundesländer.
Die ZIF rechnete vor: In Deutschland fehlen 4.300 Frauenhausplätze! ZIF-Sprecherin Eva Risse berichtete aus dem Bonner Frauenhaus, in dem sie arbeitet: „Im Jahr 2016 mussten wir 471 Frauen abweisen. Eine Katastrophe!“ Das bedeutet: Jeden Tag muss mindestens eine Frau wieder zum misshandelnden Mann zurückgeschickt werden. Doch die Frauenministerinnen hatten das Thema nicht auf der Tagesordnung.
Es muss schnellstens gehandelt werden!
Damit es dort landet, hat die „Frauenhauskoordinierung“ nun den Offenen Brief verfasst. Ihre Forderung: „Es muss schnellstens gehandelt werden!“ Der Dachverband fordert „die Parteien im neuen Bundestag auf, sich für einen Rechtsanspruch auf Schutz für alle gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder einzusetzen“. Dieser Rechtsanspruch müsse in einem Bundesgesetz geregelt werden.
Wir dürfen gespannt sein. Zwar versprechen SPD, Grüne und Linke in ihren Wahlprogrammen die „sichere Finanzierung“ der Frauenhäuser. Für CDU und FDP (und AfD) sind die Frauenhäuser hingegen überhaupt kein Thema. Dabei, so die "Frauenhauskoordinierung", hat sich Deutschland mit Unterzeichnung der Istanbul-Konvention zur "Einrichtung von leicht zugänglichen Schutzunterkünften in ausreichender Zahl verpflichtet".