Leihmutterschaft: Legitim oder ein Skandal?

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Erfüllter Kinderwunsch – wie schön. Für die KäuferInnen. Doch wie sieht die Realität für die „Produzentinnen“ aus?

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Je nach Land und Betreuungsprogramm kostet das Austragen eines fremden Embryos zwischen 25.000 US-Dollar (in Indien), 30.000 Euro (in der Ukraine) und 45.000 bis 100.000 US-Dollar (in den USA). Der Löwenanteil des Geldes fließt allerdings an die Fruchtbarkeitsklinik. Wie viel die Leihmutter erhält, ist je nach Land und Vertrag unterschiedlich. In Indien sind es zwischen 2.000 und 5.000 Euro, in der Ukraine um die 10.000 Euro, in den USA können es bis zu 80.000 Euro sein.

Die Leihmutter ist sozusagen nur noch der Brutkasten.

Die größten Märkte für Leihmutterschaft sind mit Ausnahme der USA die ärmsten Länder: Die Ukraine, Russland, Indien (eingeschränkt), Georgien, Mexiko, Südafrika, Zypern. In der Regel mieten Menschen aus wohlhabenden Ländern die Leihmütter in ärmeren Ländern.

Oft werden der Wunsch-Mutter Eizellen entnommen, der Wunsch-Vater gibt seinen Samen. Die Leihmutter ist sozusagen nur noch der Brutkasten. Das genetische Nicht-Verwandt-Sein mindert dann den Rechtsanspruch der Leihmutter und selbstverständlich wollen die KäuferInnen für möglichst „gute Erbanlagen“ sorgen, sich „fortpflanzen“.

Deutsche Paare mit Kinderwunsch ordern die „Ware“ neuerdings in der Ukraine. Die besetzt zurzeit international Platz Nummer 1 als Babyfabrik.

Die bislang leihmutterschaftsfreundliche deutsche Justiz könnte sich bald umkehren. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat am 12. April 2017 die Anerkennung einer in Colorado durchgeführten Leihmutterschaft abgelehnt. Die über 60 Jahre alten Auftraggeber hätten das deutsche Recht via „Fortpflanzungstourismus“ hintergangen. Zudem hielt das Gericht eine „schwer­wiegende Ausnutzung und Ausbeutung der Leihmutter“ für gegeben.

Leihmütter in Gujarat. Sie vegetieren die ganze Schwangerschaft über in Camps vor sich hin. Überwachung inklusive. - Foto: Sanjay Austa
Leihmütter in Indien vegetieren während der Schwangerschaft in Camps vor sich hin. Überwachung inklusive. - Foto: S. Austa

Neoliberale und auch so manche Feministin argumentieren hingegen gern mit der „Wahlfreiheit“ der Frau – genau wie im Prostitu­tions­gewerbe. „Ist es deine freie Wahl, wenn dein Ehemann dich zur Leihmutterschaft zwingt, weil dein Jahresgehalt als Näherin in einer indischen Kleidungsfabrik nur ein Bruchteil von dem ist, was du als Mietmutter in neun Monaten verdienen kannst?“, fragt dagegen Renate Klein. Die schweiz-australische Biologin und Frauengesund­heitsaktivistin hat gerade eine umfassende Studie zu dem Thema „Mietmutterschaft“ herausgegeben, in der die Abgründe des Baby-Marktes deutlich werden.

Auch die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim betonte kürzlich auf einer Tagung in Heidelberg: „Eine Leihmutter erbringt eine Dienstleistung, die prekärer und intimer nicht sein könnte.“

Der vollständige Leihmütter-Report in der aktuellen EMMA
 

 

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