Bordellchefs hinter Gittern

Jürgen Rudloff am 10.11.2013 in der Talk-Show "Günter Jauch". © Müller-Stauffenberg/imago
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Der Chef des Wellness-Bordells „Para­dise“ in Stuttgart, Jürgen Rudloff, wurde am 27. September verhaftet. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben: Der Vorwurf lautet nicht nur „gewerbsmäßiger Betrug“ (davon ist schon länger die Rede), sondern auch „Beihilfe zum schweren Menschenhandel und Zuhälterei“ sowie „versuchte gewerbs- und bandenmäßige Förderung des Menschenhandels“. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ordnete Unter­suchungshaft an wg. Flucht- und Verdunkelungsgefahr. In der Tat hatte Rudloff sich im November 2014, nach der ersten Groß-Razzia im „Paradise“, erstmal ins Ausland abgesetzt. Jetzt drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

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Die Verhaftung des Paradise-Chefs, der über Jahre gern gesehener Talkshow-Gast war, im modisch aufgeknöpften weißen Hemd unterm dunklen Anzug, signalisiert eine Zeitenwende in Deutschland. Als Alice Schwarzer anno 2012 in der Talkshow bei Jauch dem Bordellbetreiber ins Gesicht sagte: „In einem anderen Land würden Sie für das, was Sie tun, im Gefängnis sitzen“, da konnte Rudloff noch kühl lächeln. Für die nächste Talkshow war der Betreiber des „sauberen Wellness-Bordells“ schon gebucht.

Doch die Zeiten ändern sich. Und mit ­ihnen das Bewusstsein. Zwar gilt in Deutschland Prostitution auch im Jahr 2017 noch als „legal“, und vermitteln Arbeitsämter auch gerne mal eine arbeitslose Frau ins Bordell (Stichwort: Ein Beruf wie jeder andere). Und das Wort „Freierbestrafung“ würde hierzulande bis heute ein Politiker/eine Politikerin niemals auch nur in den Mund nehmen – auch wenn immer mehr Länder längst die Freierbestrafung eingeführt haben oder einführen wollen: von Schweden über Frankreich bis Israel. Doch die BürgerInnen dieses Landes fangen an umzudenken. Immer mehr Frauen und auch Männern wird klar, dass der Handel mit der Ware Frau ein Verbrechen ist und kein Kavaliersdelikt.

Auch die zuvor tief resignierte Polizei und Justiz will den mit der organisierten Kriminalität, von der Mafia bis zu den Hells Angels, verbandelten Frauenhändlern offenbar nicht länger tatenlos zusehen.

Pascha-Betreiber Hermann Müller. © Horst Galluschka/Imago
Pascha-Betreiber Hermann Müller 2015 bei Maischberger. © Horst Galluschka/Imago

Vor einigen Wochen wurde der Betreiber der „Pascha“-Bordelle in München und Köln, Hermann Müller, verurteilt. Zunächst „nur“ wegen Steuerhinterziehung, zu drei Jahren Gefängnis. Doch da die Pascha-Häuser nach demselben Prinzip funktionieren wie das Paradise, bleibt die Fortsetzung abzuwarten.

Auch in dem Berliner Großbordell „Artemis“ ermittelt die Staatsanwaltschaft nach der Razzia im April 2016 weiter. Es geht um die Frage, ob die Frauen im Bordell „selbstständig“ gearbeitet haben, wie die beiden Betreiber behaupten. Das Verfahren wegen „Beitragsvorenthaltung“ läuft noch.

Fraglos ins Artemis geprügelt wurde eine türkischstämmige Minderjährige von Erman M., einem Mitglied der Hells Angels. Der wurde am 6. Oktober vom Berliner Landgericht wegen „schweren Menschenhandels, Vergewaltigung und Körperverletzung“ zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Sowohl das Artemis wie auch Paradise und Pascha sind so genannte „Laufhäuser“. Die Besitzer vermieten die zirka Zwölf-­Quadratmeter-Zimmer an die Frauen zu Wucherpreisen von bis zu 150 Euro – pro Tag! Gerechtfertigt wird das mit dem ­„Service für die Damen“.

Dererlei Schurkereien sind in Deutschland bis heute legal, weil die schwarz-rote Regierung es nicht für nötig gehalten hat, in Deutschland, das als „europäische Drehscheibe des Frauenhandels“ und „Paradies für Freier“ gilt, dem Treiben Einhalt zu gebieten – von einer Jamaika-Koalition ist das vermutlich leider noch viel weniger zu erwarten. ­Darum können wir, die BürgerInnen, uns nur gratulieren: Zu denjenigen Kräften in Polizei und Justiz, die nicht lockerlassen, weil sie wissen: Prostitution ist ein Verbrechen ­gegen die Menschlichkeit!

EMMA berichtet weiter.

Der Appell gegen Prostitution - hier unterzeichnen!

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Prostitutionsdebatte bei Jauch

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Cathrin Schauer ließ keinen Zweifel daran, dass das, was elf Millionen ZuschauerInnen da gerade im „Tatort“ gesehen hatten, „sehr realistisch“ ist. Sie kennt sie, die Mädchen, die von ihren Zuhältern an „Partys für Reiche“ vermietet werden und dort alle „Wünsche“ erfüllen müssen. „Je zahlungskräftiger, desto perverser.“ Seit Gründung der Beratungsstelle KARO an der deutsch-tschechischen Grenze im Jahr 1996 haben Schauer und ihre Kolleginnen über 500 Mädchen und Frauen aus den Fängen von Zuhältern und Menschenhändlern befreit. Die Freier: überwiegend Deutsche. „Es muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden“, erklärte Schauer. „Prostitution darf nicht mehr selbstverständlich sein.“ Cathrin Schauer machte den Auftakt bei Günther Jauch, der nach dem „Tatort“ fragte: „Tatort Rotlichtmilieu - Wie brutal ist das Geschäft mit dem Sex?“ Christian Zahel vom LKA Hannover gab eine eindeutige Antwort: „85 bis 90 Prozent der Frauen arbeiten unter Zwang. Wer ins Bordell geht, finanziert die Organisierte Kriminalität.“ Gemeinsam mit Alice Schwarzer forderte Zahel „eine gesellschaftliche Ächtung der Prostitution“.

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"Wer ins Bordell geht, finanziert Organisierte Kriminalität!"

Das sahen die zwei anderen MitdiskutantInnen anders: Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, und Jürgen Rudloff, Bordellbesitzer. Der Stuttgarter „Unternehmer“ Rudloff, der mit mehreren Bordellen Millionenumsätze macht, pries sein Geschäftsmodell, Freiern und Prostituierten den „perfekten Baukörper“ zur Verfügung zu stellen und von beiden Eintritt dafür zu kassieren. Keine Frau arbeite bei ihm unter Zwang. Auf die Frage des Kriminalers Zahel, wie er denn kontrollieren könne, woher die Frauen kommen und ob sie jemand unter Druck setze und abkassiere, gab Rudloff unumwunden zu: „Des isch ein Punkt, wo mer überhaupt nicht überprüfen kann.“

Alice Schwarzer warf dem Bordellier, in dessen „Paradise“ überwiegend die bitterarmen Rumäninnen und Bulgarinnen arbeiten, vor: „Sie sind das letzte Glied in einer langen Kette von Verbrechen. Es gibt Länder in Europa, da würden Sie bestraft für das, was Sie tun. Sie können sich bei Frau Künast bedanken, dass Sie in Deutschland ungestraft bleiben.“

Seit zehn Jahren ist das rot-grüne Prostitutionsgesetz nunmehr in Kraft. Wie sich das Prostitutionsmilieu in dieser Zeit verändert hat, beschrieb Kriminalist Zahel.  Punkt Nummer eins: „Wir haben sehr viel mehr Bordellbetriebe.“ Punkt Nummer zwei: „Kriminelle wie die Hells Angels oder die Bandidos nutzen die Möglichkeit, dass dort Millionen verdient werden können.“ Gleichzeitig aber seien der Polizei die Hände gebunden. „Wir dürfen nur einschreiten, wenn es den Verdacht auf Straftaten gibt.“ Besonders problematisch sei das bei den vielen, sehr schwer kontrollierbaren Wohnungsbordellen. „Wenn der Zuhälter sagt: ‚Ihr kommt hier nicht rein!’ dann kommen wir da nicht rein.“ Und Punkt Nummer drei: „Den Frauen geht es schlechter als vorher.“

Wo Prostitution legal ist, explodiert der Menschenhandel

Doch Renate Künast, als grüne Spitzenpolitikerin maßgeblich mitverantwortlich für das Prostitutionsgesetz von 2002, sah erstaunlicherweise dennoch „keinen Zusammenhang zwischen dem Gesetz und dem Menschenhandel“. Für all die Frauen, die sich unter Zwang prostituierten, sei das Gesetz schließlich auch gar nicht gemacht. „Es entfaltet nur für eine kleine, ganz begrenzte Gruppe seine Wirkung“. Diese Gruppe ist in der Tat winzig, denn die Zahl der Prostituierten, die die Möglichkeit nutzen, sich kranken- oder rentenversichern zu lassen, tendiert gegen null.

Der Schaden aber ist immens: Wo Prostitution legal ist, explodiert der Menschenhandel. Das stellte gerade eine aktuelle Studie im Auftrag der Europäischen Kommission fest, die Alice Schwarzer zitierte. Sie folgerte: „Der Markt lässt sich nur über die Nachfrage stoppen!“ Der erste Schritt dahin sei deshalb „ein gesellschaftliches Klima, in dem Prostitution geächtet wird – nicht die Prostituierten.“ Es müsse aufhören, dass „Männern glauben gemacht wird, es wäre total cool und selbstverständlich, sich eine Frau zu kaufen.“

Bis es soweit ist, müssten zumindest rechtliche Schritte eingeleitet werden. So forderte Kommissar Zahel eine Anhebung des Schutzalters für Prostitution auf 21 Jahre. Außerdem müssten die Zutrittsrechte der Polizei zu den Bordellen verbessert werden. „Es liegt jetzt in den Händen der Justizministerin, die die Maßnahmen nicht vollzieht, die dringend geboten wären“, klagte Zahel. Die Ministerin, erklärte Günther Jauch zum Abschluss der Sendung, sei selbstverständlich in die Sendung eingeladen gewesen. Doch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zog es vor, nicht zu erscheinen. Sie wird Gründe haben.

Ein deutliches Signal für das Umdenken in Sachen Prostitution

Übrigens: Eine im Auftrag von Jauch erstellte Umfrage von Infratest ergab, dass 80 Prozent der Männer und 76 Prozent der Frauen auf die Frage „Soll Prostitution verboten werden?“ mit „Nein“ antworteten. Immerhin ist also, trotz der nunmehr zehnjährigen Pro-Prostitutions-Propaganda, jeder fünfte Mann und jede vierte Frau für ein solches Verbot.

Eins ist klar: Dieser Abend war ein deutliches Signal für das Umdenken in Sachen Prostitution, das endlich auch in Deutschland beginnt. EMMA bleibt dran. In der aktuellen Ausgabe berichtet in Folge 2 unserer Anti-Prostitutions-Kampagne u.a. eine EMMA-Reporterin über ihre „Bewerbung“ im Kölner Bordell „Pascha“. Die Kampagne geht weiter, das ganze Jahr 2013 über. Wir sind optimistisch: Gerade kommt etwas in Bewegung.

EMMAonline, 17.12.2012

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