In der aktuellen EMMA

EMMA & Alice: Boykott!

Eine Botschaft für die EMMA-Redaktion.
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Ja, es war in den fast fünf Jahrzehnten, in denen EMMA jetzt existiert, immer mal vorgekommen, dass eine Autorin oder (seltener) ein Autor absagte. Dann meist, weil sie oder er EMMA „rassistisch“ fand. Der Vorwurf des „Rassismus“ ist quasi so alt wie EMMA selbst: Er fiel zum ersten Mal, als EMMA 1978 über Genitalverstümmelung berichtete. Die sei schließlich ein „afrikanischer Brauch“, der Westen dürfe sich nicht anmaßen, darüber zu urteilen oder ihn gar abschaffen zu wollen.

Und Alice Schwarzer, die 1979 in den Iran reiste und seither unermüdlich vor der Gefahr des islamischen Fundamentalismus warnt (und bisher mit allem Recht behielt), gilt in linken Kreisen seit Jahrzehnten deswegen als „Rassistin“. 

Und so passierte es also gelegentlich, vielleicht zweimal im Jahr, dass eine Kollegin, die wir nach einem Text fragten, zum Beispiel erklärte, sie fände „die Haltung von EMMA zum Kopftuch problematisch“. Oft kannte sie diese Haltung zwar gar nicht (EMMA ist für ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und andere Repräsen­tantinnen des Staates, nicht aber für ein generelles Kopftuch-Verbot), aber Hörensagen ging auch schon früher in diesen Kreisen gern über Fakten.

Ja, es war sogar vorgekommen, dass ein Buchverlag uns keine Bücher mehr schicken wollte. So hatte sich Schirmer & Mosel geweigert, uns weiterhin Rezensionsexemplare ihrer Bildbände zu senden. Das war 1993, nachdem Alice Schwarzer den Fotografen Helmut Newton in einer „wissenschaftlichen Bildanalyse“ (so der Richter) als Por­nografen und einige seiner Motive als faschistoid entlarvt hatte. Der Verlag, der Newton publizierte, verklagte Schwarzer – nicht wegen der Inhalte ihrer Analyse, sondern wegen „Urheberrechtsverletzung“ aufgrund der abgedruckten Bildbeispiele. 

In jüngerer Zeit aber haben sich die Dinge geändert, und zwar krass. Aus den Einzelfällen von früher ist inzwischen ein systema­tisches EMMA-Bashing geworden, ja ein regelrechter EMMA-Boykott. 

Die Absagen häufen sich: Autorinnen wollen nicht in EMMA erscheinen, Verlage ihre Bücher nicht in EMMA besprochen haben, Politikerinnen und Feministinnen – deren Projekte in der Regel von finanzieller Förderung durch Rot-Grün abhängig sind – keine Interviews mehr geben. 

Das gilt allerdings keineswegs für alle, sondern ausschließlich für die selbsternannten „fortschrittlichen“ bzw. im Neusprech „woken“ Kreise. 

Bei den Erleuchteten ist es zunehmend angesagt, EMMA zur „Unberührbaren“ zu machen. Eine, die „igitt“ ist; eine, mit der man im Zeitalter der „Kontaktschuld“ nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Eine, die – wenn schon die zahllosen Versuche, sie für irrelevant und gestrig zu erklären, krachend gescheitert sind – als Stimme unmöglich sein soll. Warum? 

Weil EMMA die einzige mediale Stimme im deutschsprachigen Raum ist, die unbeirrbar einen autonomen, radikalen Feminismus vertritt. Während die „intersektionalen“ Feministinnen die Frauenfrage wieder zum „Neben­widerspruch“ deklassieren, neben dem Hauptwiderspruch Antirassismus (ganz wie früher die linken 68er neben dem Hauptwiderspruch Klassenkampf), stellt EMMA den Kampf für Frauenrechte unumstößlich in den Mittelpunkt ihres Engagements – und denkt selbstverständlich mit, dass Frauen mit Migra­tionshintergrund oder mit Behinderung, homosexuelle oder arme Frauen, Frauen in der Prostitution oder im Altersheim nochmal ein zusätzliches Päckchen zu tragen haben. 

Während die Queerfeministinnen mit ihrem Geplauder von tausend Geschlechtern die Machtverhältnisse im Patriarchat verschleiern, stellt EMMA weiterhin die Frage nach der Realität und den Machtverhältnissen. Und während sich „Queere“ und „Intersektionale“ mit abseitigen Themen wie Gendersternchen oder genderneutralen Toiletten beschäftigen, legt EMMA den Finger da in die Wunde, wo es Menschen wirklich weh tut. Und das ist vor allem die Männergewalt in all ihren Facetten: von der Pornografie bis zur Prostitution, vom sexuellen Missbrauch über die sogenannte „Häusliche Gewalt“ bis hin zur Vergewaltigung. Nein, EMMA macht nicht mit bei der in woken Kreisen so angesagten Identitätspolitik. Statt Frauen in zahllose Opfergruppen aufzuspalten (von denen jede nur für sich selbst sprechen darf, wie praktisch!), stellt EMMA das Verbindende in den Mittelpunkt, das alle Frauen gemeinsam haben – wie es die Frauenbewegung der 1970er getan hat. 

Und das ist für so manche gesellschaftlichen Kräfte gefährlich. Zum Beispiel für die Islamisten und ihre Allies. Deren Agitation ist in woken Kreisen ganz besonders erfolgreich, wie aktuell auch bei den Protestcamps der Studierenden zu sehen, die die islamistischen Mörder- und Vergewaltigerbanden der Hamas nicht nur an den Universitäten in den USA, sondern auch in Deutschland feiern.

Das ganz große EMMA-Bashing begann 2016 nach der Kölner Silvesternacht. Während sich die sogenannten „intersektionalen Feministinnen“ brüllend laut darüber ausschwiegen, wer die Täter dieses in der Geschichte der Bundes­republik historisch einmaligen Übergriffs auf Frauen waren, berichtete EMMA vom ersten Tag an über die Fakten und gab Alice Schwarzer wenige Monate später ihr Buch „Der Schock“ heraus. Vier der acht AutorInnen stammten aus dem muslimischen Kulturkreis und Alice Schwarzer erklärte gebetsmühlenartig noch einmal, dass sie die überwiegend nordafrikanischen Männer, die Hunderte Frauen eingekesselt und ihnen sexuelle Gewalt angetan hatten, keineswegs für „geborene“ Täter hielt, sondern dass die aus Ländern stammten, in denen Frauen entrechtete Bürger maximal zweiter Klasse seien. Und dass es dies bei einer ernst gemeinten Integra­tionspolitik zu bedenken gälte. 

Selbstverständlich unterschied Schwarzer wie immer zwischen dem Islam als Religion (zu der sie sich noch nie geäußert hat) und dem Islamismus politischer Strömung, die „den Glauben in Geiselhaft nimmt“. Aber alle ­Differenzierungen nutzten nichts. Alice Schwarzer und EMMA werden als „islamophob“ diffamiert, gern auch von jenen, die nicht eine Zeile des Buches gelesen hatten. 

Wie gut vernetzt die entsprechenden Kreise sind, zeigte sich, als am 8. Mai 2019 an der Goethe-Universität Frankfurt eine Konferenz zum Kopftuch stattfand. Titel: „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ Schon im Vorfeld der Konferenz versuchten Studierende, offenbar aufgehetzt von bekannten Akteuren der islamistischen Szene, die Veranstaltung zu verhindern. Sie bezichtigten die Gastgeberin Susanne Schröter des Rassismus, lancierten den Hashtag #SchroeterRaus und forderten Schröters Entlassung. Doch die Ethnologie-Professorin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam ließ sich nicht einschüchtern. Ebenso wenig wie Alice Schwarzer, die als eine der Referentinnen geladen war. Doch als sie als Einzige auf die Straße vor der Uni trat, um mit den Protestierenden zu reden, inszenierten die einen Skandal: Als Schwarzer eine Demonstrantin am Arm fasste, posteten sie ein Video der völlig harmlosen Berührung im Netz und machten daraus einen „Angriff auf eine Muslima“.

Der nächste Boykott-Schub kam im Januar 2020 mit der kritischen Berichterstattung von EMMA über den besorgniserregenden Trans-Trend. EMMA trat selbstverständlich, wie seit 1983 (!), weiterhin für das Recht transsexueller Menschen ein, rechtlich wie körperlich (so weit wie medizinisch überhaupt möglich) in ihrem „Wunschgeschlecht“ zu leben. Aber wir warnten davor, dass in der ganzen westlichen Welt immer mehr Jugendliche, darunter 80 Prozent Mädchen, leichtfertig und viel zu schnell in die Transition getrieben würden – mit irreversiblen Folgen für ihr ganzes Leben. EMMA sprach mit alarmierten Medizinern, besorgten Eltern und kritischen Transsexuellen sowie mit sogenannten „Detransi­tionierinnen“, also jungen Frauen, die als Transmänner gelebt hatten und ihren übereilten Schritt inzwischen bereuten. 

Die aktuelle September/Oktober-EMMA gibt es als Print-Heft oder als eMagazin im www.emma.de/shop
Die aktuelle September/Oktober-EMMA gibt es als Print-Heft oder als eMagazin im www.emma.de/shop

Bald darauf bekamen wir auf Anfragen Antworten wie diese: „Aufgrund der ekelhaften transfeind­lichen Hetze von Alice Schwarzer kann ich leider keine*r empfehlen, mit der EMMA in Kontakt zu treten“, schrieb Regine Heidorn. Sie betreibt den Podcast „Regines Radsalon“ und antwortete so auf die Frage von EMMA-Redakteurin Annika Ross, ob die Radexpertin ihr für ihr Fahrrad-Dossier eine begeisterte E-Bikerin empfehlen könne. Doch nicht nur die Szene-Ber­linerin lehnte ab, sondern auch die Wiener Modejournalistin Alexandra Bondi de Antoni. Auf die Frage von EMMA-Redakteurin Angelika Mallmann, ob man die Geschichte über ihre Großmutter Gerti aus der Vogue nachdrucken dürfe, sagte die zunächst zu – und dann wieder ab: „Aufgrund der Transgender-Diskussion, die letzte Woche auf der EMMA-Website stattfand, muss ich meine Zusage zurücknehmen. Ich will nicht, dass mein Text in so einem Umfeld stattfindet.“ Die Autorin studierte zu diesem Zeitpunkt übrigens „Gender, Media and Cultural Studies“ in London. 

EMMA ließ sich nicht einschüchtern, sondern berichtete weiter und nahm nun auch das – damals noch geplante und inzwischen verabschiedete – „Selbstbestimmungsgesetz“ ins Visier, das sich die Grünen, ja die ganze Ampel auf die Fahnen geschrieben hatten. Schon 14-Jährige, so das Gesetz, können sich durch einen einfachen Sprechakt auf dem Standesamt zum anderen Geschlecht erklären. Psychologische Beratung und medizinische Gutachten entfallen zukünftig.

Im September 2021 war mit der Bundestagswahl die Ampel an die Macht gekommen. Mit der „Fortschrittskoalition“ bekamen auch Cancel Culture, Sprech- und Denkverbote, die sich zunehmend vor allem an den Unis verbreitet hatten, Rückenwind in Orkanstärke. 

Im Januar 2022 berichtet EMMA über die grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer. Die heißt eigentlich Markus und ist personenstandsrechtlich ein Mann, der über die Frauenquote der Grünen („Frau ist, wer sich als solche definiert“) ins Parlament eingezogen ist. Der Artikel setzt sich sachlich mit der Frage auseinander, was es heißt, wenn eine Gesellschaft gestattet, dass jeder Mensch sein Geschlecht per Selbsterklärung bestimmt. Resultat: ein gewaltiger Shitstorm. Der Beitrag sei eine „menschenfeindliche Kampf­ansage“ (LSVD) und „transfeindliche Gewalt“ (taz). Außerdem reichen über 60 Menschen in einer konzertierten Aktion Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. EMMA schreibt in ihrer Stellungnahme: „Uns scheint, dass es den BeschwerdeführerInnen darum geht, eine wichtige gesellschaftliche Debatte zu verhindern und Bericht­erstattende, die ihren Blick auf die Problematik nicht teilen, mit dem Vorwurf der ‚Transphobie‘ einzuschüchtern und von der Berichterstattung abzuhalten.“ 

Das aber ging schief. Der Presserat erklärte den „Beschwerdeführer*innen“, dass das Berichten über Fakten ebenso erlaubt ist wie die Veröffentlichung einer Meinung, die nicht der ihren entspricht. 

„Es handelt sich um eine zulässige journalistische Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich hochbrisanten Thema.“

Doch es geht weiter. Vorläufiger Höhepunkt der Unterdrückung missliebiger Standpunkte ist das sogenannte „Demokratiefördergesetz“ von Innenministerin Nancy Faeser, das, ganz in Orwell’scher Neusprech-Manier, nicht die Demokratie fördert, sondern vor allem die Claqueure der Regierung und zukünftig Kritik an derselben auch „unter der Strafbarkeitsgrenze“ unterbinden will. 

Aber zurück zum Herbst 2021. In der Geschichte von EMMA war es noch nie vorgekommen, dass eine Spitzenpolitikerin ein Interview abgelehnt hatte. Ob die Justizministerinnen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Herta Däubler-Gmelin oder Brigitte Zypries (beide SPD), ob Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die Familienministerinnen Christine Bergmann (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU) oder Kanzlerin Angela Merkel – alle hatten stets umgehend zugesagt. 

Die erste, die in 47 Jahren nicht mit EMMA sprechen wollte, war: Annalena Baerbock. Alice Schwarzer hatte der Kanzlerkandidatin im November 2020 einen persönlichen Brief geschrieben und nach einem Interview gefragt. Erst nach mehrfachem Nachhaken emmaseits lehnte die Pressestelle Anfang Februar ab. Baerbocks Terminkalender sei leider zu voll. In den darauffolgenden Wochen war Baerbock dann auf allen Kanälen präsent.

Während grüne Politikerinnen früher selbstverständlich mit EMMA netzwerk­ten, setzen sie seit ihrer Machtübernahme 2021 auf striktes Berührungsverbot. Als die Grünen im Mai 2022 bei den Landtagswahlen in NRW auf knapp 18 Prozent kamen und eine Koalition mit Henning Wüsts CDU eingingen, gratulierte EMMA der Spitzenkandi­datin und künftigen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur herzlich. Wir schickten ihr die aktuelle Ausgabe und boten ihr ein Freiabo an. Antwort ihres Büros: „Frau Neubaur lehnt dies dankend ab.“

Auch der neugeschaffene „Queer-Beauftragte der Bundesregierung“, Sven Lehmann, lehnte ab: nämlich die Interview-Anfrage von EMMA. Zwar schoss der Grüne in den Medien im Dauerfeuer gegen Alice Schwarzer und deren Kritik am „Selbstbestimmungsgesetz“ („Alice Schwarzer hat sich verrannt!“), einen Austausch Face to Face wollte der mit einem Mann verheiratete ­Kölner jedoch lieber nicht. Genauer: Lehmann, der davon ausgeht, dass es viele biologische Geschlechter gibt, stimmte einem Besuch in der Redaktion zu, in EMMA erscheinen sollte das Gespräch aber nicht. Hätte das Ärger mit der queeren Peergroup gegeben? Oder mit der Parteispitze? Oder mit ­beiden? 

Überflüssig zu sagen, dass auch die theoretisch „Unabhängige Missbrauchsbeauftragte“ Kerstin Claus Mitglied der Grünen ist. Vorgeschlagen wurde Claus übrigens vom ebenfalls grün besetzten Familienministerium, dem auch der Queer-Beauftragte Lehmann zugeordnet ist.

Apropos Peergroup. Nicht selten scheint es, dass die größte Sorge der von EMMA Angefragten nicht so sehr der Sache, sondern ihrem Umfeld gilt – das in Zeiten von Social Media und grassierendem Schwarz-Weiß-Denken, das die Welt in Gut und Böse teilt und keine Kompromisse und Ambivalenzen mehr zulässt, zunehmend dumpf reagiert. Kontakt mit der „Unberühr­baren“? Geht gar nicht! 

So war es dem Kölner Historiker Norbert Finzsch offenbar ein großes Anliegen, dass nicht nur EMMA von seiner Absage erfuhr, sondern auch der Rest seiner queeren Welt: Er hatte seine Absage auch auf Englisch for­muliert. Da die EMMA-Redaktion des Deutschen mächtig ist, liegt es nahe, dass es Finzsch am Herzen lag, weitere Adressaten zu erreichen und sie über seine politisch korrekte Absage an EMMA zu informieren. 

Auch der österreichische Haymon-Verlag wollte auf keinen Fall in die Nähe der Unberührbaren geraten. Dort war 2023 das Buch „Patriarchale Belastungsstörung“ von Beatrice Frasl erschienen, in dem die Feministin die gesundheitlichen Folgen des Patriarchats für Frauen durchdekliniert. EMMA berichtete. Auf unsere Bitte nach Fotos der Autorin antwortete Nadine Rendl, Leitung Kommunikation: „Wir, der Haymon-Verlag, sehen verschiedene unüberbrückbare Differenzen zwischen der Haltung der EMMA und unseren Werten. Darum sind wir an keiner Zusammenarbeit interessiert. Wir bitten daher höflichst darum, den geplanten Beitrag zu streichen. Wir bitten um eine kurze Bestätigung.“ 

Wir bestätigten natürlich nicht und brachten den Beitrag trotzdem, denn hier war dem Verlag etwas gründlich durcheinander gegangen. EMMA-Redakteurin Annika Ross antwortete: „Wir haben die Freiheit, über das zu berichten, was wir für richtig halten. So funktioniert Journalismus.“ Es stellte sich dann im direkten Kontakt mit der Autorin übrigens heraus, dass Beatrice Frasl vom Verlag überhaupt nicht gefragt worden war. Sie ist, was bei ihrem Buch nicht verwundert, ein glühender EMMA-Fan.

Als der Verlag seine Mail schickte, ging der Krieg in der Ukraine gerade seinem ersten Jahrestag entgegen. Das nächste Thema, bei dem die Wogen hochgingen! Acht Wochen nach Kriegsbeginn hatte Alice Schwarzer gemeinsam mit 27 weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einen Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben, in dem sie ihn darin bestärkte, den Krieg nicht durch die Lieferung schwerer Waffen zu eskalieren. Zehntausende unterschrieben den Brief gleich in den ersten Tagen – bis heute sind es 512.218. Und in der EMMA-Redaktion stand das Telefon nicht mehr still. Wir wurden bestürmt von AnruferInnen, die sich, so manches Mal weinend, für die Initiative bedankten. Kein Wunder: Die Hälfte der Bevölkerung, die gegen die Waffenlieferungen und stattdessen für Friedensverhandlungen war (und ist), hat in den Medien keine Stimme. Heute finden laut Umfragen 51 Prozent der Bevölkerung die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung zur Beendigung des Krieges nicht weit­gehend genug und ist eine relative Mehrheit von 41 Prozent gegen weitere Waffenlieferungen. Doch auch dies wird in den Medien nicht einmal erwähnt.

Zum ersten Jahrestag des Krieges riefen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht für den 25. Februar 2023 zu einer Friedensdemo in Berlin auf. 50.000 kamen zum „Aufstand für Frieden“, wie jeder sehen konnte, der die Menschenmassen vor dem Brandenburger Tor bis zur Siegessäule beobachtete, und wie auch die Ordner vor Ort bestätigten. Nur der vielzitierte Pressesprecher der Berliner Polizei wagte es, von 13.000 TeilnehmerInnen zu sprechen. Eine mehr als offenkundige Manipulation. 

Ebenso manipulativ wie diverse Berichte der öffentlich-rechtlichen Medien, die suggerierten, es seien quasi ausschließlich Rechtspopulisten und Nazis auf der Friedensdemo gewesen. Bis heute boykottieren angefragte Autorinnen EMMA auch „wegen Ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg“.

Dass EMMA und die Grünen und das mit ihnen verbundene Milieu in zen­tralen Positionen weit auseinanderliegen – ob Krieg, ob Trans, ob Prostitution – ist nicht neu. 

Neu ist jedoch, dass es keine Debatten mehr geben darf – sondern nur noch: richtig oder falsch. Gut oder Böse.

 Statt sich mit uns und den vielen, die unserer Meinung sind, auseinanderzusetzen, werden EMMA und Alice Schwarzer verfemt: als „rechts“, „islamophob“ und „transfeindlich“. Und das darf in Variationen unwidersprochen in – überwiegend „fortschrittlichen“ – Medien und Publikationen behauptet und gedruckt werden. 

Zum Beispiel in der Publikation „Perspektiven auf Rassismus im österreichischen Film“. Da schreibt Politikwissenschaftlerin Dina Yanni apropos des Dokumentarfilms „Alice Schwarzer“ von Sabine Derflinger über „Schwarzers Feminismus, der migrantische Personen, nicht weiße Personen, Personen in Armutsverhältnissen, Transpersonen und Sexarbeiter*innen ausschließt“. Und weiter: „Die Erfahrungen von People of Color sind in Schwarzers Feminismus als wertlos codiert.“ Bitte was? Wie wäre es mit einem Blick in Schwarzers Bücher und in EMMA? Aber in der so selbstgerechten woken Blase geht es schon länger nur noch um Glauben statt Wissen, um Hörensagen statt Selber­lesen, um Befindlichkeiten statt Fakten. 

„Basteln am Ich“ hat der Psychologe und Erziehungswissenschaftler Bernd Ahrbeck sein neues Buch genannt. Es ist eines von zahlreichen Büchern, die sich aktuell mit dem Phänomen der sterbenden Debattenkultur und der Identitäts-Ideologie befassen – was kon­sequenterweise in Angriffen auf die Wissenschafts-, Meinungs- und Presse­freiheit mündet.

„Die kulturellen und gesellschaft­lichen Konflikte in den westlichen Demokratien verschärfen sich zusehends. Im Namen einer höheren Moral werden zentrale Errungenschaften der Aufklärung in Frage gestellt, ausgelöst von einzelnen Identitätsgruppen, unterstützt und umgesetzt von einem politischen und medialen Meinungsstrom, der sich als ‚woke‘, links, grün, klima- und gendersensibel versteht“, schreibt Ahrbeck, der als Professor an der Internationalen Psychoanalytischen Universität (IPU) in Berlin lehrt. „Wer sich nicht in dieses Schema pressen lässt, wird schnell zum Feind erklärt, gecancelt, als rechts, rassistisch oder reaktionär abgeschrieben.“

Und ein Feind ist zum Abschuss freigegeben, klar. 

Was für einen Uni-Professor oder eine finanziell wie (partei)politisch unabhängige Zeitschrift wie EMMA nicht immer leicht auszuhalten, aber verkraftbar ist, kann allerdings Abhängige und so manches Individuum zum Verstummen bringen. Im EMMA-Gespräch mit drei jungen Feministinnen der vierten Generation berichtete die Ärztin Josephine Ngomo, 26: „Ich war an der Uni als studentische Gleichstellungsbeauftragte. Da hatten wir einen Instagram-Account und ich habe jede Woche eine Buchempfehlung geschickt, darunter auch den ‚Kleinen Unterschied‘. Da ist die Hölle ausgebrochen! Das Frauenreferat hat verlangt, dass ich den Post entferne und mich dafür entschuldige, dass ich einer Person wie Alice Schwarzer eine Bühne gegeben habe. Sie sei schließlich islamophob und verletze die Gefühle von Menschen.“ 

Das muss man sich vorstellen: „Der kleine Unterschied“, erschienen 1975, ein Weltbestseller, übersetzt in zwölf Sprachen, gelesen von Frauen von Japan bis Brasilien, soll 40 Jahre später gecancelt werden! Josephine, engagiert bei Terre des Femmes und Sisters, entschuldigte sich nicht. Also wurde sie zu einem Zoom-Meeting beordert. „Da saßen mir dann zwei vollverschleierte Frauen gegenüber.“ Josephine ist natürlich kein Einzelfall. Die Cancel Culture greift überall um sich, nicht nur an den Unis. Auch für all die anderen autonomen Projekte und Einzelkämpferinnen, die durch solche Zensurversuche eingeschüchtert und mundtot gemacht werden sollen, versichern wir: EMMA lässt sich nicht einschüchtern!

Wir stehen weiterhin zu unserer ­Haltung, dass der aktuelle Trans-Trend reaktionär ist. Wir ermutigen Mädchen weiter darin, dass sie auch als bio­logisch weiblicher Mensch ihre Geschlechterrolle sprengen können! Und wir stehen weiterhin zu unserer Haltung, dass das Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern universell ist und dass alle anderen Machtverhältnisse darauf aufbauen. Und ja: Wir stehen weiterhin zu der Haltung, dass Krieg keine Lösung ist und Waffen Menschen nicht schützen, sondern töten. 

EMMA ist unabhängig, auch finanziell. EMMA bleibt mutig.  

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