Britney: „Das ist Frauenhandel!“
24 Minuten dauerte die Erklärung, die Britney Spears am Telefon vor Richterin Brenda Penny abgab, jede Minute eine flammende Anklage: gegen ihre Manager, gegen ihre Ärzte und Therapeuten und gegen die kalifornischen Gesetze: „Wie kann es sein, dass ich unter Vormundschaft stehe, wenn ich arbeiten und von dieser Arbeit andere Leute bezahlen kann? Das macht keinen Sinn. Die Gesetze müssen geändert werden!“
Vor allem aber attackierte Britney Spears vor dem Superior Court in Los Angeles ihren Vater Jamie. Der einstige Bauunternehmer ließ den heute 39-jährigen Popstar vor 13 Jahren nach einem psychischen Zusammenbruch unter Vormundschaft stellen. Der Vormund: Er selbst. Seither darf Britney Spears, deren Vermögen auf 60 Millionen Dollar geschätzt wird, nicht mehr über ihr Geld verfügen. Und das, obwohl die erfolgreichste Musikerin der 2000er Jahre weiterhin Konzerte gibt und tourt. „Von mir leben Tonnen von Leuten“, erklärte sie.
„Mein wertvoller Körper hat die verdammten letzten 13 Jahre für meinen Vater gearbeitet, und immer versucht, gut und hübsch und perfekt zu sein“, sagte Spears und erhob heftige Vorwürfe: Sie brauche dringend eine Pause von den Auftritten, die man ihr verweigere, stattdessen habe man sie gegen ihren Willen unter Lithium gesetzt. Ihr Therapeut werde von anderen ausgesucht. Sie müsse ein Intrauterinpessar tragen, weil sie „weder ihren Freund heiraten noch schwanger werden dürfe, solange ich unter Betreuung stehe“.
Jemand gegen dessen Willen arbeiten lassen, ihm Geld, Telefon und Pass wegnehmen
Das einzige, was dieser Art von Behandlung nahekomme, sei „Frauenhandel: Jemand anderes gegen dessen Willen arbeiten lassen und ihm alle seine Dinge wegnehmen: Kreditkarten, Geld, Telefon und Pass.“ Ihr Vater, ihr Management und „alle, die in diese Vormundschaft verstrickt sind, gehören ins Gefängnis“.
Während Britney Spears all das der Richterin und der Weltöffentlichkeit entgegenschleuderte, hielten vor dem Gericht DemonstrantInnen Schilder hoch: „Free Britney!“ Lange hatte eben diese Öffentlichkeit die Entmündigung der Grammy-Preisträgerin mit großem Verständnis betrachtet. Das Bild der offensichtlich durchgeknallten Frau, die sich auf dem Höhepunkt ihres Zusammenbruchs 2007 eine Glatze schneiden ließ, war um die Welt gegangen. Doch spätestens, seit im Frühjahr die Dokumentation „Framing Britney Spears“ zeigte, in welchem Ausmaß Britney schon als Teenager sexualisiert und manipuliert wurde, werden viele Menschen nachdenklich.
„Britney Spears ist kein ehemals glücklicher Popstar, der die Kontrolle verloren hat‘. Sie ist eine Frau, die nie die Kontrolle hatte“ schreibt Sady Doyle, Autorin des Buches „Trainwreck – The Women, We Love to Hate, Mock and Fear… and Why“, in dem sie schon 2016 das Phänomen Britney Spears analysierte. „Schon die frühe ‚glückliche‘ Teenagerin Britney wurde von Erwachsenen kontrolliert und manipuliert. Sie sollte das ideale amerikanische Teenage-Girl sein, wie es sich Männer mittleren Alters vorstellten: unschuldig und doch sexy. Eine christliche Jungfrau mit einem Gebetbuch - und ein Sexsymbol für lüsterne Väter.“
Doyle erinnert an die Fotostrecke im Rolling Stone, in dem die 18-Jährige zwischen Babypuppen in Unterwäsche posierte. Oder daran, wie die Medien „Upskirt-Fotos ihrer Genitalien diskutierten“. Oder an den Guardian, der die 19-Jährige ein „chirurgisch verbessertes, schwanzlutschendes Flittchen“ nannte. Auch die TV-Doku zeigt die frühe Vermarktung des Teenagers als Sexobjekt. Sie habe, nachdem sie diese Doku gesehen habe, „zwei Wochen lang geweint“, schrieb Britney Spears auf Instagram.
„Ich bin traumatisiert“, erklärte Britney Spears jetzt der Richterin. „Wie könnte jemand nach dieser Art von Behandlung kein Trauma erleiden?“ fragt Autorin Doyle. „Die Geschichte von Britney Spears ist die einer Frau, die seit Jahrzehnten versucht, Autonomie über ihren Körper zu erlangen – und der das immer wieder verweigert wurde.“
Britney Spears hat jetzt einen neuen Versuch gestartet, die Kontrolle über sich und ihr Leben zu bekommen. Ob es ihr diesmal endlich gelingt?
Die Doku "Framing Britney Spears" auf Amazon Prime