"Brüste sind eine Zeitbombe!"
Sonya, ist es für eine Frau, die wie du stark über ihren Körper wahrgenommen wird, besonders bedrohlich, wenn sie ihre Brüste verliert?
Nein. Meine Seelenbehausung ist oftmals Arbeitsmittel für mich gewesen. Deshalb hatte ich keine romantische oder melancholische Beziehung zu meiner Brust, sondern ein sehr abgeklärtes Verhältnis. Ich dachte: Hat zwei Kinder groß gemacht, kann weg. Dazu muss ich aber auch sagen: Drei meiner Freundinnen sind mastektomiert und haben sehr offen darüber kommuniziert. Daher wusste ich, dass Silikonbrüste auch ganz hübsch aussehen und ihren Zweck erfüllen können, ein paar Kurven in die Klamotten zu bringen. Deshalb war ich da sehr gelassen. Es ging schließlich um die Wurst, es ging ums Überleben. Da mach ich mir doch keinen Kopf über meine Körbchengröße.
Im Februar 2022 hast du dich sogar bei der Vox-Sendung „Showtime of my Life“ zusammen mit anderen bekannten Frauen oben ohne gezeigt.
Als die Anfrage von „Showtime of my Life“ kam, war meine Welt noch in Ordnung. Ich habe aber in meinem engsten Freundeskreis sechs Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind. Davon leben noch fünf. Die haben mir immer in den Hintern getreten, dass ich pünktlich zu jeder Vorsorgeuntersuchung gehe. Denn: Brustkrebs ist eine heilbare Krankheit – wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Trotzdem lassen zu viele Frauen die Krebsvorsorge schleifen. Zum Beispiel, weil sie sich für ihren Körper schämen und sich nicht vor einem Gynäkologen ausziehen wollen oder schlicht Angst vor einer Diagnose haben. Deshalb habe ich zugesagt. Alle Frauen auf der Bühne hatten eine Geschichte mit Brustkrebs, entweder sind sie selbst betroffen oder zum Beispiel ihre Mutter. Die Botschaft war: Wir schämen uns nicht für unsere Körper! Und wenn wir es schaffen, uns vor einem Millionenpublikum auszuziehen, dann schafft ihr das auch vor eurem Arzt! Das war aber ohnehin eher symbolisch. Man hat gar keine Brüste gesehen, weil das Licht im Saal aus war. Das Publikum hätte schon ein Nachtsichtgerät gebraucht. (lacht)
Das heißt, du hattest die Diagnose Brustkrebs zum Zeitpunkt der Zusage noch gar nicht?
Nein. Das Verrückte ist: Das Vorgespräch mit der Redaktion fand einen Tag vor dem Vorsorge-Termin statt. Nachdem ich dann die Diagnose hatte, hat mein Management die Redaktion angerufen und gesagt: „Die Realität hat uns eingeholt!“
Du bist dann mit deiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen.
Ich wollte mich nicht verstecken, wenn ich keine Haare mehr habe, dünn bin, krank aussehe. Eine gewisse Offenheit hat mir in meinem Leben immer geholfen, einer unangenehmen Sache den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Es wurde bei dir ein Tumor in einer Brust entdeckt. Aber du hast dich entschieden, dir vorsorglich beide Brüste abnehmen zu lassen.
Ja. Ich bin dafür auch kritisiert worden. Aber es hat sich herausgestellt, dass es richtig war. Die Pathologie hat dann nämlich entdeckt, dass sich eine Brustkrebs-Vorstufe hinter der Brustwarze befand. Und die wäre dort nicht entdeckt worden. So eine OP ist kein Zuckerschlecken und es ist natürlich auch eine andere Sache, als brusterhaltend zu operieren, aber wenn es ums Überleben geht, schieße ich lieber mit Kanonen auf Spatzen als umgekehrt. Es ist schlimm, das sagen zu müssen, aber Brüste sind eine Zeitbombe.
Hast du darüber nachgedacht, den Brustaufbau nicht zu machen?
Nein, warum hätte ich mir das antun sollen? Ich wollte nackt vorm Spiegel stehen können und sagen: Läuft!
Es gibt ja mit den Implantaten durchaus ein gewisses Gesundheitsrisiko.
Darüber habe ich in der Tat nachgedacht. Aber es gibt inzwischen eine Methode, bei der du den ganzen Mist in einem Aufwasch machen kannst. Früher war es so: Man hat mastektomiert und zugenäht. Dann hat man einen Expander unter den Brustmuskel gesetzt und den aufgepumpt und vom Rippenbogen gelöst. Und in einer dritten OP wurde das Implantat unter den Brustmuskel geschoben. Heutzutage putzen die dich blank und nehmen alles raus, und während das dann in die Pathologie geht, ketteln sie dir ein Netz an den sauber geschabten Brustmuskel, und in dieses Netz kommt dann das Implantat rein, und dann wird wieder zugemacht. Und mit dieser neuen Methode ist man sehr schnell an den Implantaten, wenn da Komplikationen auftreten.
Hat sich durch die OP und die Implantate bei dir die sexuelle Empfindsamkeit der Brüste verändert?
Ich fand vorher schon Brüste in der Hinsicht immer völlig überbewertet (lacht). Aber es ist schon ein Trauma, auch ein Schmerz-Trauma. Man ist nach einer Mastektomie 50 Prozent schwerbehindert. Die Haut ist nicht mehr so gut durchblutet wie vorher mit dem Brustdrüsengewebe. Aber das ist alles Jammern auf hohem Niveau. Ich habe den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit abgegeben, als ich um mein Leben gekämpft habe. Soll ich mich darüber beschweren, dass mein Busen sich jetzt kühler anfühlt und ich an den Narben leichte Taubheitsgefühle habe? Nee!
Frauen sind ja oft sehr damit beschäftigt, wie ihre Brüste aussehen. Zu groß, zu klein, zu unterschiedlich … Verändert sich dieser kritische Blick auf die Brüste durch so eine Krankheit?
Ich mochte meinen Busen vorher sehr. Der neue ist optisch perfekt, aber natürlich hätte ich lieber meinen alten zurück. Aber die Frage stellt sich halt nicht. Mein Lieblingsspruch während dieser ganzen Zeit war: Es ist, wie es ist!
Hat sich denn der Blick anderer auf dich verändert? Also zum Beispiel der von Männern, von denen dir etliche ja sicher auf den Busen gucken?
Dieser Art von Blicken habe ich noch nie Beachtung geschenkt, die hatten für mich nie eine Bedeutung. Deshalb kann ich dazu gar nichts sagen und es wäre mir auch furchtbar egal. Weil ich mich in meiner Haut einfach pudelwohl fühle, mit oder ohne Silikon – Hauptsache lebendig!
Und die Frauen? Sprechen die dich auf deine Brüste an?
Ja. Viele Frauen begegnen mir auf einem ganz anderen Level der Intimität, da habe ich wahnsinnig schöne Erfahrungen gemacht. Und wenn du Zuschriften bekommst, dass aufgrund deiner Geschichte Frauen zur Vorsorge gegangen sind und tatsächlich früh genug etwas entdeckt wurde, dann macht mich das echt glücklich. Ich habe mich während meiner Behandlung mit anderen Frauen mit Brustkrebs ausgetauscht, die ich im Krankenhaus getroffen habe. Man redet dann ja sehr offen miteinander. Und ich war erschüttert, dass es Frauen gibt, die eine Chemotherapie ablehnen, weil sie ihre Haare nicht verlieren wollen. Und die mehr Angst haben, ihre Brüste zu verlieren als ihr Leben.
Weil Frauen so sehr über ihre Brüste definiert werden?
Das waren eigentlich keine besonders eitlen Frauen, die stark auf ihr Aussehen fixiert waren. Vielleicht ist es auch die Stigmatisierung von Silikonbrüsten. Ich rede ja immer ironisch von meinen „Pornobrüsten“. Aber in so einer Situation nimmst du sie halt. Ich hatte die ja bei meinen Freundinnen gesehen. Aber trotzdem hatte ich noch die Fotos aus den 90ern im Kopf von den Frauen, die eine große Narbe quer über der Brust hatten.
Wie die Künstlerin Matuschka, mit der EMMA 1995 getitelt hat.
Genau. Und es gehört schon viel Mut dazu sich vorzustellen: So werde ich aussehen. Aber die Methoden der medizinischen Rekonstruktion haben sich seitdem sehr weiter entwickelt. Es ist Wahnsinn, was man da mittlerweile alles machen kann. Brustkrebs bedeutet nicht, dass du dir die Brüste abschneiden lassen musst.
Und was sagst du dazu, dass immer mehr junge Frauen sich die Brüste amputieren lassen, weil sie sich als „nichtbinär“ oder „trans“ definieren?
Ich bin absolutes LGBTQ-Regenbogenmädchen und mir ist es egal, ob jemand grün im Gesicht ist oder sich den Po lila tätowiert. Dein Körper, deine Selbstbestimmung! Ich sehe aber als Mutter in dieser unglaublichen Freiheit, die sich unseren Kindern Gott sei Dank bietet, auch die Überforderung. Ich sehe die Verstörung meiner beiden pubertierenden Jungs, die jetzt elf und 13 sind, wenn sich in ihrer Schule Neunjährige als Katze identifizieren und sich im Unterricht die Pfötchen lecken.
Im Ernst?
Ja, im Ernst! Kürzlich haben sie mir erklärt, dass es 35 Geschlechter gibt. Ich sehe zwar selbst aus wie Barbie, aber ich verstehe das Problem der Mädchen. Es ist immer noch nicht schön und cool, ein Mädchen zu sein! Wer will denn schon zum schwachen Geschlecht gehören? Wenn wir uns sexualisierte Gewalt anschauen – wer will denn da ein potenzielles Opfer sein? Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, was am 7. Oktober in Israel passiert ist – diese bewusst eingesetzte Waffe der sexuellen Gewalt, die auch noch stolz gefilmt und dokumentiert wurde. Ich habe mir das angeschaut, da wurden Frauen die Brüste abgeschnitten. Dieser Frauenhass! Es ist doch eigentlich immer noch scheiße, eine Frau zu sein!
Das Gespräch führte Chantal Louis.
Hier findet Frau Hilfe:
Mamazone – Frauen & Forschung gegen Brustkrebs e.V., www.mamazone.de
Frauenselbsthilfe nach Krebs: www.frauenselbsthilfe.de
Ablatio Mammae – Selbstbewusst ohne Brust: www.amsob.de