Verdienstkreuz für Alexandra Goy

Die Rechtsanwältin Alexandra Goy wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
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„Wir haben es verdient. Was haben wir uns abgerackert!“ Sagt Alexandra Goy – und hat vollkommen Recht. Sie hat 1976 in Berlin das erste deutsche Frauenhaus mitgegründet und in zahllosen Prozessen vergewaltigte und geschlagene Frauen vertreten. Das Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe, das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, das Gewaltschutzgesetz – an allen hat sie mitgewirkt.

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Jetzt wurde die Rechtsanwältin Alexandra Goy mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Überreicht wurde es ihr passenderweise im „Verborgenen Museum“, das ebenfalls von ihr mitinitiiert wurde: Seit 1986 werden dort Künstlerinnen der Jahrhundertwende ausgestellt, deren Werke die Gründerinnen aus dem Dunkel holten.    

Die autonome Frauenbewegung hat den Schub für Gesetzes-
reformen gegeben.

Dass die 70-jährige Juristin „Wir“ sagte und nicht „Ich“, hat seinen Grund: „Eigentlich gebührt das Verdienstkreuz der autonomen Frauenbewegung“, findet sie. „Denn sie ist es, die dem Anspruch der Bundesrepublik, ein Rechtsstaat zu sein – auch für Frauen – seit Beginn der 70er Jahre den entscheidenden Schub für mannigfaltige Gesetzesreformen verpasst hat. Angefangen bei der Änderung des § 218.“

Bevor Alexandra Goy Teil dieser Frauenbewegung wurde, demonstrierte sie gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg. 1974 eröffnete sie mit zwei Kollegen ein „Stadtteilbüro“ in Kreuzberg und verteidigte HausbesetzerInnen und auch (angebliche) RAF-UnterstützerInnen.

Dann rasselte sie mit den linken Genossen aneinander. Grund: Die Rechtsanwältin hatte entdeckt, dass es für Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung oder eines prügelnden Ehemannes geworden waren, ein interessantes Rechtsinstrument gab: die Nebenklage. War eine Frau Nebenklägerin, konnte sie der gesamten Gerichtsverhandlung beiwohnen und über ihre Rechtsanwältin Fragen stellen, statt nach ihrer Zeugenaussage wieder aus dem Gerichtssaal geschickt zu werden. Das brachte Goy Ärger nicht nur von Richtern, die das überaus lästig fanden, sondern aus dem eigenen Lager: Weil sie als Nebenklägerin an der Seite der Staatsanwaltschaft auftrat, „beging sie in den Augen ihrer Kollektiv-Kollegen Verrat“, schreibt die Juristinnen-Zeitschrift Streit in ihrer Würdigung. Ach ja: Natürlich gehört Goy zu den Gründerinnen der Streit.

Alexandra Goy reagierte auf die Genossen-Kritik: 1977 gründete sie ein feministisches Anwältinnen-Kollektiv. Eins ihrer wichtigsten Projekte: die Reform des Vergewaltigungs-Paragraphen 177, der bis heute von der sexuellen Verfügbarkeit der Frau ausgeht. Wie skandalös Gerichte mit Opfern umgehen, entlarvte Goy im legendären „Gynäkologen-Prozess“ 1984. In einem Krankenhaus hatten zwei Ärzte eine Anästhesistin vergewaltigt. Die Verteidigung versuchte, das Opfer unglaubwürdig zu machen, indem sie das „sexuelle Vorleben“ der Frau zum zentralen Thema des Prozesses machte. „Über die von der Verteidigung behauptete Unglaubwürdigkeit der Nebenklägerin wurde an 13 Tagen verhandelt, über den Tatbestand drei Tage“, schrieb Nebenklage-Vertreterin Goy nach dem Freispruch der Täter in der Kritischen Justiz.

Dass sie in den Prozessen kein Blatt vor den Mund nahm, brachte ihr etliche so genannte „Ehrengerichtsverfahren“ und insgesamt etwa 18.000 Mark Bußgeldzahlungen ein. Den Mund hielt sie deshalb trotzdem nicht. „Die anderen haben nur aufgehört, mich deshalb vor Gericht zu zerren“, sagt sie. 

Welchen Menschen-
rechten fühlen sich die Kolleginnen verpflichtet?

Jüngst mischte sich Juristin Goy wieder in eine aktuelle Debatte ein. Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) hat in einer Stellungnahme zur Reform des Prostitutionsgesetzes erklärt: „Prostitution als frei gewählte Erwerbstätigkeit ist zu respektieren.“ Die Bestrafung von Freiern nach dem Schwedischen Modell lehnt der DJB als „Eingriff in die Berufsfreiheit“ nach Art. 12 ab. Der Juristinnenbund lehnt außerdem eine Anmeldepflicht für Frauen in der Prostitution ebenso ab wie eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung und eine Kondompflicht. Die Stellungnahme hatte der DJB nach einer „Anhörung“ mit Beratungsstellen und „Vertreterinnen der Verbände der Sexarbeiterinnen“ verfasst. 

Juristin Goy protestiert: „Ich frage mich, welchen Grund- und Menschenrechten sich die Kolleginnen verpflichtet fühlen. Mit dem Ziel des DJB, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen, ist sie nicht vereinbar.“ Und weiter: „Zwangsprostitution kann nur stattfinden, wo Prostitution legal ist. Sie ist die am längsten tradierte Form sexueller Ausbeutung von Frauen und Mädchen und Ursache des grundlegenden Machtunterschieds zwischen den Geschlechtern. Sie führt zu der Fiktion der jederzeitigen sexuellen Verfügbarkeit von Frauen.“

Ganz klar: Alexandra Goy bleibt unbequem.

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