Der Cartoonist traut sich was
Während der homophobe Harald Schmidt seine "nötige Portion Feigheit" kultiviert, riskiert der homosexuelle Zeichner Ralf König, "was aufs Maul zu kriegen".
25 Jahre lang war es Ralf König "völlig wurscht", ob sich irgendwer von seinen Comics brüskiert, schockiert oder beleidigt gefühlt hätte. In seinen Geschichten kopulierten seine männlichen, sexbesessenen, aber irgendwie liebenswerten Knollennasen, was das Zeug hält, und erfreuten sich an prallen Hintern und harten Pimmeln. Die Zeugen Jehovas, die Jungfrau Maria, der liebe Gott – sie alle cruisen, natürlich mit Knollennase, im König’schen Universum. Gott mit gegeltem Haar und Dreitagebart, um sich aus gegebenem Anlass etwas moderner zu geben. So what?
Und dann das. Bei einem seiner letzten Comics, den er im Sommer 2004 zeichnete, hatte Ralf König plötzlich und zum allerersten Mal die "Schere im Kopf". Denn diesmal hatte der bekennend schwule Zeichner nicht nur Pimmel und Poppers zu Papier gebracht, sondern auch Burkas und Bärtige. Thema dieses Buches 'Dschinn Dschinn' ist der islamische Fundamentalismus. Im Reiche Waschmitdash des Abdullah Abba Schachmatt ist dem Mufti der Erzengel Hirsemeel erschienen und hat dem Herrscher seine Gebote verkündet: Verbot von Fußball, Rasiergeschäum, Getrommel und Geflöt. Frauen unter Gartenmüllsäcke, auf dass sie nicht den Männern die Köpfe verdrehen oder Volkshochschulkurse besuchen.
"Ich hab mich bei jeder Sprechblase gefragt: Darf ich 'Islam' sagen, darf ich 'Allah' sagen, darf ich 'Scharia' sagen?" Dann kam auch noch der sogenannte Karikaturenstreit. "Und als ich mitkriegte, wie sich alle duckten und sich dafür entschuldigten, dass wir Meinungs- und Pressefreiheit haben – da bin ich geplatzt!"
Innerhalb weniger Stunden fabrizierte der Cartoonist sechs Karikaturen über den Karikaturenstreit (Seite 93). "Ich dachte: Es müssen doch jetzt Karikaturisten auf der ganzen Welt Zeichnungen zum Thema veröffentlichen!" Aber die Solidaritätsbekundungen mit dem gehetzten dänischen Kollegen blieben aus. Nicht zuletzt deshalb, weil Redaktionen sich wegduckten. Das Magazin Cicero zum Beispiel zeigte sich zunächst begeistert von Königs Cartoons – um sich tags darauf wieder "zurück zu hüsteln". Und während Chefsatiriker Harald Schmidt über seine "nötige Portion Feigheit" intellektualisiert, sitzt Cartoonist König stocksauer und auch ein bisschen traurig auf seinem Sofa und fragt sich: "Was sind denn das für Weicheier?"
Hat er denn keine Angst? Er will einfach keine haben. Obwohl Hoomosexuelle wie er in den Gottesstaaten gesteinigt werden. Aber vielleicht ist es auch einfach ein Unterschied, ob man sich, wie der saturierte homophobe Familienvater Schmidt, seinen höchstdotierten Platz an der Sonne sichern möchte oder, wie König, gewohnt ist, "als Schwuler was aufs Maul zu kriegen". Wie jüngst an Karneval, als der Wahlkölner und ein Freund mit Perücke und Plastikbrüsten in der Straßenbahn von ein paar Türkenjungs angepöbelt wurden: "Du bist eine Beleidigung von dem Gott!"
Ralf König ist 1960 geboren. Sein Coming out in den späten 70ern fiel ergo in eine Zeit, in der die Homoehe noch Utopie und Schwulenklatschen auch im Westen noch ein beliebter Sport war. Im westfälischen Soest war Homosexualität nicht ganz so angesagt wie in dem hippen Kölner Viertel, in dem König heute lebt. Auch die Begeisterung des Schreinermeisters, bei dem der pubertierende Ralf seine Lehre absolvierte, hielt sich in Grenzen. Mit 21 flüchtete der Tischler, der nebenbei schon erste Cartoons in der Schwulenzeitschrift Rosa Flieder veröffentlicht hatte, nach Düsseldorf, um Kunst zu studieren. Es war auch die Zeit der politischen Schwulenbewegung, in der sich Ralf König engagierte. Weshalb er heute regelmäßig die aufgedonnderten Tunten, die "aus purer Eitelkeit und ohne jede Botschaft" über den CSD stolzieren, per Cartoon aufspießt.
Die Science-Fiction-Ergüsse und Gewaltorgien seiner Kollegen findet der Alltagschronist "infantile Scheiße". Denn Poppen hin, Pimmel her, Königs Geschichten waren immer selbstironisch, hintergründig und intelligent. Das fanden schließlich auch die Heteros: 1987 kam der große Durchbruch mit 'Der bewegte Mann', der 1994 von Sönke Wortmann verfilmt wurde. Sieben Millionen mal gingen Ralf Königs Bücher seither über den Ladentisch.
Und jetzt ist der erfolgreichste Schwulencomic-Zeichner der Welt nach eigenem Bekunden "in der Midlife-Crisis". Und er findet das gar nicht lustig. Ist es auch nicht, vor allem dann nicht, wenn man homosexuell ist und ein Mann und es daher mit einer gnadenlos jugendkultigen Szene zu tun hat. Da ist man mit 46 steinalt. Gut an diesem "Wendepunkt" ist allerdings – zumindest für Außenstehende – dass Königs Blick auf Frauen sich verändert hat. Die kamen bis dato, wenn überhaupt, als grimmige Kampflesben oder hysterische Heteras vor. "Das war meine kleine Rache an den Mädels, die mir früher immer die Jungs weggeschnappt haben, in die ich verliebt war", feixt er. "Aber eigentlich habe ich die hysterische Frauenfeindlichkeit der Schwulen karikiert."
Jetzt karikiert er die Frauenfeindlichkeit islamistischer Staaten. "Das sind faschistoide Systeme." Für diese Diagnose "reicht es doch schon, dass sie die Hälfte der Bevölkerung unter ein Tuch stecken!" Kürzlich hat er in Köln zum ersten Mal Frauen unter der Burka gesehen. "Das ist ein Anblick, der in unserem Stadtbild nichts zu suchen hat!" Manchmal wundert er sich auf seine alten Tage über sich selbst. Zum Beispiel, wenn er, bei Christiansen eine Diskussion über den Karikaturenstreit sieht und zugeben muss, "dass nur der Typ von der CDU vernünftige Sachen dazu sagt". Übrigens: Gerade hat Ralf König für sein Engagement im Karikaturenstreit den 'Max-und-Moritz-Preis' bekommen. Vielleicht ist so eine Midlife-Crisis ja doch für was gut.
Chantal Louis, EMMA 5/2006
Ralf König: 'Dschinn Dschinn', Teil 1 + 2 (Rowohlt, je 9.90 Euro)