Chantal Akerman ist tot

© Bettina Flitner
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Chantal Akerman wurde 1950 als Kind ostjüdischer Emigranten in Brüssel geboren. Sie gilt als die bedeutendste Avantgarde-Filmemacherin ihrer Generation. Die Spanne von Akermans Arbeit ist weit: Sie reicht von experimentellen und Dokumentar-Filmen bis zur Hollywoodkomödie ("Eine Couch in New York"). Berühmt wird die damals 24-Jährige 1974 mit dem Spielfilm „Jeanne Dielmann“, dem „ersten weiblichen Meisterwerk in der Geschichte des Films“ (Le Monde). Der Film zeigt in monotonen Bildern drei Stunden lang drei Tage im Leben einer Brüsseler Witwe, gespielt von Delphine Seyrig. Jeanne Dielmann prostituiert sich im verwaisten Ehebett, um das Haushaltsgeld aufzubessern. Das private Drama wird öffentlich, als sie einen Freier, bei dem sie unerwartet Lust empfindet, mit der Schere ersticht.

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Dreifach fremd: als Frau, als Jüdin, als Homosexuelle.

"Jeanne Dielmann" gilt als Chiffre für die weibliche Entfremdung und Käuflichkeit, die Regisseurin selbst versteht ihn vor allem als „Hommage an meine Mutter“. Mutter und Großmutter waren nach Auschwitz deportiert worden: Die Mutter hatte mit ihrer Tochter nie über ihre Zeit im KZ gesprochen. Reden ließ Akerman 1988 Jüdinnen und Juden in ihrem dokumentarisch inszenierten Spielfilm „Histoires d’Amerique“: Sie tauchen aus einer nächtlichen Kulisse wie Erscheinungen auf und tragen auf absurde und ergreifende Weise ihre Geschichten vor.

Fünf Jahre später dreht Akerman in Belgien den ebenfalls autobiografisch geprägten Spielfilm „Portrait d’une jeune fille, de la fin des années 60 à Bruxelles“. Er erzählt die Adoleszenz eines jungen Mädchens, das dreifach fremd ist in ihrer Heimat: als Frau, als Jüdin, als Homosexuelle. In einigen der früheren Filme, die manchmal an die Grenze der Selbstentblößung gehen, spielt Akerman auch selbst. Sie machte seit 1968 mehr als 40 Filme. Noch in diesem Jahr wurden auf der Biennale in Venedig Videoinstallationen der 65-Jährigen gezeigt.

Es heißt, Chantal Akerman habe ihrem Leben, das sie trotz ihrer großen beruflichen Anerkennung und Erfolge nicht mehr tragen konnte, selbst ein Ende gesetzt.

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Chantal Akerman in Köln!

Szene aus Akermans "Jeanne Dielman" (gespielt von Delphine Seyrig).
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Unter den vielen bemerkenswerten heutigen Filmemacherinnen ist sie die kühnste: Chantal Akerman, 64, Kind überlebender Ostjuden, geboren in Brüssel, wohnhaft in Paris. Mit der von Delphine Seyrig gespielten „Jeanne Dielman, 23, Quai du Commerce, 1080 Brüssel“ hat Akerman 1975 nach Auffassung der Filmkritik „das Kino neu erfunden“.

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Jeanne Dielman zeigt drei Tage im Leben einer Frau mit ihrem Sohn, eine monotone Existenz – mit dramatischem Ende – zwischen Kartoffelschälen, Aufräumen und Gelegenheitsprostitution zum Überleben. Der Film zeigt die häuslichen Szenen teilweise in Echtzeit. Bis heute hat Akermann über vierzig Spiel- und Kurzfilme gemacht und arbeitet auch zunehmend mit Installationen. So mit ihrem 1993 gedrehten Dokumentarfilm „D’est“ (Vom Osten), in dem die Tochter KZ-Überlebender den Exodus der Ostjuden in Bilder umsetzt.

Bereits 1968 machte Akerman in Brüssel ihren selbstproduzierten Kurzfilm: „Saute Ma Ville“. Er zeigt das Coming Out der 18-Jährigen. Diese drei Filme sind die Schlüsselfilme des Werkes von Chantal Akerman. Alle drei werden am 21. und 22. November in Köln gezeigt.

Filmclub 813 - www.videonale.org

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