Die neue IG-Metall-Chefin

Foto: Barbara Zabka/Funke Foto Services/IMAGO
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Stahlwerke besucht sie gerne, mit Talkshows freundet sie sich gerade an. Kurz nach ihrer Wahl zur mächtigsten Gewerkschafterin Europas ist Christiane Benner Mitte November zu „Hart aber fair“ gegangen. Anders als ihr fernsehscheuer Vorgänger nutzte die 55-jährige Soziologin mit Apple Watch und einem Faible sowohl für Abba als auch den FC Schalke 04 die TV-Bühne für ihre zentrale Botschaft. Es brauche starke Gewerkschaften wie die IG Metall, um den anstehenden Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität im Sinne der Arbeitnehmenden zu gestalten. Auch sollen sich die Metaller wieder mehr in ihren jeweiligen Unternehmen einmischen und so zu einer Art Co-Manager werden.

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Statt ein "Sterben auf Raten" passiv zu begleiten, wurde Benner aktiv

Die Vorlage dazu hat sie beim Autozulieferer Continental schon durchexerziert. In dessen Werk in Gifhorn werden Arbeitsplätze abgebaut, nur 900 von einst 3.000 sind noch übrig. Statt nun aber als Gewerkschaft dieses „Sterben auf Raten“ passiv zu begleiten, wurde Benner aktiv.

Gemeinsam mit der Continental-Personalchefin Ariane Reinhart startete sie ein Qualifizierungsprogramm, um von Entlassung bedrohte Facharbeiter umzuschulen. Denn Benner hatte über ihre Gewerkschaftskollegen erfahren, dass der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron händeringend Facharbeiter sucht.

Auch in der Stahlindustrie werden durch den Übergang auf klimaneutrale Produktion Jobs wegfallen. Deshalb fordert die IG Metall dort den mittelfristigen Übergang auf eine Vier-Tage-Woche. „Sie will das Land verändern. Nicht ideologisch, sondern intelligent“, konstatiert das nicht unbedingt gewerkschaftsfreundliche Manager Magazin.

Benner hat eine relativ gewerkschaftstypische Karriere gemacht: Schon als Auszubildende ist sie in den Betriebsrat gegangen und hat dort die Geschäftsordnung genderneutral umgeschrieben. Es folgte ein Soziologie-Studium, das sie sowohl zu Praktika nach Südafrika als auch zu dem schwarzen Bürgerrechtler Arvis Averette nach Chicago gebracht hat.

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Von ersterem kündet noch das lebensgroße Papp-Porträt von Nelson Mandela, das sie zum 50. Geburtstag geschenkt bekommen und in ihrem Büro aufgestellt hat. Auf Mandelas Anraten hat sie einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Im rauen Chicago brauchte sie ihn nicht. Aber in Portugal im Urlaub sei er später einmal „sehr nützlich gewesen“.

Benner gilt als offen, unkompliziert und teamorientiert. Sie ist durchtrainiert, trägt ihren Business-Rucksack lässig über die Schulter. Statt wie früher Handball im Team zu spielen, geht sie joggen, macht Krafttraining, fährt Rad und ist als Mitglied des Alpenvereins gern in den Bergen unterwegs.

Seit 1997 arbeitet Benner hauptberuflich für die IG Metall. Bundesweit bekannt wurde sie durch die erfolgreiche Werbung von Beschäftigten in Firmen der Informationstechnologie. Dort haben Gewerkschaften traditionell einen schweren Stand, während in der Autoindustrie auch heute noch fast jeder Auszubildende fast automatisch Gewerkschaftsmitglied wird.

Gut möglich, dass sie den mauen Frauenanteil von 22 Prozent erhöhen wird

2011 dann wechselte sie in die IG-Metall-Zentrale nach Frankfurt, wo sie auch mit ihrem Mann wohnt. Dort lernte sie schnell, sich in der männlich dominierten Organisation durchzusetzen. „Ich kann mit Macht durchaus etwas anfangen“, sagte sie. Als ihr Vorgänger sie zur DGB-Chefin wegloben wollte, ließ sie das Ansinnen gekonnt ins Leere laufen. Jetzt ist mit Yasmin Fahimi dort eine weitere Frau Chefin, auch den mächtigen Betriebsrat von Volkswagen führt mit Daniela Cavallo eine Frau.

Gut möglich also, dass sich der bislang mit 22 Prozent eher maue Frauenanteil in der IG Metall in Zukunft erhöhen wird. Die selbst auferlegte Quote von 30 Prozent bei den von der Gewerkschaft besetzten Aufsichtsratsposten hat die Organisation bereits geschafft. Und nun hat die mächtigste und männlichste Gewerkschaft Europas erstmalig in der Geschichte eine Frau an der Spitze – noch dazu eine mit Nerven aus Stahl.

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