Corine Mauch: Die Stadtpräsidentin
Der 29. März: Orange der Mantel, bunt der Blumenstrauß, den sie stolz in die Höhe reckt, strahlend das Lächeln und ohne Ende der Applaus der Genossinnen und Genossen, die Corine Mauch, ihre neue Stadtpräsidentin von Zürich, im Restaurant Volkshaus zur Wahlfeier empfangen. Der zweite Wahlgang ist gewonnen, die Gegenkandidatin Kathrin Martelli, seit 14 Jahren Stadträtin der Schweizer FDP, klar geschlagen.
Genau vier Wochen nach dem Wahlsieg, am 29. April, hält Corine Mauch, 48, erste Stadtpräsidentin und erstes offen homosexuelle Mitglied des neunköpfigen Zürcher Stadtrates, die Jubiläumsrede zum 10. "Pink Apple" in Zürich, dem größten schwul-lesbischen Filmfestival der Schweiz.
Die Community wird sich den Auftritt der neuen Bürgermeisterin kaum entgehen lassen, schließlich gilt Zürich als die heimliche Homo-Hauptstadt. Und mit Mauch an der Spitze zieht die Schweizer Kapitale nun gleich mit Berlin, Hamburg und Paris. Da regieren auch Homosexuelle, allerdings ausschließlich Männer.
Corine Mauchs gelassene Souveränität ist kein Zufall. Sie ist in der Schweiz und in den USA aufgewachsen, von Beruf Agrarökonomin und hat dann noch ein Studium in Politik- und Verwaltungswissenschaften absolviert. Und in ihrer Freizeit gibt sie die Bassistin in einer Frauenrockband. Zuletzt hat sie als Projektleiterin bei den Parlamentsdiensten in der Regierungshauptstadt Bern gearbeitet. Ihrem Job als Chefin der Schweizer Stadt mit dem drittgrößten Budget, nach Bern und Genf, über 8 Milliarden Franken im Jahr, ist Mauch also durchaus gewachsen.
"Ich habe einen kurvenreichen Berufsweg zurückgelegt, was für Frauen vielfach typisch ist", sagt sie. Sie war die erste Umwelt- und Abfallbeauftragte der Stadt Uster, danach arbeitete sie als Oberassistentin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Lausanne, in verschiedenen privaten Planungs- und Beratungsbüros. Ein gescheites Haus, diese Frau, zweifellos. Und schlagfertig dazu. Unvergessen etwa ihre Antwort bei einem Podiumsgespräch im Wahlkampf: Ob sie damals, als sie auf einer Alp arbeitete, etwas gelernt habe, was ihr fürs Stadtpräsidium nützen könnte, wollte der Moderator wissen. "Ja, Käse herstellen!", antwortete die Kandidatin trocken.
Weniger kurvenreich als die berufliche präsentiert sich Mauchs politische Karriere: Von 1999 bis zur Wahl zur Stadtpräsidentin war sie Mitglied des Stadtzürcher Parlaments, wo sie jahrelang Mitglied und später Präsidentin der Rechnungsprüfungskommission war und zuletzt auch Präsidentin der SP-Fraktion. Und wer sich fragt, wie es diese so unkonventionell lebende Frau mit an die Spitze der größten Schweizer Stadt schaffen konnte, findet auch darin einen Teil der Antwort: Kontinuierlich gute Arbeit leisten, das zahlt sich aus – und lässt die Skeptiker unter den WählerInnen verkraften, dass diese gute Arbeiterin ein Leben führt, das nicht unbedingt dem von Helga Normalverbraucherin entspricht.
Als Stadtpräsidentin ist Corine Mauch unter anderem für das kulturelle Leben in Zürich zuständig. Wie früher mit Freundinnen Kulturreisen machen, nach Kassel an die Documenta zu fahren, nach Stuttgart ins Theater oder zur Biennale in Venedig, dafür wird die Zürcher Bürgermeisterin kaum mehr Zeit haben. Auch in den Bergen wird sie seltener wandern. Eher noch Grünzeug anpflanzen auf dem Balkon – und ihre Liebe zur Musik pflegen. Als Bassistin der Frauenband "Trugschluss" spielte sie auch während des Wahlkampfes in einem angesagten kleinen Klub in Zürich-West. Jeden einzelnen Ton exakt getroffen hätten die Ladys zwar nicht, die Stimmung aber sei hervorragend gewesen, merkten die gestrengen Herren Musikkritiker nach dem Auftritt an.
Natürlich war es zu Beginn des Wahlkampfes Thema, dass Corine Mauch mit einer Frau zusammen lebt. Sie ist seit 15 Jahren mit Juliana Müller zusammen, und in ihrem Umfeld, auch im Haus, wissen alle, dass sie und Juliana Müller ein Paar sind. Trotzdem stießen die nachhakenden JournalistInnen auf Granit. In ihrer gewohnt gelassenen Art lieferte Corine Mauch sinngemäß das immer selbe Statement: Sie bewerbe sich als die Person, die sie sei, mit den Fähigkeiten, die sie habe, um dieses politische Amt. Dem sei nichts hinzuzufügen. Damit war der ‚Skandal‘ gegessen.
Im Parlament fiel Corine Mauch bisher hauptsächlich durch ihr Engagement bei Umweltthemen und ihr Händchen für Zahlen auf. Sie ist aber auch Mit-Urheberin einer aktuellen Initiative für zahlbare Wohnungen und Gewerberäume innerhalb der Stadt Zürich. Die Wohnungsnot in Zürich dürfte sie auch als Stadtpräsidentin ebenso beschäftigen wie das Defizit, das die Bankenkrise der Stadt beschert hat. Die neue Stadtpräsidentin hat sich soziale Gerechtigkeit auf die Fahne geschrieben, gesellschaftliche Verantwortung, ökologische Vernunft. Und ihr glaubt man, dass sie das ernst meint.
Ein Thema war gleich nach Mauchs Wahl, wie sie’s wohl mit dem Sechseläuten halten wird, dem traditionsreichen Umzug zum Frühlingsbeginn im April? In diesem Jahr sei sie schon anderweitig vergeben, ließ die frischgewählte Stadtpräsidentin wissen. Aber im nächsten Jahr könne sie sich sehr gut vorstellen, bei einer der traditionsreichen Männerzünfte mitzulaufen, die bisher für Frauen tabu sind: "Und mit den Männern darüber reden, warum sie noch immer keine Frauen aufnehmen."