Corona: Männer-Gewalt steigt!
Die gute Nachricht zuerst: Bundesfrauenministerin Franziska Giffey handelt! Gemeinsam mit den 16 Frauen- und Gleichstellungsministerinnen der Länder hat sie angekündigt, Frauen und Kinder besser vor der steigenden Männergewalt schützen zu wollen. Dazu sollen unter anderem leerstehende Hotels und Ferienwohnungen angemietet werden, in denen die auch ohne Corona schon überfüllten Frauenhäuser Frauen und Kinder unterbringen können.
Giffey: "Es ist die Zeit für pragmatische und unkonventionelle Lösungen"
„Es ist wichtig, dass Frauen jetzt schnell und unbürokratisch Schutz und Beratung bekommen. Frauen, die zuhause Gewalt erfahren, brauchen Rettungsanker wie das Hilfetelefon oder einen sicheren Zufluchtsort“, erklärt die Ministerin. Es sei jetzt „die Zeit für pragmatische und unkonventionelle Lösungen. Da wo Hilfe gebraucht wird, muss geholfen werden.“
In der Tat. Denn wo Familien auf engem Raum aufeinanderhängen müssen, steigt die Männergewalt. Die endete für Frauen 2019 allein in Deutschland 122 mal tödlich. Weitere 51 Frauen starben allein schon in diesem Jahr durch die Hand ihrer eigenen (Ex)Männer. Jeden zweiten Tag eine.
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Die Frauenhäuser schlugen Alarm: „Die ohnehin unterfinanzierten und mangelhaft ausgestatteten Frauenhäuser werden in absehbarer Zeit an ihre Grenzen kommen“, hatte die Zentrale Informationsstelle der autonomen Frauenhäuser (ZIF) schon am 19. März erklärt. Diese Befürchtung hat sich nach wenigen Tagen Ausgangsbeschränkungen bestätigt. „Wir haben enorme Probleme, weil viele Frauenhäuser Aufnahmestopps verhängen mussten“, erklärt Heike Herold, die Sprecherin der Frauenhauskoordinierung, dem Dachverband der Frauenhäuser in Trägerschaft von Diakonie, AWo & Co. Wegen der Vorgaben zum Infektionsschutz können Zimmer nur noch mit je einer Frau und ggf. ihren Kindern belegt werden. Viele Häuser sind ohnehin schon voll belegt. Und natürlich besteht die Gefahr, dass Frauenhäuser, in denen Corona-Fälle auftreten, ganz geschlossen werden müssen.
Zuständig sind jetzt die Länder und Kommunen. Wie geht es weiter?
Deshalb hatten die Frauenhäuser Unterstützung durch die Politik gefordert. Die müsse „eine unkomplizierte Aufnahme von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern ermöglichen und diesen z.B in einem Hotel finanzieren“. Diese Forderung hat Ministerin Giffey jetzt unbürokratisch aufgegriffen.
Die nicht ganz so gute Nachricht: Die Bundesministerin delegiert diese Aufgabe an Länder und Kommunen. Denn: Frauenhäuser sind Ländersache. Wie geht es also jetzt weiter? An wen können sich die Frauenhäuser wenden? Noch herrscht allgemeine Ratlosigkeit.
Eva Risse vom Bonner Frauenhaus hat heute eine Mail an die zuständige Mitarbeiterin der Stadt geschrieben und wartet auf Antwort. Davor hat sie die virtuelle Ampel, die im Internet anzeigt, ob im Frauenhaus aktuell ein Platz frei ist, von rot auf grün gestellt. Eine Frau, die sich gestern abend angemeldet hatte, hat heute überraschend wieder abgesagt. Einer von 22 Plätzen ist also dem Bonner Frauenhaus gerade nicht belegt. Aber Risse weiß: „Wenn ich die Ampel auf grün schalte, ist das Zimmer am nächsten Tag sofort belegt und ich kriege 20 weitere Anrufe von Frauen, die es auch haben möchten.“ 442 Frauen hat allein das Bonner Frauenhaus im letzten Jahr abweisen müssen. Ohne Corona.
"Es ist sehr schwierig zu gehen, wenn der Mann die ganze Zeit zu Hause hockt"
Dabei, sagt Eva Risse, die auf 35 Jahre Frauenhaus-Erfahrung zurückblicken kann, kämen wegen Corona viele Frauen eben nicht, die eigentlich rausmüssten aus dem Gewalt-Käfig. Sie haben Angst, sich zu infizieren. Und: „Es ist sehr schwierig zu gehen, wenn der Mann die ganze Zeit zu Hause hockt.“ Zur Zeit hätten die Frauen "die Wahl zwischen Pest und Cholera: Stecke ich mich jetzt an – oder lasse ich mich schlagen?"
Zum Schluss eine wirklich gute Nachricht: Ein Bonner Hotelier hat im Frauenhaus angerufen. Sein Haus stehe leer, falls Zimmer benötigt würden... „Ich stelle sie gern zur Verfügung.“ Solche Hoteliers gibt es auch. Hoffentlich werden sie mehr! Und kommen auch Nachbarn dazu, die nicht länger wegsehen und weghören wollen.