Crime has a Gender, Europol!
Zunächst sind die Gesuchten auf der Kampagnen-Website hinter einer Maske verborgen. „Scroll down to read more“, fordert Europol auf. Scrollt man also dann herunter, erscheint in 18 von 21 Fällen – eine Frau. Elisabeth Gertrude Skarits zum Beispiel, 63, Österreicherin, gesucht wegen schweren Betrugs. Oder Zorka Rogic, 28, Kroatin, gesucht wegen Drogen- und Waffenhandels. Oder Elisaneth Dizon Honrada, Philippinin, gesucht von den Niederlanden wegen Drogenhandels. Der Claim der Kampagne: „Crime has no Gender“. Verbrechen hat kein Geschlecht. Erstaunlich, dass ausgerechnet Europol diese Behauptung in die Welt setzt, denn die Beweislage spricht komplett dagegen.
Allen voran die Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, die klipp und klar feststellt: „Die Kriminalitätsbelastung der Frauen ist in allen Altersgruppen erheblich geringer als die der jeweiligen männlichen Altersgruppen.“ Zahlen gefällig? Gefährliche und schwere Körperverletzung: 84,3 Prozent männliche Tatverdächtige. Mord und Totschlag: 88,5 Prozent männliche Tatverdächtige. Straftaten gegen das Sprengstoff-, das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz: 90,5 Prozent männliche Tatverdächtige. Raubdelikte: 90,7 Prozent männliche Tatverdächtige. Vergewaltigung: 98,7 Prozent männliche Tatverdächtige. Und so weiter.
Acht Prozent der Gefängnisinnsassen sind weiblich
Drei Viertel aller Tatverdächtigen bei Straftaten sind Männer. Und bei welcher Straftat ist der Anteil weiblicher Verdächtiger am höchsten? Bei Beleidigung. Dafür versucht in Deutschland jeden Tag, ein Mann, seine (Ex)Frau umzubringen. Fast jeden zweiten Tag gelingt es ihm.
Kommen wir zu denen, die für ihre Straftaten im Gefängnis sitzen. Das sind in Deutschland aktuell 40.888 Männer und 3.225 Frauen. Heißt: Nicht mal acht Prozent der Gefängnisinsassen sind weiblich. 559 Straftäter sind dauerhaft so gefährlich, dass sie in Sicherungsverwahrung sitzen. Und eine Straftäterin. Soweit die Fakten.
Der Zweck heiligt angeblich die Mittel. Den Zweck dieser Kampagne hat Europol klar definiert: „Das Ziel ist, so viele Besucher wie möglich auf die Website 'eumostwanted' zu bringen.“ Diese Website soll dazu dienen, Europas meistgesuchte VerbrecherInnen zu fassen, indem Menschen die Gesuchten erkennen und der Polizei Hinweise auf sie geben. So weit, so löblich.
Medien übernehmen die Falschmeldung
Nun allerdings führt der Claim dazu, dass viele Medien die Falschmeldung unhinterfragt – oder vielleicht sogar mit einer gewissen Genugtuung – verbreiten. „Gewalt und Kriminalität gelten bei vielen als männlich. Doch dieser Vorstellung widerspricht nicht nur die Realität, sondern auch die europäische Polizeibehörde Europol“, schreibt zum Beispiel der Stern. Die Realität allerdings widerspricht eindeutig Europol. Europol selbst erklärt, dass die Anzahl krimineller Frauen steige – aber nicht so stark wie die der kriminellen Männer.
Warum ist das wichtig? Nicht, weil Frauen qua Natur die besseren Menschen sind. Sondern, weil diese Kampagne in eine bestimmte Kategorie fällt. Nämlich in diese: Vor allem Frauen sind Opfer von Beziehungsgewalt? Ach was, auch Frauen schlagen ihre Männer! Schwarze Menschen sind Opfer von Rassismus? Ach was, auch Schwarze diskriminieren Weiße! Stimmt im Einzelfall, verschleiert aber die Machtverhältnisse.
Schade, dass Europol dabei mitmacht.