Das Patriarchat macht krank
Ich habe nicht Rücken, ich habe auch nicht Kopf, ich habe nicht mal Knie. Ich habe Patriarchat. Diese Selbstdiagnose könnte sich wohl so ziemlich jede Frau stellen.
Wie ein Tumor strahlt das Patriarchat in alle Bereiche des täglichen Lebens von Frauen. Es verweigert ihnen alles, was mit Macht, Prestige und Reichtum zu tun hat. Es sorgt dafür, dass sie weniger Geld verdienen, dass ihre Arbeit keine Anerkennung findet, dass sie sich Schönheitsnormen unterwerfen und mit ihrem Körper unzufrieden sind, und dass sie aus der Geschichte ausradiert werden. Und es gibt ihnen zeitlebens das allgegenwärtige Gefühl, immer ein bisschen weniger wert zu sein als ein Mann.
Das Wissen darum frisst sich durch ihren Körper, nagt an ihrer Würde, ihrem Stolz und an ihrer Psyche. Es ist gefährlich, eine Frau zu sein. Flankierend dazu hat das Patriarchat eine Kultur des Wegschauens installiert. Das erhält ohne große Anstrengung die Macht.
Aber was wäre, wenn frau das Patriarchat nicht als gottgegebene Gewaltenteilung in der Welt hinnehmen, sondern als eine durch Männer entstandene Krankheit erkennen würde?
Diese Frage stellt die Österreicherin Beatrice Frasl in ihrem Buch „Patriarchale Belastungsstörung“. Die Kulturwissenschaftlerin plädiert dafür, Gesundheit genau wie Kapital, Raum oder Zeit nicht als Privatsache, sondern als Politikum zu begreifen. Geschlecht, Klasse und Psyche stehen in direktem Zusammenhang. Zwangsläufig ist im Patriarchat auch die Gesundheit nicht fair verteilt. Die muss man sich schließlich leisten können. Wer immer stärker belastet wird als der andere, der erkrankt höchstwahrscheinlich auch früher.
Frasl: „Frauen führen zwangsläufig die belasteteren Leben. Und neben den sozioökonomischen Faktoren kommt auch noch Gewalt hinzu, von der Frauen in viel höherem Maß als Männer betroffen sind. Wir werden schon allein durch das Gefühl sozialisiert, Opfer werden zu können“, sagt Beatrice Frasl. Das präge die Psyche grundlegend mit.
Verkürzt gesagt, macht das auch die Ehe zwischen Frau und Mann. Dutzende Studien zeigen, dass die Institution Ehe Männer psychisch gesünder, Frauen aber kränker macht. „Paarbeziehungen und die Dynamiken in ihnen sind ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Depressionen, Schizophrenie, Anorexie, Angsterkrankungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Ehen mit Männern sind für Frauen also echte Risikofaktoren“, schreibt die Kulturwissenschaftlerin. Sie hat aufwendige Recherche betrieben, Statistiken, Studien, Fallzahlen zusammengetragen. Es schockiert, so geballt mit Zahlen untermauert vorgelegt zu bekommen, wie wenig in Österreich (in Deutschland ist es nicht anders) für die psychische Gesundheit von Frauen getan wird.
Damit muss Schluss sein.
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Patriarchale Belastungsstörung - Geschlecht, Klasse und Psyche (Haymon). - Mehr von Beatrice Frasel in ihrem Podcast "Große Töchter".