Das so genannte Steuersplitting

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Männer und Minister, Prominente und Richter profitieren allesamt vom "Steuersplitting" der Bundesregierung. Daß alleinstehende Mütter mal wieder das Nachsehen haben, zeigt Elisabeth Negendanck in ihrem Bericht.

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Die Erhebung einer Hundesteuer, hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich entschieden, verstößt nicht schon deswegen gegen das Gleichheitsprinzip, weil das Halten von - zum Beispiel - Pferden nicht besteuert wird. Einige Tiere sind also, das wußte schon Orwell, "gleicher als die anderen".
Einige Menschen auch. Zum Beispiel sind vor deutschen Gerichten Gattinnen gleicher als Frauen, und "intakte" Ehen gleicher als "zerbrochene" - von "Voll"- und "Halb"-Familien zu schweigen. Die weniger Gleichen dürfen vom Fiskus mehr geschröpft werden, womit der Vergleich zu Pferd und Hund sich rundet.
Die "Hunde" aber wollen neuerdings nicht mehr zahlen als die "Pferde", das heißt, Frauen mit Kindern wehren sich gegen die Strafen, die ihnen Finanzämter aufbrummen, weil sie nicht Ehefrauen sind. Da ist die geschiedene Mutter Heike M. aus Hamburg, 38 Jahre alt, ein Kind und berufstätig.
Schon 1974 fiel ihr auf, daß sie 703 Mark mehr Steuern zahlen sollte als ein Ehepaar in vergleichbarer Lage: Hätte Heike statt mit ihrem 8jährigen Sohn mit einem nicht erwerbstätigen Ehemann zusammengelebt, dann hätte sie nicht nur den Kinderhort und Babysitter gespart, sondern mit ihrem Gemahl noch zusätzliche 700 Mark im Jahr verfrühstücken können.
Die geschiedene Mutter Heike M. wird nämlich, wie alle Alleinstehenden mit Kindern, nach der ungünstigeren Steuerklasse II veranlagt. Eine Ehefrau Heike dürfte - Kind hin, Kind her - nach Klasse III versteuern, das heißt, sie dürfte ihr Einkommen mit dem ihres Mannes zusammenzählen, durch zwei teilen und dann so versteuern, als hätte jeder die Hälfte erwirtschaftet.
Ein Beispiel: Er verdient ganz gut, nämlich 50 000 brutto im Jahr. Sie verdient null Mark, wärmt ihm dafür zu Haus die Pantoffeln vor. Das Finanzamt zählt seine 50 000 und ihre null Mark zusammen, obwohl es da eigentlich nichts zusammenzuzählen gibt und teilt - "splittet" - die Summe durch zwei.
Jeder versteuert dann 25 000 Mark. Jeder zahlt 4334 Mark Steuern, zusammen entrichtet das Ehepaar 8668 Mark im Jahr. Ein Mensch, meist eine Frau, die "nur" ein Kind hat, zahlt bei gleichem Einkommen 12 934 Mark Steuern, mithin 4266 Mark Strafe fürs Nichtverheiratetsein. So manche Frau verdient im ganzen Jahr nicht mehr als diese viertausend Mark, die das Ganze nennt spart, und das Ganze nennt sich "Ehegattensplitting" und kostet den Staat jährliche Mindereinnahmen von 27 Milliarden (!) Mark.
Heike M. und viele weitere unverheiratete oder nicht mehr verheiratete Mütter klagen deshalb vor den Finanzgerichten von Hamburg bis München. Einer ihrer Beweisgründe: Nach Artikel 3 der Verfassung ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich") dürfen nicht "Ehegatten", zumal kinderlose, weniger Steuern zahlen als Frauen und Männer, die allein Kinder großziehen.
Bisher haben alle Finanz-Instanzen diese Klagen zurückgewiesen, und das Bundesverfassungsgericht hat eine erste Beschwerde 1977 gar nicht erst angenommen. "Keine hinreichende Aussicht auf Erfolg", war die kühle Begründung. Atemberaubend ist aber, was deutsche Finanzbeamte und Richter bisher schon alles von sich gegeben haben, um deutlich zu machen, was sie sich über Ehe und Familie für Gedanken machen und wie sie über Familien denken, die nicht zugleich auch "Ehen" sind.
So bekam die geschiedene Steuerbevollmächtigte Karin Ludewig in Berlin gesagt, sie und ihre neunjährigen Zwillingstöchter lebten "weder in einer Ehe noch in einer Familie", denn zu einer solchen gehörten "Frau, Mann und zumindest ein Kind". (Verfassungskommentare sehen das zwar etwas anders, einen Verwaltungsbeamten aber stört das gar nicht.)
Die Journalistin Sophie Behr, ledig, ein Kind, erfuhr, daß Mütter "den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft" (Artikel 6 Grundgesetz) nur in "Notzeiten", wie "Niederkunft, Stillzeit und Witwenstand", beanspruchen können. Auch solle sie froh sein, "jedenfalls für einen nicht verdienenden Ehegatten nichts aufwenden" zu müssen (mit 3000 Mark Splittingvorteil im Jahr wäre der ganz gut bedient).
Heike M. schließlich und mit ihr Hunderttausende geschiedener Frauen in der Bundesrepublik, die arbeiten und allein Kinder versorgen, kriegte es schriftlich: Eine "intakte Ehe" darf "steuerlich besser behandelt" werden "als eine zerbrochene". Der Verfassungssatz von der Gleichheit "verbietet lediglich, wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich zu behandeln".
Noch einmal: Geschiedene Frauen "mit verheirateten Personen zu vergleichen", ist "nicht zulässig" - wie Pferd und Hund? Die Ehe als hochsubventioniertes Roß, alleinstehende Frauen mit Kind als arme Hunde, die trotz anerkannt ungünstigerer Ausgangslage schärfer besteuert werden - ein dicker Hund! ...der sich wohl auch dadurch erklären läßt, daß Männer und Minister, Prominente und Präsidenten - auch Richter - diejenigen sind, die am meisten vom Splitting profitieren.
Elisabet Negendanck, EMMA 2/79

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