Bärenstark! Pippi wird 75 Jahre alt!

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Sie ist - wenigstens nach landläufigen Maßstäben - durchaus nicht niedlich. Aber ihr großer Mund und ihre Sommersprossen beeinträchtigen ihr Selbstgefühl überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie mag sich sehr. Unordentlich ist sie auch und hat überhaupt keinen Sinn für Pflicht und Anstand. Sie benimmt sich in Gesellschaft Erwachsener - wie diese das zu nennen pflegen - "unmöglich" und geniert sich dennoch gar nicht. Dazu lügt sie noch wie gedruckt, erzählt Phantasiegeschichten und führt Erwachsene mit ihren scheinbar harmlosen Bemerkungen an der Nase herum.

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Astrid Lindgrens Tochter erfand
den skurrilen Namen

Sie ist überhaupt nicht vernünftig und tut sehr oft gerade das, was Erwachsene Kindern meist "in ihrem eigenen Interesse" zu verbieten pflegen, und doch hat sie keine unangenehmen Folgen zu tragen. Sie einzuschüchtern, gar in ihr Schuldgefühle zu wecken, ist schlichtweg unmöglich. Sie hat ein weiches Herz und ist andern Kindern gegenüber unheimlich großzügig. Zu ihrer Unbescheidenheit und ihrer Keckheit gesellt sich noch eine Lust auf Abenteuer und möglichst viel Spaß. Und schließlich ist sie (natürlich) auch viel stärker als alle andern, stärker als Polizisten und Räuber, als Schullehrer und Spekulanten und mit neun auch fast schon stärker als ihr Supervater, der wunderbare Kapitän und König, der ihr dann und wann einen freundlichen Besuch abstattet und sie im übrigen in Ruhe läßt.

Pippi, das Überkind, das Supermädchen, ist die erste und auch die markanteste Figur, die Astrid Lindgren geschaffen hat. Vor rund 30 Jahren begann sie ihren Siegeszug in unzähligen Büchern und zahlreichen Übersetzungen. Ihr Alter ist erstaunlich, denn dieses rothaarige Kind, das mit seinen Abenteuern so vielen andern Kindern Freude bereitet, könnte von Feministinnen in den siebziger Jahren als Identifikationsfigur für kleine Mädchen erfunden worden sein. Ein kleines Mädchen, Astrid Lindgrens siebenjährige Tochter, erfand 1941 den skurrilen Namen. "Erzähl mir etwas von Pippi Langstrumpf" bat sie ihre Mutter, weil sie sich - mit Fieber im Bett - langweilte. Astrid Lindgren begann spontan zu fabulieren. Erst einige Jahre später, als sie selbst im Bett liegen musste, schrieb sie die Geschichten auf.

1945 erschien "Pippi Langstrumpf" erstmals auf Schwedisch und 1949 auf Deutsch. Sie erntete zugleich höchstes Lob und vernichtende Kritik. Von professionellen Erziehern wurde sie als "jugendgefährdend" und "gewollt originell" abgetan. Damit wurde der einzigartige Charakter dieses Kinderbuches quittiert, denn einzigartig war es vor allem zu einer Zeit, da Begriffe wie "freie Erziehung" und "Erziehung zur Autonomie" für die Mehrheit der Menschen Fremdworte und Modeworte wie "antiautoritär" oder "emanzipatorisch" noch gar nicht erfunden waren.

Pippi ist eine Ausnahmefigur
in der Flut der Kinderbücher

Pippi war und ist eine der seltenen Ausnahmefiguren in der großen Flut der Kinderbücher und Kindergeschichten. In den 40er Jahren konzentrierten sich die meisten Kinderbuchautoren noch ganz offen auf Geschichten mit dem Ziele, Kinder auf eine von Erwachsenen als richtig erkannte Moral hin zu trimmen. Das geschah offen oder raffiniert verbrämt. Auch wenn sogenannt frei fabuliert wurde, so siegte doch meist eine Art von Ästethik, Humor oder Romantik, die von der Optik des Erwachsenen bestimmt war und von dem, was er für "kindlich" hielt. Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse, wobei das Gute jeweils zu siegen hatte, waren an der Tagesordnung. Die Welt war eingeteilt in Garstige und Freundliche, Gehorsame und Freche, Grausame und Gütige.

In vielen Kinderbüchern ist das bis heute so geblieben, auch in sogenannten progressiven Büchern. Das "Gute", das zu siegen hat, von dem man das Kind überzeugen will, hat nur immer wieder seine Gestalt verändert. Wo früher, in Pippis "Jugendzeit", vielleicht eher Bravheit, Anpassung und Sanftheit honoriert wurden, da siegen heute die Solidarität, der Mut und die Ehrlichkeit oder gar die revolutionäre Gesinnung. Und mitten in dieser riesigen variationsreichen Landschaft von "kindgerecht" verpackter Erwachsenenmoral und Weltanschauung steht Pippi als eine der seltenen Gestalten, die im echten und befreienden Sinne "moralisch" sind.

Ich habe Pippi als kleines Mädchen leider nicht entdeckt. Ob meine Eltern sie mir bewusst vorenthielten, ob sie damals in Schul- und Jugendbibliotheken noch nicht verliehen werden durfte? Irgendwie so muss es gewesen sein, denn meine kindliche Lesewut müsste Pippi sonst unweigerlich aufgespürt haben. Ich habe die Pippigeschichten vor einem Jahr Kindern vorgelesen und aus ihren Reaktionen schließe ich, wie heiß ich sie als kleines Mädchen geliebt hätte, heißer als die vielen anderen Buchgestalten, die nach Entbehrungen und Irrungen am Schluss der Erzählung ein Happy-End erleben durften. Ich habe an Pippi als Mutter Zug für Zug die Eigenschaften eines im wahrsten Sinne freien Kindes entdeckt und zugleich die Phantasien und Wünsche meiner eigenen Kindheit wiedergefunden.

"Ich schreibe, um das Kind in mir selbst
zu unterhalten."

Pippis Erfolg bei allen Kindern, bei Jungen und Mädchen, erklärt sich wohl vor allem daraus, dass hier eine Gestalt ganz authentisch und echt in dem Sinne ist, als sie Wünschen und Bedürfnissen ihrer Leser entgegenkommt und ganz aus ihrer Perspektive gestaltet ist. "Ich schreibe", so sagt Astrid Lindgren, "um das Kind in mir selbst zu unterhalten". Und: " ... es gibt kein anderes Kind, das mich inspirieren kann, als das Kind, das ich selbst einmal gewesen bin. Es ist überhaupt nicht nötig, eigene Kinder zu haben, um Kinderbücher schreiben zu können. Man muss nur selbst einmal Kind gewesen sein - und sich so ungefähr daran erinnern können wie das war."

Die Autorin, die auf diese Weise immer wieder betont hat, wie fern sie aller Theorie, aller erzieherischen Absicht ist, schafft als ersten literarischen Meisterwurf (viele ihrer späteren Figuren sind kleine Brüder und Schwestern im Geiste) das Übermädchen Pippi, das emanzipierte weibliche Kind an sich. Dass das kein Zufall ist, liegt auf der Hand. Was Pippi auslebt und vorlebt, was ihr gelingt und was sie mit ihrem ganzen Wesen verkörpert, ist eben der Inbegriff dessen, was eigentlich in kleinen, nicht domestizierten, nicht verbogenen Mädchen steckt. Pippi ist das noch nicht an ein weibliches Rollenbild herandressierte Urwesen, Pippi ist die Verkörperung von ungezähmten Kleinmädchenträumen. Dass sie genau all jene Eigenschaften besitzt, die einem Idealbild des emanzipierten Erwachsenen entsprechen würden, spricht für sich selbst.

Und so könnte man diese Züge charakterisieren: Pippi lebt allein. Sie ist praktisch eine Waise, nicht "leider" wie in so vielen anderen rührseligen Kindergeschichten, sondern "Gott sei Dank". Niemand kümmert sich um sie, niemand schränkt sie ein und zwingt sie zu Gehorsam. Und Pippi genießt das. Sie kommt nicht nur ausgezeichnet zurecht, ihre Unabhängigkeit macht sie auch stark und glücklich. Sie mag andere Kinder, aber sie genügt sich auch selbst, und weiß sich allein köstlich zu unterhalten.

Sie ist also weder durch Liebesentzug noch durch Macht oder Mitleid zu manipulieren oder zu erpressen. Diese innere Autonomie äußert sich in lustigen Anekdoten. Dann etwa, wenn Pippi sich selbst zur Unterhaltung etwas vorlügt, wenn sie einen ganzen Abend lang versucht, sich tanzen zu lernen, wenn sie mit sich Selbstgespräche führt.

Pippi ist voll gesunden Selbstgefühls. Sie mag sich und spart nicht mit Eigenlob, wenn ihr etwas besonders gut gelungen ist. Auch da ist sie von der Zustimmung oder Ablehnung anderer nicht abhängig. Wenn gegen Sommersprossen wie gegen eine Krankheit "Heilsalben" angeboten werden, kann sie nur lachen, denn sie findet Sommersprossen schön und möchte mehr davon haben. Auch wenn sie sich schmückt und schminkt, beweist sie ihre Eigenständigkeit, was den Geschmack anbelangt. Pippi kümmert sich nicht darum, was andere schön finden. Hauptsache, ihr gefällt's, Hauptsache, sie findet es praktisch. Pippi ist auf ihre Weise eitel und dabei nie Objekt fremden Entzückens.

Pippi mag wilde Spiele und
ist kein bisschen zimperlich

Pippi fügt sich weder Verhaltensnormen noch Rollenvorstellungen. Sie ist ein richtiges Mädchen, kein sanftes zartes Bild. Sie brüllt und fuchtelt. Sie klettert auf Bäume und schreckt vor keiner gefährlichen Unternehmung zurück, wenn's Spass macht. Sie fürchtet sich nicht davor, sich schmutzig zu machen und es fällt ihr schrecklich schwer, ihr Temperament zu zähmen und sich "anständig" aufzuführen. Pippi mag wilde Spiele und ist nicht zimperlich. Sie träumt nicht von einer Zukunft als Hausfrau und Mutter, sondern von einer Karriere als Seeräuber.

Ihre Abenteuerlust und ihre Neugierde sind groß. Eine ihrer wichtigen Beschäftigungen ist "Sachen suchen". Dem Unerwarteten, Ungewöhnlichen, von anderen gar nicht Wahrgenommenen nachgehen, sich überraschen lassen und die Welt zusätzlich mit ihrer Phantasie bevölkern, darin äußert sich ihre ursprüngliche Kreativität. Die lässt sie sich durch keine Schule zerstören und durch keinen Einwand zunichte machen.

Pippi gibt sich dem Augenblick hin, sie ist ein Lebenskünstler (wie Kinder das eigentlich alle sind, wenn man es ihnen nicht mit "Erziehung" austreibt). Sie freut sich über kleine Dinge und schwelgt ganz nach dem Lustprinzip, wo sie nur kann. Sehr oft und ausgiebig auch beim Essen. Sie tut sich selbst viel zuliebe und vergisst, großzügig wie sie ist, auch die andern Kinder nicht.

Für sie ist der Sinn des Lebens das Leben selbst, das Genießen. Und schließlich ist Pippi überstark, stärker als alle Menschen der Welt, stärker als Lehrer, Polizisten und Häusermakler. Wenn sie den stärksten Mann der Welt auf den Rücken legt, wenn sie ihr Pferd hochstemmt, wenn sie wilde Tiere besiegt und Räuber zähmt, so verkörpert sie den Wunschtraum jedes Kindes (und auch vieler Frauen). Das ist die handfeste Kompensation des kindlichen Gefühls von Unterlegenheit und Schwäche. Ihre körperliche Stärke ist zudem Symbol für die innere Stärke eines ungezähmten, ungebändigten und in diesem Sinne "unverdorbenen" Kindes. Diese Überkraft erlaubt es ihr, sich der Manipulation durch die Fürsorge der Erwachsenen zu entziehen, ihre Normen, ihre Moral, ja ihre Bildung in Frage zu stellen und zurückzuweisen. Dank ihrer Überkraft kann Pippi bleiben, was sie ist: ein Mensch (ein Mädchen!) im freien Urzustand.

Pippi gibt sich dem Augenblick hin,
sie ist ein Lebenskünstler

Astrid Lindgrens Biographie hat nichts Abenteuerliches, nichts Spektakuläres. Sie war, bevor sie Kinderbücher zu schreiben begann, eine Durchschnittsfrau, eine Ehefrau mit zwei Kindern. Sie unterschied sich höchstens durch ihre Erinnerungen an eine freie, glückliche Kindheit und ihre Freude an Büchern von anderen Frauen in ihrer Lage. Ihre Fabulierlust ist ihre größte Motivation zum Schreiben: " . . . andere schlössen sie (Pippi) seltsamerweise ins Herz. Die Kinder taten es, und für sie hatte ich ja geschrieben. Oder, richtiger gesagt, für das Kind in mir, das noch immer nach Büchern hungert. Dieses Kind entdeckte mit Jubel: Ja, du liebe Zeit, Bücherschreiben macht ja genausoviel Spaß wie sie lesen!"

Diese Fabulierlust ließ sie nach Pippi immer wieder neue Figuren und Begebenheiten erfinden. Mädchenbücher für jedes Alter, Bücher für ganz kleine Kinder, Detektivgeschichten folgten. Vieles ist in einer eher idyllischen Vergangenheit angesiedelt, einiges in der reinen Welt der märchenhaften Phantasie.

Man könnte Astrid Lindgren vorwerfen, sie schüfe in vielen ihrer Werke eine sogenannte unrealistische "heile Welt". Das stimmt vielleicht da und dort in dem Sinne, als die äußere Realität der Gegenwart ausgeklammert ist. Was die Bücher dennoch alle wertvoll macht, ist die Art, wie Astrid Lindgren die innere Realität des Kindes erfasst hat. Wie sie ohne zu werten und zu richten, und gänzlich ohne jeden Anflug von herablassender Anbiederung oder gar von Moralisieren von dieser inneren Realität berichtet. Auch da gibt es kein Gut und Böse, auch da gibt es alles und nichts nebeneinander. Keiner Unart folgt die Strafe auf dem Fuße und kein Kind muss sich "bessern", "ändern" oder erfolgreich anpassen. Alle ihre Helden sind vollauf damit beschäftigt zu leben, zu staunen, zu fühlen und ihren Tatendrang und ihre Neugier auf das Leben zu befriedigen. Pippi, die Erstgeborene, wirkt aber unter ihnen allen - wenigstens für mein Empfinden - wie eine Galionsfigur.

Pippi schläft mit den Füßen auf dem Kopfkissen und wirft, wenn sie auf dem Baum Kaffee getrunken hat, Tassen und Kanne der Einfachheit halber auf den Rasen hinunter. Sie planscht mit Kleidern und Schuhen im Wasser, wenn sie dazu Lust hat und findet es unnötig, zur Schule zu gehen und sich von Erwachsenen auf ihr Leben hin trimmen zu lassen. Sie weiß auch nicht so recht, ob sie überhaupt erwachsen werden will.

Sie weiß nicht so recht, ob sie
überhaupt erwachsen werden will

Wenn in den Kinderbüchern des 19. Jahrhunderts Kinder, die sich der Domestifikation durch Erwachsene widersetzten, beispielhaft bestraft wurden, ja gar an den "logischen" Folgen dieses Aufbegehrens starben, wie weiland der Suppenkaspar, so demonstriert Astrid Lindgren mit Pippi exemplarisch das Gegenteil. Sich Erziehungsversuchen erfolgreich zu widersetzen und so frei und glücklich zu bleiben, das heißt, sein kindliches Ich zu retten, wird zum lohnenden Ziel.

In der Tat hat denn auch Astrid Lindgren ihr Misstrauen gegenüber dem, was so landläufig unter Erziehung verstanden wird, formuliert: In einem Leserbrief an die Zeitschrift "Husmodern" schreibt sie (weil Pippi Langstrumpf in einer Auseinandersetzung um Erziehung angegriffen wurde): "Die Welt ist voll von unbekannten und beängstigenden Dingen, und alles, worauf sich der kleine Wicht (das Kind) verlassen kann, sind die Erwachsenen, die schon so lange leben und so viel wissen. Es müsste also ihre Sache sein, eine Welt der Geborgenheit, Wärme und Freundlichkeit um den Wicht zu schaffen. Aber tun sie das? Viel zu selten, will mir scheinen. Sie haben wohl keine Zeit! Sie sind voll und ganz davon in Anspruch genommen, den kleinen Wicht zu erziehen. Sie erziehen ihn beharrlich von früh bis spät, es ist ihnen so verzweifelt viel daran gelegen, dass er schon von Anfang an genau wie ein Erwachsener auftritt. Denn dieses ein Kind sein ist doch eigentlich ein hässlicher Charakterzug, dem mit allen Mitteln entgegengearbeitet werden muss."

Pippi Langstrumpf ist ein Symbol für Emanzipation. Für die Emanzipation des Kindes mit seinen Phantasien, seinen Interessen und Bedürfnissen, die Emanzipation des weiblichen Kindes gegen den doppelt schweren Druck. Pippi wirkt befreiend als Vorbild und Utopie. Sie ist der freie Mensch, der seine eigene Moral entwickelt, eine Moral ohne Prinzipien, aber bestimmt von subjektiven Bedürfnissen und Empfindungen. Sie ist das Vorbild, das nicht Anpassung und Wohlverhalten demonstriert, sondern Neugierde und Lebenslust. Pippi Langstrumpf ist das Überkind, das totale Kind, das nicht mehr schwach, beherrschbar und manipulierbar ist, sondern erfolgreich seine Lebensweise, seine Gewohnheiten, seine Träume und Vorlieben verteidigen kann. Pippi zeigt, wo die Befreiung der Frauen, die Befreiung der Menschen ihre Wurzel hat: in der Befreiung des Kindes, das jeder am Anfang seines Lebens ist.

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Lex Lindgren: Astrid und die Tiere

Astrid Lindgren erkämpfte in Schweden schärfere Tierschutzgesetze.
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Wie sehr Astrid Lindgren Schweden beeinflusste, zeigte sich 1976, als sie dem damaligen Finanzminister empört die Fiskalpolitik der Sozialdemokraten vorrechnete, die den Familien das Geld raubte. Die bis dato als unbesiegbar geltenden Demokraten lächelten über Lindgren – und verloren prompt die Wahl. Von da an wurde sehr genau hin­gehört, wenn Astrid etwas zu sagen hatte. Dass Gewalt an Kindern in der Erziehung seit 1979 als Straftat gilt, geht auf das Konto der Schrift­stellerin. 

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Auch Schwedens frühes Nachdenken über Umweltschutz hat sie maßgeblich beeinflusst. Und als sie 1985 die Regierung in Sachen Tierschutz anzählte, wurde diese lieber flott. Der damalige Premierminister Ingvar Carlsson verabschiedete zu Lindgrens 80. Geburtstag im Jahr 1987 ein Tierschutzgesetz. Die „Lex Lindgren“ ging als schärfstes Tierschutzgesetz weltweit in die Geschichte ein – auch wenn es Lindgren selbst noch lange nicht weit genug ging. 

Die Umgebung der Tiere muss "natürliches Verhalten" ermöglichen

Die „Lex Lindgren“ garantiert unter anderem Kühen das Recht auf eine Wiese und Schweinen das Recht auf frisches Stroh. Schwedische Rinder, Schafe und Lämmer dürfen draußen leben und müssen in einer Umgebung gehalten werden, in der sie sich „natürlich verhalten“ können. Mutterschweine dürfen nicht fixiert werden. Die Schwänze der Schweine werden nicht kupiert, die Schnäbel von Hühnern und Küken nicht gekürzt.

Schwedische Tiere müssen vor chirurgischen Eingriffen und vor der Schlachtung betäubt werden, die Transportzeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Auch die hormonelle Zufütterung an Mastvieh ist eingeschränkt. Seit Einführung des Gesetzes werden Schlachthöfe scharf überprüft. 

Das Land hat den niedrigsten Verbrauch an Antibiotika im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern. Eine Massentierhaltung wie in Deutschland gibt es nicht. Und: Die SchwedInnen schmeißen weniger als ein Prozent an Lebensmitteln aus tierischen Erzeugnissen auf den Müll. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 61 Prozent.

Hühnerschnäbel kürzen? Ringelschwänze kupieren? Nicht in Schweden!

Übrigens: Auch Schwedens Wildtiere werden geschützt. 1909 richtete Schweden als erstes Land in Europa Nationalparks ein. Mittlerweile sind knapp 15 Prozent des Landes durch Naturschutzgebiete oder -reservate sowie 30 Nationalparks geschützt.

Astrid Lindgren war bis zu ihrem Tod eine vehemente Verfechterin einer Tierhaltung, die ohne unnötiges Leiden auskommt und sagte oft in Interviews: „Ich bin keine Vegetarierin, aber echte Menschlichkeit bedeutet auch, andere Lebewesen mit Respekt zu behandeln.“ 

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