Fall Kentler: Netzwerk aufgedeckt
Perfider geht es eigentlich kaum: Drei Jahrzehnte lang, von 1973 bis 2003, wurden Kinder und Jugendliche bewusst an vorbestrafte pädophile Pflegeväter vermittelt – vom Berliner Jugendamt. Initiator: Helmut Kentler – der damals als „mutiger Kämpfer gegen die spießige Sexualmoral der 50er Jahre“ galt.
Der „Pädagogik-Papst“ sah eine "Win-Win-Situation" darin, pädophilen Männern Jugendliche als Pflegekinder anzuvertrauen, die - etwa weil sie von zu Hause ausgerissen waren oder von ihren Eltern Gewalt erfahren hatten - als besonders schwierige Fälle galten. Die Kinder waren weg von der Straße, die pädophilen Männer nicht mehr auffällig - weil sie Kinder in den eigenen vier Wänden missbrauchten. Dieses sogenannte „Kentler-Experiment“ steht für eines der drastischsten Beispiele von Behördenversagen in der deutschen Nachkriegsgeschichte und für massenhaften Kindesmissbrauch in der pseudoliberalen Sexualmoral der 68er.
Mit coronabedingter Verspätung wurde in Berlin nun der Abschlussbericht zum „Fall Kentler“ vorgestellt. Die Studie wurde von der Berliner Senatorin Sandra Scheeres (SPD) initiiert und von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gefördert. Schon 2016 forschten WissenschaftlerInnen des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zum Fall Kentler.
Den Göttinger WissenschaftlerInnen wurden damals viele Steine in den Weg gelegt. Viele Fragen blieben ungeklärt, sie stellten schließlich die Forderung an den Berliner Senat, den Fall Kentler gänzlich aufzuarbeiten. Dazu war der Senat dann auch bereit, suchte sich aber lieber ein "günstigeres" Forscherteam, das schneller arbeiten sollte und wurde in Hildesheim fündig. Die Hildesheimer ForscherInnen sind also abermals der Frage nachgegangen, wie es dazu kommen konnte, dass der (West-)Berliner Senat Pflegekinder in die Obhut von vorbestraften pädokriminellen Männern geben konnte.
Pädophile Positionen wurden akzeptiert, gestützt und verteidigt
In der aktuellen Studie heißt es: „Es ist ein Netzwerk quer durch die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen insbesondere der 1960er und 1970er Jahre und die Senatsverwaltung (dem Landesjugendamt) bis hinein in einzelne Berliner Bezirksjugendämter, in dem pädophile Positionen akzeptiert, gestützt und verteidigt wurden." Warnsignale wurden nicht beachtet, Akten verändert, Briefe der Opfer ignoriert, in denen sie von Übergriffen berichteten. Kein Mitarbeiter der involvierten Jugendämter wurde bislang zur Verantwortung gezogen. Einige machten sogar Karriere, übernahmen die Leitung von Jugendämtern, obwohl ihre Arbeit am Beispiel der Kinder „schwere fachliche Mängel und Fehler“ aufwiesen.
Explizit genannt werden in dem Bericht das Pädagogische Zentrum Berlin, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, die Freie Universität und das Pädagogische Seminar Göttingen. Außerdem lassen sich Verbindungen nachweisen zwischen dem Pädagogischen Zentrum und der Odenwaldschule in Hessen, die nach Bekanntwerden des dortigen Missbrauchsskandals schließen musste.
„Die bisherigen Hinweise verdichten sich, dass es sich bei diesen Pflegestellen um alleinlebende, mitunter mächtige Männer aus Wissenschaft, Forschungseinrichtungen und anderen pädagogischen Kontexten gehandelt hat, die pädophile Positionen auch gelebt haben.“ Mitarbeiter der Jugendämter und der Senatsverwaltung seien Teil dieses Netzwerks gewesen, hätten so den Pädophilen Zugang zu jungen Männern und Kindern verschafft, schreiben die AutorInnen in ihrem Abschlussbericht. Auch Bezirksämter ließen die Briefe der Opfer, die von Übergriffen und kinderpornografischem Material berichteten, unbeanwortet.
Mächtige Männer aus der Wissenschaft und Politik waren Täter
Unklar ist noch immer, wie viele Täter und Opfer es gibt. Im Rahmen der Studie haben sich insgesamt drei Betroffene den ForscherInnen anvertraut. Nach ihren Aussagen hatte der Pflegevater Fritz H. mindestens zehn Kinder in seiner Obhut - darunter ein mehrfach schwerbehindertes Kind, das in seiner Obhut gestorben ist. Strafrechtlich kann der Fall nicht mehr verfolgt werden, da er verjährt und Kentler seit 2008 tot ist. Das hat dazu geführt, dass die Betroffenen bis heute keine Entschädigungen erhalten haben. Das soll sich nun ändern, Senatorin Scheeres versprach finanzielle Hilfen (ein Schritt, der übrigens auch schon 2016 hätte gemacht werden können).
Die Forschungen aus Hildesheim sollen den Fall Kentler nun abschließen, sind aber bei Weitem nicht neu. Schon 2017 hatte sich das „Göttinger Institut für Demokratieforschung“ um den Politologen Franz Walter der Sache angenommen. Die Göttinger ForscherInnen hatten bereits 2013 die Verstrickung der Grünen und des Kinderschutzbundes in pädosexuelle Netzwerke und ihre Rolle bei der Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs untersucht – und dabei viele unangenehme Wahrheiten zutage befördert. Und EMMA hatte schon in den Jahren von 1993 bis 1997 mehrfach ausführlich über Helmut Kentler geschrieben und seine Rolle in dem pädokriminellen Netzwerk benannt. Aber niemand wollte es so genau wissen.
In aller Offenheit pries Kentler den sexuellen Missbrauch als besonders fortschrittliche Pädagogik. Aufgegriffen und befürwortet von den Grünen, die ihre eigene Geschichte zum Thema Kindesmissbrauch haben, und gefeiert in der sexuellen Selbstbedienungsmoral der männlichen 68er Generation. Scheinheilig erklärte Kentler die Kinder zu „Gleichen“ – was den Missbrauch rechtfertigten sollte – und verkaufte diese Leugnung der Machtverhältnisse als moderne Pädagogik.
Kentler war sogar in rund 30 Gerichtsverfahren, in denen es um sexuellen Missbrauch ging, als Gutachter eingesetzt. Im Rückblick erklärte er der taz: „Ich bin sehr stolz darauf, dass bisher alle Fälle, in denen ich tätig geworden bin, mit Einstellungen der Verfahren oder sogar Freisprüchen für die Eltern beendet worden sind.“ Die Göttinger Forscherin Teresa Nentwig fand zudem heraus, dass der homosexuelle Kentler sich auch selbst zu Jungen "hingezogen fühlte" und sie "bearbeitete". Übrigens ein Umstand, der in der aktuellen Berichterstattung keine Rolle spielt.
Scheinheilig erklärte Kentler die Kinder zu „Gleichen“, um den Sex rechtzufertigen
Ab 1993 entlarvt EMMA minutiös die Netzwerke aus Pädagogen, Juristen, Politikern, Gutachtern und Pädokriminellen, die unter dem Schlagwort „Missbrauch des Missbrauchs“ zurückschlagen. Selbst der Vorsitzende des Kinderschutzbundes ist mit von der Partie. Es ist die Reaktion darauf, dass Feministinnen das Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen problematisiert und sexuelle Kontakte zwischen ihnen als das bezeichnet hatten, was sie sind: ein Verbrechen. Wie konnte all das passieren? 30 Jahre lang? Es passiert noch immer. Münster und Lügde sind die jüngste Beispiele für das Versagen der Behörden. Die pro-pädophile Ideologie von damals wirkt bis heute nach, ja ist in der grenzenlos verbreiteten Kinder-Pornografie allgegenwärtig.
Die ForscherInnen der Studie fordern die Jugend- und Familienministerkonferenz deshalb dazu auf, eine Aufarbeitung der Kindeswohlgefährdung und der sexualisierten Gewalt im Pflegekindwesen und bei der Heimerziehung zu beginnen. Nun muss endlich ein anderer Geist bei dem Verbrechen Kindesmissbrauch wehen – der der Aufklärung und der einer harten Justiz.