Der große Diäten-Schwindel

Weihnachtskilos angefuttert - und jetzt die Wunder-Diät? Die Medizin-Historikerin Louise Foxcraft hat sich 200 Jahre Diätgeschichte angesehen. Überraschung: Die ganzen Wunderdiäten sind nicht neu. Und wirksam sind sie schon gar nicht. Bleibt nur die Frage: Was macht wirklich schlank?

17. Dezember 2014

Kaiserin Sisi, Twiggy etc. - sie alle waren magersüchtig.

Seit dem 19. Jahrhundert geben Quacksalber Tipps zum Abnehmen. Die Geschichte der Diätindustrie ist kein Ruhmesblatt. Während der letzten 200 Jahre haben viele versucht, sich ein Stück vom lukrativen Diätkuchen abzuschneiden. In Europa und Amerika ernannten sich bereits im 19.Jahrhundert Quacksalber zu Diätexperten, um mit Schlankheitskuren und Schlankmachern schnelles Geld zu verdienen.

Dr. Wadd empfahl: Seife essen, laut lesen und mit Salz einreiben.

Der Fortschritt der Wissenschaft befeuerte den Markt mit ständig neuen Rezepturen, und die Presse verbreitete mit Vorher-Nachher-Bildern, in Annoncen und Klatschspalten die frohe Botschaft. Schon bald widmeten sich „Diätärzte“ der Behandlung einer zunehmend urbanen und bewegungsarmen Bevölkerung, die sich dank des wachsenden Reichtums der Industrienationen teurere Nahrungsmittel leisten konnte.

In den 1820ern entwickelte Dr. William Wadd seine „Wenig-aber-oft-Diät“. Er empfahl seinen Anhängern den Verzehr von Kleie, Gemüse und Fingerhut sowie: regelmäßig reiten, Seife essen, laut lesen und mit Salz einreiben. In Frankreich favorisierte Brillat-Savarin eine Kohlenhydratreduktionsdiät, und allen, die sich nicht darauf einlassen mochten, weissagte er: „Sie werden hässlich und dick und asthmatisch werden und schließlich in Ihrem eigenen geschmolzenen Fett zugrunde gehen: Ich werde danebenstehen und zusehen.“

Sisi, die Gemahlin des österreichischen Kaisers Franz Josef I., war eine weitere Berühmtheit des 19. Jahrhunderts, die streng auf ihre Diät achtete. Sie benutzte den Hunger als eine Art Regulativ zur Bewältigung der bisweilen sehr kritischen öffentlichen Auseinandersetzung mit ihrer Person, ganz ähnlich wie ein Jahrhundert später in England Lady Di. Sisi, die mit 1,72 Meter größer war als ihr Mann, wog nur knappe 48 Kilo; und wenn ihr täglich überprüfter Taillenumfang das Maß von 45,5 Zentimetern überschritt, hörte sie auf zu essen.

Überschritt der Umfang ihrer Taille 45,5 cm, hörte Sisi auf
zu essen.

Im 20. Jahrhundert waren Hollywoodstars von Anbeginn an Idole, und jede von ihnen hatte ihren eigenen Diät-Guru. Greta Garbo schlief mit ihrem, einem gewissen Benjamin Gayelord Hauser, ein gutaussehender und charismatischer Mann mit Dauerwelle, exotischem Akzent und falschem Doktortitel. Er wusste genau: „Die meisten Filmstars leben in konstanter Furcht vor dem Verlust ihrer Attraktivität und ihrer Popularität. Sie können es sich einfach nicht leisten, fett und unansehnlich zu werden.“

Der falsche Doktor Hauser verdiente am Verkauf von Diätmitteln, Büchern und Elend. Keine Diät konnte teuer oder extrem genug sein, weder für die Schauspielerinnen noch für das Kinopublikum, das ihnen verzweifelt nacheiferte. Das kommt Ihnen bekannt vor?

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Ausgabe: EMMA Ausgabe Januar/Februar 2015

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Die EMMA-Donner-Diät

Wer kennt nach dem Urlaub nicht den entsetzten Blick auf die Waage: schon wieder ein paar kostbare Pfunde verloren. Sie hätten eben doch keinen Abenteuerurlaub machen und auch entschiedener das Schwimmen meiden sollen - das zehrt. Doch sie sind nicht allein, jede zweite ringt um ihre Fettleibigkeit. 127 Prozent aller Todesfälle sind indirekt auf Schlankheit zurückzuführen. Es ist erschütternd, wie wenig wir über die Notwendigkeit des Fettseins wissen. Noch heute füttern manche Mütter ihre Babys nach der alten Methode und geben ihnen nur so viel, wie sie schlucken können - statt endlich zu begreifen, wie nachahmenswert die neuesten Erkenntnisse der Gänsestopfindustrie sind.

1. September 1979

Fett schwimmt oben. Fett schont die Nerven. Fett kann das Leben retten. Noch streiten sich die Wissenschaftler über den Ursprung der Schlankheit. Eines aber scheint festzustehen: krankhafter Geiz. Und gerade deckte ein feministisches Wissenschaftlerinnen-Kollektiv in Neuseeland auf: die Schlankheitsmode, die zum Glück ja längst passe ist, war ein Komplott des Patriarchats! So erreichte es die Männergesellschaft, dass Tausende von uns durch den Gulli rutschten und nie mehr gesehen wurden.

Das muss nicht sein. Wir haben allen Schlanken ein Rezept zum Dickwerden und Dickbleiben zusammengestellt. Ein Rezept, das genauso gehandhabt werden kann wie alle anderen Rezepte auch. Nur mit dem Unterschied, dass unser Rezept dick macht. Diese neue EMMA-Donner-Diät verhilft Ihnen in relativ kurzer Zeit zu Ihrer Traumfigur: die Körpergröße in Zentimetern, dividiert durch zwei, gleich Anzahl der Kilo, die Sie wiegen.

Egal, ob Sie noch zwei, zwanzig oder hundertzwanzig Pfund zunehmen müssen: die neue Emma-Donner-Diät macht das möglich. Endlich ist auch Schluss mit der Angst vorm Altern und den teuren Fettcremes, nach dieser Diät spannt sich Ihre Gesichtshaut von selbst.

Trotzdem: erwarten Sie keine Wunder. Und verzweifeln Sie nicht, wenn Sie noch ein gutes Stück von Ihrem Traumgewicht entfernt sind: die Konfektion fertigt heute auch schon hübsche Modelle in Größe 38. Für den Übergang bis zu Ihrer Traumgröße 50 bis 54, sollten Sie dann allerdings viel Quergestreiftes und Großkariertes tragen. Das Kleinkarierte überlassen Sie den Unverbesserlichen.

Damit Sie nicht aufstecken, helfen Sie sich mit ein paar Kniffen und Tipps: meiden Sie grundsätzlich jede Art von Bewegung. Sport ist Gift. Schmeißen Sie als erstes Ihre Waage auf den Müll. Kaufen Sie einen größeren Kühlschrank. Kleben Sie sich in die Innentür Ihres Kühlschranks ein aktuelles Foto, das sie in Ihrer ganzen Schlankheit zeigt und Sie bei jedem öffnen beschämt und mahnt, besser zuzulangen.

Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Diäten gelesen haben. Essen Sie häufig, aber große Portionen. Ihr Ziel: fünf Kilo Zunahme in einer Woche. Sollte es Ihnen mal schwer fallen, sind auch Appetitanreger erlaubt, Lebertran und Rotbäckchen für Schleckermäulchen. Wenn Sie sich und Ihrem eigenen Willen nicht so recht über den Weg | trauen, zögern Sie nicht: gründen Sie im Frauen' Zentrum eine Emma-Donner-Diät-Gruppe-Einigkeit macht bekanntlich stark und Frauen gemeinsam sind dicker.

Meiden Sie auf jeden Fall den Rat eines Arztes, trau weiß ja, was sie von diesen Halbgöttern in Weiß zu halten hat. Falls es Ihnen auch manchmal schwer fallen sollte, vergessen Sie nicht, Ihre Mühe wird belohnt werden.

Hüten Sie sich vor Dünnmachern: Salate, Joghurt, Steaks nur als Beilage!
Nicht vergessen: auch im kleinsten Kulturbeutel haben zwei, drei Stangen Nougat oder Marzipan Platz.
Beim Speck nur gutgelaunten, ausgelassenen Speck verwenden. - Kaufen Sie in der Übergangszeit keinen Schmuck: Sie bekommen sonst die Ringe nicht mehr vom Finger.
Öffnen Sie nie eine Flasche Bier alleine, es könnte zuviel Energie und damit Kalorien kosten.
Immer beachten: unsere Haupteinheit ist nicht die Messerspitze, sondern der Schöpflöffel.
Gehen Sie nie satt, sondern immer nur heißhungrig einkaufen. Möglichst in ein Delikatessengeschäft.
Und das macht Spaß: ein Bauchkettchen, das mit klingendem Ton zerspringt, wenn Sie ihr Traumgewicht endlich geschafft haben.
Haben Sie schon eine Fernbedienung für Ihren Fernseher? Wenn nicht, rasch nachholen. Aufstehen kostet Kalorien.
Planen Sie zwischendurch ein verlängertes - Mast-Wochenende im Schwabenland ein, da gibt es jetzt schon sehr günstige Bauernhof-Angebote.
Meiden Sie Tante-Emma-Läden. Bei Cash und Carry sind die Portionen sinnvoller.
Ihre neue Herbst-Kombination sollten Sie gleich auf Zuwachs kaufen. Auf dehnbares Material achten, damit es Sie auf gar keinen Fall irgendwo zwackt oder drückt!

Erschrecken Sie nicht über den ersten Tipp. Aber das Völlern will ja schließlich geübt sein, und der Magen muss sich beizeiten auf die nötige Dehnung einstellen. Sie kennen ja das Sprichwort: Früh übt sich ... Ein bisschen Konsequenz ist eben schon vonnöten, wenn wir unserem Traumziel von 6000 Kalorien täglich näherkommen wollen. Also:

Stellen Sie den Wecker auf sechs Uhr
Greifen Sie nach der beim Zubettgehen bereitgestellten Thermosflasche Kakao (das Licht können Sie ruhig auslassen, denn die Betätigung des Schalters kostet Kraft und damit Kalorien).
Essen Sie dazu die ebenfalls bereits appetitlich vorbereiteten drei bis vier Brötchen, belegt mit guter Butter und frischer Nutella.
Lassen Sie sich nun wieder in Ihre superweiche Schaumgummimatratze zurücksinken.

Acht Uhr. Zeit fürs Frühstück
Falls Sie auf Kaffee oder Tee gar nicht verzichten können, nehmen Sie auf jeden Fall reichlich Zucker und Sahne dazu. Besser wäre Kakao. Den Orangensaft ersetzen Sie durch Bananenmilch. Haben Sie immer mehrere Brotsorten vorrätig, darunter möglichst auch frisches Rosinenbrot. Versuchen Sie, es zu Ihrer zweiten Natur zu machen, dass die Butter immer fingerdick gestrichen wird. Marmelade ist gut, Honig besser, Kunsthonig am allerbesten. Dazu stellen Sie sich auf Ihr appetitanregendes farbiges Frühstückstablett eine Portion Spiegeleier mit Speck (je nach regionalen 53gewohnheiten dürften Ihnen dazu auch Bratkartoffeln munden). Abrunden sollten Sie dieses Frühstück mit zwei, drei Scheiben kalter Hund (das Rezept finden Sie auf jeder Palminpackung).

Erste Zwischenmahlzeit
Egal, ob Sie berufstätig sind oder Hausfrau, legen Sie auf jeden Fall ihre Wege so, dass Sie regelmäßig an mehreren Konditoreien und McDonalds vorbeikommen. Lassen Sie sich nicht ablenken von vorbeijoggenden Menschen. Auch das Tragen einer Schultertasche können wir Ihnen nur empfehlen: so bleiben Ihre Hände immer frei für ein Eis (mit Sahne, versteht sich), eine Frittentüte oder ein Stück Kuchen. Scheuen Sie sich nicht, auch auf der Straße zu kauen. Russische Eier, hübsch garniert mit Sardellen und phantasievoll verziert mit Majonaise (da nehmen Sie einen einfachen Sahnespritzer, der macht die hübschesten Kringel). Dazu eine Flasche Nährbier.
Für Berufstätige: richten Sie sich in Ihrem Büro ein handliches Kocheckchen ein.

Das Mittagessen
Hier setzen wir voraus, Dass Sie zwei Stunden Zeit haben. Sollten Sie berufstätig sein, raten wir Ihnen zu einer entschlossenen Vorsprache in der Personalabteilung, in Härtefällen zum Stellenwechsel. Ein kleiner Tip: suchen Sie sich Kolleginnen/Nachbarinnen, die mit Ihnen Spaß am fröhlichen Zubereiten und Essen haben.

Für heute haben wir vorgesehen: 1. Vorspeise Elsässer Kartoffelsuppe mit saurer Sahne und ein paar munter grünen Petersillentupfern. 2. Vorspeise rheinische Schinkennudeln in Bechamelsoße überbacken und serviert in einem dieser hübschen Tontöpfe, die man jetzt auf jedem Markt so preiswert findet. Als Hauptgericht Schweinehaxen (hier einen Metzger suchen, der immer reichlich auswiegt!) mit Knödeln und Wirsinggemüse nach Großmutterart (ruhig noch einmal nachnehmen). Beim Käse bevorzugen Sie die Vollfetten (ihr Käsehändler berät Sie gerne). Zum Dessert einen Kaiserschmarrn ä la Sissi, den Sie durch einen zusätzlichen Schlag Puderzucker abrunden sollten. Vergessen Sie das Pflaumenkompott nicht! Nach dem Capuccino ohne Hast noch einen Cointreau oder Eierlikör. Die Petits fours sollten das gleich als erstes angewöhnen immer griffbereit liegen. Oberhaupt sollte auf Ihrem Schreib- oder Nähtisch etwas Süßes nie fehlen. Schon aus psychologischen Gründen die positive Bejahung des Runden empfehlen wir hier vor allem Marzipan-, Mozart- und Rumkugeln. Meiden Sie Mineralwasser.

Zweite Zwischenmahlzeit
Hier haben Sie, ganz nach Geschmack, die Wahl: zwei Stück Schwarzwälder Kirsch, fünf Bananen oder ein halbes Pfund Fleischsalat. Sollten Sie alles auf einmal schaffen: bravo! Das bringt uns gleich etliche Punkte weiter.

Das Abendessen
Hier sollten Sie versuchen, möglichst häufig ins Restaurant zu gehen. Das fördert den Appetit, weil Sie anschließend nicht spülen müssen, und ist besonders günstig in den Fällen, wo Sie nicht selbst bezahlen. Meiden Sie Chinesen und Vegetarier, gehen Sie vorzugsweise zum Italiener oder zur Gutbürgerlichen-Küche. Unter fünf Gängen sollten Sie es nie tun. Freunden Sie sich mit der Wirtin an, das macht den Nachschlag problemloser. Wenn es sich mal gar nicht einrichten lässt mit dem Essengehen, vergessen Sie nie Ihre Kühltasche (da gibt es in den Kaufhäusern jetzt schon sehr flotte Modelle, die auch zur neuen Mode passen). So sind Sie auch im Kino oder in der Disco immer gut versorgt.

Das Betthupferl
Hier wäre grundsätzlich ein Zweiteisschrank griffbereit neben dem Bett angeraten. Eine Kaltschale mit Sahne (im Sommer mit frischen Früchten) ist für die späte Stunde immer passend. Für nicht "Süße" tun es auch Bücklinge oder Sprotten. Gute Nacht.
Halten Sie durch. Der Tag, an dem Sie sich in der Apotheke nebenan auf die Waage wuchten und der Zeiger durchdreht, wird alle Ihre Mühen wettmachen.

Wie lange Sie die Emma-Donner-Diät machen dürfen? Bis ans dicke Ende.