Ingrid Matthäus-Maier

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Das Versenken von Milliarden ist keine französische Spezialität. Auch in Deutschland haben die Zocker hoch gepokert und die Chefs lange weggeguckt. Und während Finanzministerin Christine Lagarde in Paris alle Hände voll zu tun hat, die 5,5-Milliarden-Euro-Katastrophe aufzufangen, kämpft in der Bankenmetropole Frankfurt Ingrid Matthäus-Maier, Chefin der staatlichen "Kreditanstalt für Wiederaufbau" (KfW), um das Überleben der kleinen Industriekreditbank (IKB), bei der die KfW die größten Anteile hat. Auch die IKB ist schon im Sommer 2007 mit Milliarden in die Miesen gerutscht und schlittert immer tiefer. Und auch hier ist die Rede von "mangelnder Transparenz" und "schlechtem Frühwarnsystem". Männer zocken – und Frauen müssen es ausbaden.

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So jetzt auch Matthäus-Maier, die nicht schuld an der Krise ist, aber nun die Verantwortung trägt. Die 62-jährige Top-Bankerin ist in Deutschland keine Unbekannte. Über 20 Jahre saß sie im Bundestag, zunächst für die FDP, später für die SPD. Sie kämpfte gegen Extremistenerlass und Kraftwerke, heizte der Regierung wegen Verschwendung von Steuergeldern ein und hortete als Rednerin mit Biss Preise.

Von Anfang an aber stritt sie für die Emanzipation der Frauen, forderte Berufstätigkeit von Mann und Frau bei gleicher Verantwortung für Kinder und Haushalt. Als eine der wenigen Politikerinnen lebte sie das auch vor. Ihr Mann Robert, ein Diplom-Mathematiker, stellte nach der Geburt des zweiten Kindes eigene Ambitionen zurück und kümmerte sich um die Familie.

Als die eigene Partei aber nach Jahren der Opposition endlich an die Regierung kam – 1998 – ließ Kanzler Gerhard Schröder seine finanzpolitische Sprecherin Matthäus-Maier links liegen und verschaffte seinem damaligen Kumpel Oskar Lafontaine den Posten des Finanzministers. Die Juristin hatte verstanden: Sie verließ das SPD-Männertrio Schröder, Lafontaine und Scharping und startete 1999 bei der KfW eine zweite Karriere.

Fortan sorgte sie dort für die Modernisierung der DDR-Plattenbauten, kümmerte sich um den Kosovo und hielt sich klug zurück. Immer wieder tauchte ihr Name auf, wenn Finanzminister oder Bundesbankpräsidenten strauchelten, aber sie blieb ihrem neuen Job als Bankerin treu und damit eine Ausnahme-Erscheinung in der Männerwelt der Nadelstreifen.

2005 rückte sie an die KfW-Spitze, nicht ohne Kampf. Nur ihr Parteibuch habe sie in diese Position gebracht, raunten damals konservative Politiker rund um den Reichstag, als Bankerin habe sie keine Ahnung. Eigentlich gehöre eine Frau gar nicht in eine solche Position, legten andere nach, trotz Bundeskanzlerin.

Es ist kein Wunder, dass diese sexistischen Sprüche prompt wieder aufleben, pünktlich zu der Zeit, in der die KfW-Chefin in Bedrängnis gerät. Matthäus-Maier gesteht ein, so manche schlaflose Nacht wegen der IKB-Krise durchwacht zu haben. Auf die Auszeichnung des US-Magazins Fortunes, das sie zu den 50 mächtigsten Frauen außerhalb der USA zählt, würde Matthäus-Maier gerne verzichten, falls ihr das Thema IKB erspart geblieben wäre, gibt sie zu Protokoll.

Sie redet offen von "bitteren Stunden", weil sie sich in ihrem Job ganz andere Ziele gesetzt hatte, als mit der Pleite der IKB-Bank in Verbindung gebracht zu werden.

Denn die Politikerin und die Bankerin Matthäus-Maier würde am liebsten über die vielen guten Dinge reden, die so eine Staatsbank wie die KfW leistet: Wie mit kleinsten Krediten vielen Frauen in unterentwickelten Ländern eine Existenz verschafft wird. Wie günstige Darlehen helfen, Energie zu sparen, beim Hausbau etwa. Wie man kleinen Firmen mit maßgeschneiderten Finanzkonzepten eine Zukunft verschafft.

Die KfW versteht sich als Impulsgeber für Wirtschaft, Gesellschaft und Ökologie. Sie kann es sich auch leisten, weil Bund und Länder für ihre Finanzkraft garantieren und ihr bei der Beschaffung von Kapital alle Türen offen stehen. Andere Länder, wie beispielsweise Russland, beneiden Deutschland um so eine Bank, die das anpackt, was in einer Marktwirtschaft nicht von alleine passiert. Wenn es irgend geht, greift Matthäus-Maier diese Themen auch auf, etwa vor Studenten, die neugierig auf die Aufgaben einer Förderbank sind oder vor den Kunden und Ansprechpartnern im Ausland.

Und wenn die Sprache dann doch wieder auf die IKB kommt, kann sie auf eine ganze Männerriege verweisen, die im Kontrollgremium dieser kleinen Bank das Desaster nicht einmal ansatzweise hat kommen sehen. Mitte Februar kam die Nachricht, dass Matthäus-Maiers KfW "ein Konzept zum Erhalt der IKB vorgelegt" hat und von den erneut fehlenden 2,3 Milliarden Euro 1,2 Milliarden tragen wird – die zahlen die SteuerzahlerInnen. Bitter. Aber: Sie hat es mal wieder geschafft.

Erholung von strapaziösen Verhandlungen findet Ingrid Matthäus-Maier bis heute mit ihrer Familie. Am liebsten nämlich wäre sie manchmal an zwei Stellen gleichzeitig, am Arbeitsplatz und bei ihren inzwischen erwachsenen Kindern. Wenn das nicht geht, schwingt sie sich einfach im dunklen Hosenanzug auf das Fahrrad und atmet im Schatten der Wolkenkratzer tief durch.

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