In der Männerrepublik?
Dem männlichen Politiker fällt es nicht schwer, sich auf männliche Stimmen und Bilder der Vergangenheit zu beziehen; seit der Adenauer-Ära und bis heute gibt es ein maskulines Kontinuum in der politisch-parlamentarischen Rede und den dazugehörigen Medien.
Die mächtigste Politikerin des Landes mag eine Frau sein, aber dort, wo sich in den Ministerien die Macht ballt, bei den beamteten Staatssekretären, sitzen fast nur Männer. Und sie, die in der Hierarchie gleich nach der Ministerin oder dem Minister rangieren, sind die eigentlichen Herren im Haus: Sie setzen Themen, sie dirigieren die Verwaltung, sie vertreten die Minister, sie sind die gar nicht so heimlichen Chefs der Republik. Eine Recherche von Zeit online hat im Herbst 2018 zutage gefördert, dass in der Geschichte der Bundesrepublik von 692 beamteten Staatssekretären nur 19 Frauen waren. „Es gab also in 69 Jahren Bundesrepublik mehr Männer namens Hans in dieser wichtigen Funktion als Frauen.“
Schon ein flüchtiger Blick in den Berliner Bundestag und die Ministerien reicht aus, um festzustellen, dass ein Rückschritt jederzeit vorstellbar ist. Der Anteil der Parlamentarierinnen ist erstmals seit 1998 wieder deutlich gesunken, im 19. Bundestag sitzen seit 2017 nur noch 31 Prozent Frauen. Die ehemalige Bundesjustizministerin Katarina Barley bemerkte desillusioniert, sie sehe jetzt im Parlament ein „Meer von grauen Anzügen“. Es sind vor allem die Fraktionen der AfD, der CDU und der FDP, die den Frauenanteil senken.
Wie kann das sein? Ist die alte Bonner Männerrepublik nicht längst Geschichte? Ist aus Angela Merkel, die man zu Beginn ihrer Karriere despektierlich „Kohls Mädchen“ nannte, etwa nicht die „ewige Kanzlerin“ geworden? Haben Frauen nicht längst bewiesen, dass sie politikfähig sind, dass sie die Macht erobern und erhalten können? Hat das Herrenzimmer unter dem tapferen Bundesadler in Bonn sich in Berlin nicht längst in ein bunt gesprenkeltes, Politikerinnen gegenüber sehr aufgeschlossenes Parlament verwandelt? Andrea Nahles stand bis zum 3. Juni 2019 an der Spitze der SPD, die CDU wird von Annegret Kramp-Karrenbauer geführt, Grüne und SPD im Mann/Frau-Duo. Frau an der Macht! Also was?
Warum fällt es bis heute vielen Männern und Frauen so schwer, die Leistungen von Politikerinnen anzuerkennen? Warum fehlt es angehenden Politikerinnen mitunter an weiblichen Vorbildern? Und warum gibt es immer noch zu wenige Frauen an den Schaltstellen der Macht?
Diesen Fragen geht Autor Torsten Körner in der aktuellen EMMA nach.
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Torsten Körner; "In der Männer-Republik. Wie Frauen die Politik eroberten" (KiWi, 22 €). Der Dokumentarfilm zum Buch startet unter dem Titel "Die Unbeugsamen" am 6. Mai in den Kinos.