Die Fotografin & der Männerstaat

Nein, das ist nicht der Iran, das sind Abgeordnete der BRD 1949. - Fotos: © Bestand Erna Wagner-Hehmke/Haus der Geschichte, Bonn
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Wenn sie nicht gewesen wäre, wüssten wir heute nicht, wie es aussah, als sich die junge Bundesrepublik 1947/48 gründete. Es sah nämlich damals in Bonn so aus wie heute in Teheran: Männer, Männer, Männer. In den Sitzungen, in den Ausschüssen, in den Fluren, in der Mensa. Nicht eine einzige Frau. Die sitzen auf der Zuschauerinnentribüne und sehen den tagenden Herren zu. Auch das sehen wir auf den Fotografien.

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Fotografin Erna Wagner-Hehmke dokumentierte die frühe (Männer)Republik.
Fotografin Erna Wagner-Hehmke dokumentierte die frühe (Männer)Republik.

Erna Wagner-Hehmke hat alles dokumentiert. Die Düsseldorfer Fotografin, die sich bereits in den 1920er Jahren mit dem Portraitieren von Künstlern und Schauspielerinnen einen Namen gemacht hatte, wurde nach dem Krieg von der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung beauftragt, „die Arbeit des Parlamentarischen Rats vom 1. September 1948 bis zum 23. Mai 1949 zu dokumentieren“. Sie sollte festhalten, wie in Deutschland das Grundgesetz erarbeitet wurde.

Und das tat sie. Im Stil der neuen Sachlichkeit, ganz ohne den von den Nationalsozialisten gewohnten heroischen Pathos, fotografierte sie die bescheidenen Anfänge der Demokratie in zweckentfremdeten Klassenzimmern, im Hintergrund die Schultafel – bis hin zum Bau des künftigen Plenarsaales.

Wagner-Hehmke hatte das Ganze im Blick. Neben den offiziellen Bildern von Adenauer und Carlo Schmid finden sich auch Fotos der Fahrer und Sekretärinnen.

Die legendären "Mütter des Grundgesetzes" - von denen wir ohne Fotografin Hehmke vermutlich noch nicht mal ein Bild hätten.
Die legendären "Mütter des Grundgesetzes". Hätten wir ohne Fotografin Hehmke ein Bild von ihnen?

Und ohne diese Fotografin gäbe es etwas ganz Entscheidendes nicht: Das einzige gemeinsame Foto der vier Frauen, die dann doch bei diesem wichtigen Prozess dabei waren: Elisabeth Selbert, Frieda Nadig, Helene Weber und Helene Wessel. Die Mütter des Grundgesetzes, die damals – neben 61 Männern – die einzigen Frauen waren, die an dem Fundament unserer Demokratie mitschrieben. Bei allen noch existierenden Problemen: Wir Frauen sind in diesen letzten 75 Jahren doch ganz schön weit gekommen.

BETTINA FLITNER

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"Für immer Recht und Freiheit". Fotos: Erna Wagner-Hehmke, Text: Helge Matthiesen (Greven Verlag)

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