Meine Geschichte

Der Wechsel zum Grau

Artikel teilen

Seit Anfang 2018 bin ich grau. Da war ich 58. Viele Jahre habe ich gefärbt, nichts Extravagantes, einfach mein altes dunkelbraun, mal ohne Rotstich, mal mit. Aubergine, Kastanie, Mahagoni. Das Färben gehörte einfach dazu. So wie Nägel schneiden oder duschen. Klar war da mal so ein kurzer Gedankenblitz „Was wäre, wenn ich nicht mehr …?“ Aber der Übergang! Nein, das sieht ja voll ungepflegt aus. Perücke? Ich schwitzte schon, wenn ich nur daran dachte. Grau färben? Also wirklich nicht.

Anzeige

Dann war’s ganz einfach. Eine erforderliche Chemotherapie nahm mir die Entscheidung ab. Nach etwas mehr als einem halben Jahr mit Glatze, Tüchern und Perücke freute ich mich über den grauen Flaum, der da oben wuchs und immer dichter wurde. Der erste Friseurbesuch dauerte nur ein paar Minuten. Aber es musste doch etwas Form reingebracht werden in diesen Wildwuchs. Naja. Annie Lennox hat lange Haare im Vergleich zu mir damals.

Nach dem Friseurbesuch ging ich einkaufen. Ich fühlte mich nackt. Jeder starrte mich an. Dachte ich zumindest. Ich hängte mir große Ohrringe rein und schminkte mich etwas leuchtender. Das sah irgendwie gut aus. Dann nochmal Spießrutenlaufen auf der Arbeit und im Bekanntenkreis, bis es jeder mal gesehen hatte.

Heute bin ich immer noch grau. Nicht mehr ganz so raspelkurz. Aber kurz. Ich fühle mich gut. Authentisch. Ein Zufall, dass es grad auch „in“ ist. Frau Schrowange möchte gern „eine coole Alte“ werden. Ich freu mich, dass ich grad eine gesunde Alte bin. Und n’ bisschen cool.

Silvia, 59, Kissing

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite