Die Burkini-Shows an der Côte d'Azur

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Gerade ist mal wieder eine gelaufen, so eine Burkini-Show: in Cannes, während der Filmfestspiele. Da hatte der algerische Aktivist Rachid Nekkaz Frauen aus Paris zum Burkini-Baden an die Côte d‘Azur gekarrt. Nekkaz brüstet sich damit, in schon 1.192 Fällen die Burka-Strafe über 150 Euro (die Burka-Trägerinnen in Frankreich zahlen müssen) gezahlt zu haben. Er scheint mit einer Präsidentschafts-Kandidatur in Algerien zu liebäugeln. – Aus Australien hatte der TV-Sender Seven 2016 gleich eine ganze Familie zum Burkini-Baden an Frankreichs Mittelmeerstrand geflogen. Die Geschichte einer Manipulation.

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Vor einem Jahr gab es im Sommer in Nizza nicht nur ein schreckliches, von Allahu-Akbar-Rufen begleitetes Attentat mit 86 Toten und mehr als 400 Verletzten. Es gab danach auch zwei „Burkini“-Skandale. Den einen direkt am Strand von Nizza, nur wenige Meter von dem Ort des Grauens entfernt. Den zweiten nur wenige Kilometer entfernt. Dort schlendert die Medizinstudentin Zeyna Alshelh aus Sydney mit ihren Eltern zusammen am Strand entlang, gefolgt von versteckten Kameras. Grund: Die 23-Jährige und ihre Mutter tragen einen Bur­kini. Prompt machen sie Schlagzeilen: mit ihrer angeblichen „Vertreibung vom Strand“.

Doch es gibt eine Geschichte hinter der Geschichte. Zeyna, die seit ihrem zehnten Lebensjahr vollverschleiert ist, war mit ihren streng muslimischen Eltern nicht auf eigene Initiative ans Mittelmeer gereist. Der australische TV-Sender Seven, der mit seinem Bericht in der Sendung Sunday Night die weltweite Empörung über die „Vertreibung“ auslöst, hatte Eltern und Tochter für die Reise in Australien angeheuert und bezahlt.

An der Côte d’Azur setzte Seven versteckte Kameras ein und schnitt die Aufnahmen so zusammen, dass das vom Sender gewünschte Ergebnis erzielt wurde – obwohl sich in Wahrheit niemand am Strand über die verschleierten Frauen aufgeregt hatte. Nur die bei der Aktion gegen ihren Willen am Strand gefilmten Französinnen und Franzosen hatten sich aufgeregt. Doch in dem TV-Beitrag wurde vorsätzlich das Bild eines Frankreichs gezeichnet, das angeblich „Muslimen feindlich gegenübersteht“.

Auch bei der zuvor angeblich von Polizisten vom Strand von Nizza komplimentierten Burkini-Trägerin war rasch der Verdacht laut geworden, dass es sich um eine gezielte Provokation gehandelt habe: Die Frau hatte ihren Burkini nämlich schon ausgezogen, noch bevor die Polizisten sie überhaupt angesprochen hatten. Im zweiten „Burkini-Fall“ ist die bewiesene Manipulation des Senders ­Seven ein weiteres Beispiel für ein gezieltes Bashing des erklärt laizistischen Landes, geschürt durch die verdeckte Zusammenarbeit von AkteurInnen des politischen Islams sowie beflissenen Medien, die scharf auf einen klischeebeladenen „Clash der Kulturen“ sind.

Alshelh und ihre Familie waren von Seven als gewöhnliche „Mainstream-­Muslime“ vorgestellt worden. Was sie nicht sind, im Gegenteil. Sie gehören einer radikalen Minderheit an – die die Mehrheit der Muslime terrorisiert. Al­shelhs Vater, dessen Auftreten in diesem TV-Beitrag mit schriller Filmmusik aus „Der weiße Hai“ unterlegt wird, heißt Ghayath Alshelh und ist Kopf der „Islamic Charity Projects ­Association“ in Bankstown, einem Vorort von Sydney. Seine Vereinigung gehört der umstrittenen libanesisch-äthiopischen „Al Ahbash“-­Bewegung an.

Australische MuslimInnen und ihre Organisationen beschreiben Al Ahbash als „Randsekte“ und kämpfen seit langem dafür, dass deren radikalmuslimische Radiostation 2MFM geschlossen wird. Die Vereinigung, die auf ihrer Homepage den „Islam als einzig wahre Religion“ proklamiert, war schon 2015 ins Visier der Polizei geraten.

Über den verschwiegenen Fanatismus der Alshelhs hinaus, manipulierte der Sender ­Seven seine ZuschauerInnen noch zusätzlich: Die angebliche Ächtung der Burkini-Frauen, die den verzweifelt-hoffnungslosen Versuch unternehmen, den ausländerfeindlichen Franzosen eine Lektion in Toleranz zu erteilen, hat nie stattgefunden. Niemand wurde vom Strand vertrieben.

Glaubt man den Augenzeugen, die im Nice-Matin zitiert wurden, roch das ­Ganze von vorneherein nach Show. Die Badegäste wussten sehr genau, dass Frankreichs höchster Gerichtshof gerade erst das Burkini-Verbot des Bürgermeisters von Villeneuve-Loubet (bei Nizza) wieder außer Kraft gesetzt hatte.

Eine Französin, die den Vorfall laut Nice-Matin „mehr als suspekt“ fand, erzählte, wie sie mit ihrer Familie am Strand saß und sah, wie nur wenige Meter entfernt Kameras aufgebaut wurden. „Genau in diesem Moment tauchten ein Mann und zwei Frauen im Burkini auf. Sie gingen einige Minuten lang immer wieder den Strand auf und ab, dann blieben sie stehen und setzten sich direkt vor das Fernsehteam. Wir haben uns gleich gefragt, ob das ganze wohl inszeniert ist.“ Als zunächst keine Reaktionen kamen, hielten Mutter und Tochter Schilder zusätzlich hoch: „Qu’est-ce que vous pensez de mon burkini?“ (Was halten Sie von meinem Burkini?) und „Ask me to my burkini!“.

In Frankreich ist die Privatsphäre per Gesetz stark geschützt, Paparazzi haben nicht wie in Australien das Recht, einfach so zu filmen. Die Französin in Nice-Matin: „Der Mann in dem Video, der sagt: ‚Dreh dich um und verschwinde!‘, das war mein Onkel. Dem ging es aber nicht darum, dass die verschleierten Frauen den Strand verlassen sollten. Er sprach in Richtung Kameramann! Da waren Kinder am Strand, darunter unsere, und wir wollten nicht, dass sie gefilmt werden. Er hat dann die Polizei gerufen. Aber auch nicht etwa, damit sie die Frauen verjagen; sondern einfach nur, weil er die Filmcrew ­daran hindern wollte uns zu filmen.“

Ein weiterer Zeuge, Stéphane, erzählt in Nice-Matin: „Das war einfach zu übertrieben, um echt zu sein. Der Mann und die beiden Frauen hatten es eilig, sich in Szene zu setzen. Innerhalb von zehn Sekunden hatten sie ihre Handtücher ausgelegt und ihren Sonnenschirm aufgestellt. Dann bauten sie sich genau in der Mitte des Zugangs zum Jet-Ski-Privatstrand auf. Weil sie anderen im Weg waren, kam der Besitzer des Strandes heraus und bat sie darum, woanders hinzugehen.“ Auch die Szene diente den TV-Leuten als Beweis, dass die Frauen „verjagt“ wurden.

Stéphane entdeckte nun die Journalistin und ihren Kameramann, die hatten sich hinter Autos versteckt. „Es war klar, dass sie auf Reaktionen warteten“, erzählt der Junge. „Da war ein Auto, dass auf sie wartete, so dass sie im Notfall hätten abhauen können.“

Zeynab Alshelh jedoch behauptete in der Sendung, sie sei „bedroht“ worden und man habe ihr gesagt, sie solle verschwinden. Und sie kommentiert: „Auch wenn es in Australien hie und da Vorfälle von Rassismus gibt, sagt wenigstens die Regierung nicht, dass es okay ist, rassistisch zu anderen zu sein.“ – Allerdings hat auch die Regierung in Frankreich so etwas noch nie gesagt. Im Gegenteil.

Französische Publikationen wie Europe1 online und ­Causeur fragten nach dem Bericht, wie ausgerechnet Australien dazu komme, Frankreich eine „Lektion in Moral“ erteilen zu ­wollen. Und sie erinnern an das „multikulturelle Paradies“ Australien mit seinen Krawallen in Cronulla, einem Vorort von Sydney, und den offensichtlich rassistisch motivierten ­Gewalttaten.

Befragt nach der Rolle des TV-Senders erwiderte die muslimische Studentin, die bis heute jegliche Inszenierung bestreitet, dass sie sich nicht zu „finanziellen Fragen“ äußern wolle, man solle sich an Seven wenden. Sie gab aber zu, dass der TV-Sender ihre ­Familie wegen des „Ausflugs“ nach Frankreich kontaktiert habe.

Die blamable Seven-Reportage war im Sommer 2016 viral rund um den Globus gegangen – dank der Medien, die nach Beweisen zu dem „völlig unbegründeten Anstieg von Islamophobie“ in Frankreich hungern.

Vorschlag: Das nächste Mal könnte Seven Zeynab Alshelh finanziell dabei unterstützen, wenn sie ihr Glück in Saudi-Arabien oder im Iran versucht – und dort ihr Kopftuch ablegt. Die zukünftige Medizinerin könnte mit der versteckten Kamera auch nach Ägypten fahren, wo Ärzte illegale Genitalverstümmelung bei kleinen Mädchen praktizieren. Zum Beispiel.

Emma-Kate Symons

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