Elisabeth Badinter über Maria Theresia

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Maria Theresia, geboren am 13. Mai 1717, also vor genau 300 Jahren, war eine Frau der Superlative. Sie erlangte mit nur 23 Jahren die absolute Macht. Die übte sie souverän aus, obwohl sie von ihrem Vater, Karl VI., in keiner Weise darauf vorbereitet worden war. Trotz der offiziellen Mitregentschaft ihres Ehemannes führte sie die Regierungsgeschäfte alleine und bekam währenddessen 16 Kinder.

Sie war schön, charmant, willensstark und prinzipientreu, eine gute Strategin, herrschte über weite Gebiete vom Norden bis in den Süden Europas und zählt zu den prägenden Monarchinnen des aufgeklärten Absolutismus. Und sie hatte mit Problemen zu kämpfen, die Frauen aus dem 21. Jahrhundert nur allzu gut kennen: der Vereinbarkeit von Ehe, Kindern und Karriere.

Können wir heute noch etwas aus ihrer Biografie lernen? Diese Frage stellte sich die französische Feministin Élisabeth Badinter, Jahrgang 1944. Sie war aufgrund des Briefwechsels von Maria Theresia mit ihrer Tochter Marie Antoinette auf die Regentin des Hauses Habsburg gestoßen.

Badinter fokussiert die Regentin und stellt deren Kriege in den Vordergrund. Sowohl die Reformen Maria Theresias – wie die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, die Aufhebung der Leib­eigenschaft, die Abschaffung der Folter und Verwaltungsreformen – als auch die Schattenseiten ihrer Herrschaft bleiben außen vor, wie religiöse Intoleranz und Judenverfolgung.

Und erstaunlicherweise wird auch die Beziehung zu ihren elf Töchtern ausgeblendet. Die emanzipierte Regentin erzog diese nämlich als gottesfürchtige und fügsame Gattinnen und nahm in Kauf, sie mit ihrer berühmt-berüchtigten Heiratspolitik unglücklich zu machen. Eine Ausnahme machte sie nur bei ihrer Lieblingstochter Marie Christine.

Maria Theresia hat ihr Land über vier Jahrzehnte regiert und deswegen auch in gewisser Weise „verkörpert“. Badinter erweitert die Theorie des Mediävisten Ernst Kantorowicz über die zwei Körper des Königs und spricht von den drei Körpern der Königin: dem natürlichen, sterblichen Körper der Frau; dem symbolischen, unsterblichen Körper der Herrscherin und dem mütterlichen Körper, der Kinder bekommt.

Maria Theresia füllte alle drei widersprüchlichen Rollen aus: die der loyalen Gattin eines geliebten, jedoch flatterhaften Ehemannes; die der Mutter von 16 Kindern, um deren Erziehung sie sich selbst (wenn auch nicht alleine) kümmerte und mit denen sie intensive Beziehungen führte; und die der Herrscherin über ein riesiges Reich. „Eine Herausforderung“, schreibt die Philosophin, selbst Mutter von drei Kindern, „mit der kein männlicher Herrscher und nur wenige ­ihresgleichen konfrontiert wurden“.

Viele Herrscherinnen haben sich die Strategien der Macht von ihren berühmten Vätern abgeschaut. Doch Maria Theresias „Verlangen nach Macht dürfte sich eher auf die – von mächtigen Frauen geprägte – mütterliche Linie sowie auf ihre eigene Charakterstärke zurückführen lassen“, stellt Badinter fest und porträtiert drei Maria Theresia nahe stehende Frauen: die Großmutter Christine Luise von Oettingen-Oettingen, die Mutter Elisabeth Christine und die „Mutter des Herzens“ Charlotte von Fuchs.

Vor Maria Theresia war Mutterschaft das größte Hindernis für weibliche Herrschaft, weil eine Frau, wie es hieß, zu sehr mit der Mutterschaft befasst sei und nicht selbst Heerführerin sein könne. Maria Theresia jedoch deutete die Rolle des Souveräns als strenger Vater um in jene einer gütigen Mutter des Vaterlandes und machte damit aus ihrer „weib­lichen Schwäche“ das oberste Prinzip ­ihres Regierens. Sie wechselte gekonnt zwischen Weiblichkeit und Virilität. Etwa bei ihrer perfekt inszenierten Krönung zum „König von Ungarn“, wo sie als „Frau mit dem Schwert“ auftritt, um kurze Zeit später zur „Mutter in Tränen“ zu wechseln, um die Unterstützung der Ungarn im Krieg gegen Friedrich II. zu erlangen.

Diese Verschränkung von Privatem und Öffentlichem nennt Badinter nicht nur „das wesentliche Merkmal des Lebens und des Regierungsstils Maria Theresias“. Sie stellt auch die Frage, ob es nicht vielleicht sogar das „Spezifikum jeder weib­lichen Macht“ sein könnte.

Maria Theresia genoss die Macht, ließ sie sich aber nicht zu Kopfe steigen – und wollte sie bis zum Schluss nicht abgeben. Mit der Unterzeichnung des Friedens von Teschen 1779 gegen den Willen ihres Sohnes und Mitregenten ­Joseph II. – den sie damit degradierte und düpierte – siegte ein weiteres Mal die Herrscherin über die Mutter.
 

Elisabeth Badinter: Maria Theresia. Die Macht der Frau. Aus dem Franzö­sischen von Horst Brühmann und Petra Willim (Zsolnay, 24 €). – Ebenfalls gerade erschienen und auf der Leipziger Buchmesse mit dem Preis für das beste Sachbuch prämiert: Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia – die Kaiserin in ihrer Zeit (C.H. Beck, 34 €). – 300 Jahre Maria Theresia, Ausstellung im Schloßhof Wien, bis 29.11.  www.mariatheresia2017.at

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