Die erste Autofahrerin

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Ohne Berta Benz wäre das Automobil bestimmt nicht so schnell in die Gänge gekommen - das geben inzwischen auch Autohistoriker zu. Denn Carl Benz, der als einer der Erfinder des Automobils in die Geschichte einging, "brauchte immer jemanden zum Anschieben,   Gang   einlegen   oder Lenken", wie seine Biografen feststellen. Eine Biografie der tatkräftigen, praktischen Frau, die 1849 in Pforzheim geboren wurde, sucht man jedoch vergebens.

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Die beiden lernten sich in Pforzheim kennen und heirateten 1872. An die mehrjährige Verlobungszeit erinnerte sich Berta Benz 1936 in einem Interview der Zeitschrift "Berliner Hausfrau": "Ich bin wohl überhaupt der erste Mensch, der gewusst hat, ein Auto soll gebaut werden, Ende der 60er Jahre lernte ich meinen Mann in Pforzheim kennen, als er beim Brückenbau war. Zuerst sprach er davon, dass es mit Dampf angetrieben werden sollte. Eigentlich sollte es erst nur ein Fuhrwerk  für ihn selbst werden. Aber er war doch schon immer der Meinung, er wolle die Welt vorwärts bringen."

Und Carl Benz schrieb in seinen Erinnerungen: "In Pforzheim war mir das Glück begegnet. Jung und schön! Berta Ringer hieß das temperamentvolle Pforzheimer Kind, das fortan mitbestimmend und mitberatend in den Kreis meiner Ideen und Interessen trat."

Ohne Zweifel an dessen Erfolg lässt sich Caecilie Berta Ringer noch vor der Hochzeit die Mitgift auszahlen und steckt das Geld, etwas mehr als 4.244 Gulden, in die Entwicklungsarbeit und Fabrik von Carl Benz, in die gerade gegründete "Eisengießerei und mechanische Werkstätte" in Mannheim. 1874, zwei Jahre nach der Heirat, begann Carl Benz mit den Zeichnungen und Berechnungen für einen Motor, seine Fuhrwerkspläne konkretisierten sich - auch dank der Denkanstöße seiner Frau. "Wir haben dauernd über seine Pläne gesprochen", erzählt Berta Benz im Alter. "So wurde ich dann sehr vertraut mit aller Technik."

1879, in der Silvesternacht, sollte die laut knatternde Zukunftsmusik der ersten Tüfteleien in der Remise erklingen: "Weihnachten war sehr bescheiden gewesen, wir hatten ja unser ganzes Geld in den Motor hineingesteckt", meinte Berta Benz später. "Ein-, zweimal zündete er ja; aber laufen, richtig laufen wollte er nicht." In der Silvesternacht motivierte Berta Benz ihren Mann zu einem letzten Probelauf - und siehe da, der Motor sprang an. Der erste Benz lief rund und regelmäßig. Berta: "Alle meine Hoffnungslosigkeit, mit der ich in der letzten Zeit in die Zukunft gesehen hatte, war verschwunden."

Benz gründete eine weitere Firma, die "Benz & Cie, Rheinische Gasmotoren-Fabrik", und konstruierte dort Antriebe für "kleine Kutschen ohne Pferde". - Berta Benz flickte derweil ohne Nähmaschine. Denn Ehemann Carl hatte den Dynamo ausgebaut und als Zünder für seinen Motor zweckentfremdet.

Die Testläufe des ersten motorisierten Dreirades begannen 1886, Berta Benz immer obenauf auf dem Kutschbock: "Es war immer noch schwer - Versuchsfahrten!" seufzte sie noch in der Erinnerung. "Und wenn wir dann heimgekehrt sind, und wir sind ohne Schieben heimgekehrt, war das ein Freudentag für uns."

Auch in den Ortschaften, in die die ersten Testfahrten führten, gab es Schwierigkeiten: Bürger beschwerten sich ob der lauten, stinkenden Belästigung, Pferde scheuten vor dem Lärm. Das hatte Auflagen zur Folge. Die neuen Gefährte fanden kein Interesse, es fehlten potentielle Kunden und damit wieder die Finanzen, um weiter zu tüfteln. In Berlin hatte Kaiser Wilhelm II. von "Stinkkarren" gesprochen, und die Mannheimer spotteten über die gefährlichen, nutzlosen "Chaisen" ohne Pferde.

Wieder war Carl Benz dieser Kritik nicht gewachsen. Ihn deprimierte das Unverständnis seiner Zeitgenossen, obwohl er schon zur "Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung" eingeladen war und man in München mit Spannung die Erfindungen aus Mannheim erwartete. Wieder war es Berta Benz, die im Sommer 1888 für bessere Stimmung sorgte: Von ihren Söhnen Richard und Eugen animiert, startete sie die allererste Langstreckenfahrt.

In den frühen Morgenstunden eines Augusttages 1888 verließen Mutter und Söhne auf dem "Modell Nummer 3" die Mannheimer Werkstatt – der Vater verschlief das Ereignis. Er wähnte seine Familie im Zug und hätte sicherlich auch einiges an diesem Unterfangen auszusetzen gehabt. "Ich bin doch aus Pforzheim. Und meine Mutter, die war eine begeisterte Anhängerin von unserem Wagen", begründete Berta Benz später ihre riskante Fahrt. Bertas Mutter hing an Pferden und hatte Zeit ihres Lebens bedauert, wie sich die Tiere an den Hügeln des Schwarzwaldes quälten. "Sie war glücklich zu erleben, dass eines Tages die Pferdekraft im Fuhrwerksverkehr durch Maschinenleistung ersetzt wäre".

Auf den 180 Kilometern von Mannheim nach Pforzheim war die Panne ein stetiger Begleiter: Mehrmals mussten die ledernen Bremsbeläge beim Schuster ausgewechselt werden, danach verstopfte die Benzinleitung, ein andermal funktionierte die Zündung nicht mehr. Dank Bertas Hutnadel und Strumpfband konnten diese Malaisen behoben werden. Anstrengender waren auch die Bergstrecken, auf denen Berta und Sohn Eugen das Gefährt schoben, während der leichtere Richard steuerte. Auch die Benzin- und Wasserversorgung bereitete Probleme: Nur selten hatten die Apotheken entlang der Strecke genügend Ligroin zur Verfügung. Etwa alle 20 Kilometer musste an Bächen, vor Wirtshäusern oder Bauernhöfen gestoppt werden, um das Kühlwasser auszuwechseln. Erst in der Nacht war deshalb das Ziel erreicht, und Vater Benz erhielt das beruhigende Kabel über die geglückte Jungfernfahrt.

Die Premiere erregte Aufsehen: zunächst in Pforzheim, wo das Vehikel schnell zur Volksbelustigung arrivierte, danach in München, wo Carl Benz Zweifler auf die Fahrt verweisen konnte. Berta Benz blickte zu recht stolz auf ihre Testfahrt zurück: "So hab ich als erste gezeigt, dass dem 'Papa Benz' sein Automobil auch für weite Strecken gut ist. Und auf meinen Vorschlag hat er dann noch einen dritten Gang eingebaut für Bergfahrten."

Auch Carl Benz wusste, was er an seiner Frau, die 1944 starb, hatte: "Sie war wagemutiger als ich und hat einst eine für die Weiterentwicklung des Motorwagens entscheidende, sehr strapaziöse Fahrt unternommen."

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