Die erste deutsche Frau im All!

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Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, die erste deutsche Astronautin ins All zu schicken?
Die Idee hatte ich 2015 nach der Mission von dem Astronauten Alexander Gerst. Da habe ich gedacht: Das können wir nur noch toppen, wenn wir als nächstes eine deutsche Frau ins All schickt.

2017 klingt dafür ja fast ein bisschen spät. Hat die „European Space Agency“, die ja für die Auswahl zuständig ist, das Thema bisher verschlafen?
In gewisser Weise schon. Es gab 2008 die letzte AstronautInnen-Auswahl, da hatten sich über 300 Frauen beworben. Aber keine hat es ins Finale geschafft. Und daraufhin hieß es: Es gibt einfach nicht genug ausreichend qualifizierte Kandidatinnen.

Sie haben 400 Bewerbungen aus Deutschland gesichtet.
Ja, genau. Es gab etliche geeignete Kandidatinnen fürs All. Das ist ja genau der eine Punkt, den wir wiederlegen wollen.

Wer hat sich denn so beworben?
Einige sind bei der ESA im Bodenpersonal, haben also jetzt schon viel mit Astro­nauten und Weltall-Missionen zu tun. Andere arbeiten in der Luftfahrt. Zum Beispiel bei einem Institut, das via Flugzeug Klimauntersuchungen in der Antarktis oder am Nordpol macht. Eine Kampfjet-Pilotin ist auch dabei, das finde ich besonders toll!

Und wie ging es dann weiter?
Im Oktober haben wir mit den physischen und psychologischen Tests beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt angefangen. Danach gehen die besten acht Kandidatinnen in die medizinischen Untersuchungen beim DLR. Ende Februar werden die Finalistinnen feststehen, also die Bewerberinnen, die für einen Flug ins All geeignet sind. Im April 2017 werden zwei Fina­listinnen ausgewählt, die Mitte 2017 mit dem Astronauten-Training beginnen. Eine von beiden soll 2020 zur Internationalen Raumstation fliegen.

Wer entscheidet denn darüber, ob die Frauen mitfliegen dürfen?
Wenn wir die finanziellen Mittel, sprich 30 bis 40 Millionen Euro, zusammenbekommen, können wir wie bei einem Reisebüro ein Ticket kaufen. Und bis 2020 wird nicht mehr nur die russische Raumfahrtagentur, sondern auch Unternehmen wie SpaceX und Boeing kommerzielle Flüge zur ISS anbieten. Wir sind mit allen drei Anbietern im Gespräch. Die Raumfahrt kommerzialisiert sich, das kommt uns entgegen.

Die Amerikaner und die Russen haben lange vor Deutschland Frauen ins All ­geschickt.
Ja. Deutschland ist eine der führenden Technologie-Nationen. Dass wir ein halbes Jahrhundert nach der Mondlandung immer noch keine Frau ins Weltall geschickt haben, kann ich manchmal selbst nicht glauben. Es gab nicht nur bei uns lange die Überzeugung, Frauen wären für die Raumfahrt körperlich nicht geeignet.

Was muss eine Frau denn mitbringen, um geeignet zu sein?
Neben einem technischen oder medizinischen Studium: körperliche Fitness und Gesundheit. Astronautinnen dürfen nicht klaustrophobisch oder höhenängstlich sein. Sie müssen eine gehörige Portion Abenteuerlust und Mut haben. Und auch eine sehr große Leidenschaft für die Sache. Und dann müssen sie natürlich schon … Ich sag’s jetzt mal auf bayerisch: Was aushalten können!

Und wie sieht das Astronautinnen-Training aus?
Es gibt Tauchtraining, weil man die Schwerelosigkeit sehr gut unter Wasser simulieren kann. Es gibt Simulationen von Notlandungen und Überlebenstraining fürs Weltall. Und die Frauen lernen die Raumstation in- und auswendig kennen: Wie funktionieren die Geräte? Welche Knöpfe sind wofür? Wie gehe ich mit den Experimenten um? Für ­alles gibt es genaue Handbuchanleitungen. Um Astronautin zu werden, sollten Sie kein Problem damit haben, diese Regeln auch genau zu befolgen. Spontane Kreativität ist im Weltall nicht so gefragt.

Was genau tut die Astronautin dann an Bord der ISS?
Sie wird zwischen sieben und 20 Tagen dort sein und vor allem medizinische Forschung betreiben. Es waren ja noch gar nicht so viele Frauen im All. Es gibt also auch nicht genügend Daten darüber, wie sich der weibliche Körper in der Schwerelosigkeit verhält. Da geht es um Frage wie Körperflüssigkeitenverteilung, Verhalten des Gleichgewichtsorgans und auch Hautalterung oder Calcium-Abbau in den Knochen. Es geht aber auch um soziale Fragen: Wie funktionieren geschlechtergemischte Teams auf so engem Raum?

Wie lebt eine Frau so im All?
Sie bekommt ihren Schlafplatz zugeteilt, wo sie dann auch ihren Schlafsack installieren kann. Das ist eine kleine Kabine, die etwas Privatsphäre bietet. Und dann hat sie einen sehr geregelten Alltag. Es wird im Minutentakt durchgeplant, wie viel Zeit sie wann mit welchem Experiment verbringen soll. Außerdem sind zwei Stunden Sport am Tag nötig, damit sich die Muskeln nicht zu sehr abbauen.

Wie groß ist die ISS eigentlich?
Flächenmäßig ist sie so groß wie zwei Fußballfelder. Es gibt nur ein Modul mit Fenster. Nicht zu vergessen: Die ISS ist seit 15 Jahren im Orbit und seitdem ist auch nicht mehr gelüftet worden.

Sie haben etwas mit Hillary Clinton gemein: Sie wollten auch zu einer Zeit Astro­nautin werden, als das für Frauen kein Thema war.
Ja. Das ging damit los, dass ich als Vierjährige die Mondlandung im Fernsehen gesehen habe. Da habe ich beschlossen, dass ich da auch hin möchte. Und das möchte ich immer noch.

Wie kamen Sie auf die Idee?
Ich bin eher als der Junge in der Familie aufgewachsen. Mein Vater war Automechaniker und ich war schon früh mit seinem Schraubenschlüssel in der Garage unterwegs. Und immer, wenn mich jemand gefragt hat, was ich werden will, habe ich geantwortet: Astronautin! Dafür wurde ich oft ausgelacht. Ha, ha, ha, du niedliches kleines Mädchen! Aber das hat meinen Ehrgeiz erst recht angestachelt. Ich habe die Sache dann durchgezogen: Physik- und Matheleistungskurs und in den 80er Jahren dann ein Maschinenbau-Studium in München.

Wie viele Frauen gab es in dem Studium damals?
Wir waren zehn Frauen unter 1.000 Studierenden. Die Professoren haben manchmal die Vorlesungen unterbrochen, wenn wir zu spät in den Hörsaal kamen, um uns persönlich zu begrüßen. Das war dann ein bisschen peinlich. Aber ich hatte unter den Studenten auch einen, der für mich mitgeschrieben hat; einen, der kopiert hat; einen, der Kaffee geholt hat; und einen, der meine Tasche getragen hat.

Gab es denn für Sie als Frau nur diese Vorteile, aber keine Hürden?
Doch, ich durfte im Praktikum zum Beispiel nicht fräsen, weil das angeblich zu gefährlich war. Ich war auch nicht besonders gut in dem Fach Maschinen-Elemente. Da mussten wir damals die technischen Zeichnungen noch per Hand machen. Der Professor war der Überzeugung, dass Frauen das nicht können.

Sie waren Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt. Ist die Förderung von Frauen da Thema?
Leider nicht. Genau deswegen haben Simonetta Di Pippo und ich vor sieben Jahren „Women in Aerospace Europe“ gegründet. Wissen Sie, als ich angefangen habe zu studieren, da habe ich mich nicht darüber gewundert, dass es so wenige Frauen in dem Bereich gibt. Aber dass ich fast drei Jahrzehnte später immer noch so alleine auf weiter Flur bin, damit habe ich nicht gerechnet! Aber das Bewusstsein, dass wir Frauen stärker fördern müssen, ist gewachsen. Wobei wir natürlich gleichzeitig vor dem Problem stehen, dass immer noch sehr wenige Frauen ein ingenieurwissenschaftliches Studium aufnehmen. Deswegen hoffen wir, dass die Astronautinnen ein Vorbild für Mädchen werden.

Und wann fliegen Sie denn nun ins All?
2020 noch nicht – aber dann hoffentlich bald!

Das Gespräch führte Alexandra Eul

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