Erste Frau kommentiert Männer-EM
Natürlich hatte Claudia Neumann gewusst, dass ihre Berufung „nicht widerspruchslos“ durchgehen würde. Eine Frauenstimme bei einem Männerspiel? „Ich weiß, dass es auf jeden Fall Männer geben wird, die das nicht akzeptieren können und wollen. Die werden, sobald sie eine Frauenstimme hören, auf jeden Fall auf Durchzug schalten.“
Hier geht Emanzipation eindeutig zu weit!!!
Aber wie heftig so manchen Fußball-Fan die Entscheidung des ZDF für die erste Live-Kommentatorin bei einem internationalen Männer-Fußballturnier aus der Fassung bringen würde, das ist nun doch erstaunlich. Kostproben: „Hier geht Emanzipation eindeutig zu weit!!!“ – „Gott sei Dank kann man(n) den Ton ja ausstellen!“ „Der größte Witz des Jahrhunderts!“ – „Wahnsinn, was sich die Öffentlich-Rechtlichen so ausdenken und wir MÜSSEN das auch noch bezahlen!“
Für einige der Kommentatoren scheint schwer vorstellbar, dass es sich bei einer Frau, die Ahnung von Fußball hat, tatsächlich um eine „richtige“ Frau handeln könnte: „Ich glaube, die Dame hieß früher mal Uwe“, schreibt einer. Ein anderer ist offenbar der Ansicht, dass Männer per se das schlauere Geschlecht sind und kontert: „Nein, dann würde sie nämlich nicht nur Quatsch erzählen.“ Und schließlich bringt einer auf den Punkt, was das Problem ist: „Bitte nicht das auch noch. Das sollte den Männern alleine bleiben. Zum Schluss spielen sie noch auf dem Feld mit!“
Frauen und Männer zusammen auf einem Fußballfeld – nicht auszudenken!
Kommen wir nach diesem amüsanten Ausflug in die Geschlechter-Steinzeit zur Sache: Claudia Neumann ist seit 25 Jahren als Sportreporterin und -kommentatorin unterwegs. Die gebürtige Dürenerin war sechs Jahre Redakteurin bei der Sat 1-Sportsendung ran, seit 1999 ist sie Redakteurin und Reporterin in der ZDF-Hauptredaktion Sport. Sie kommentierte als erste Frau bei der Frauen-Fußball-WM 2011 ein internationales Live-Fußballspiel – und war damit die erste WM-Kommentatorin im deutschen Fernsehen.
Gott sei Dank kann man(n) den Ton ja ausstellen!
Die 52-Jährige kickte schon als Mädchen mit den Jungs auf der Straße. Zum Leidwesen ihrer Mutter, wie sie dem Portal www.diespielerfrau.de erzählte: „Das letzte Mal, dass ich ein Kleid anhatte, war bei meiner Kommunion“, erinnert sich Neumann lachend, „und da wurde ich förmlich reingezwungen. Viel lieber habe ich die Fußballklamotten meines Bruders aufgetragen.“
Allein unter Männern – das kennt Neumann also schon ewig. Vielleicht ist sie deshalb so gelassen, was die Retro-Kommentare zu ihrer Nominierung anbelangt. „Einem Fußballfan, der nichts anderes hat als seinen Verein, seine Kneipe, sein Bier, seinen Schal, sein Gegröle in der Masse, können wir doch die Welt nicht neu erklären, und das will ich auch nicht.“ Stattdessen schreibt Claudia Neumann ab dem 10. Juni ganz entspannt Fußball- und Fernsehgeschichte.
PS vom 20. Juni: Inzwischen gibt es als Reaktion auf den bis heute anhaltenden Shitstorm gegen die EM-Kommentatorin übrigens die Petition "Claudia Neumann soll das EM Finale kommentieren". Gar kein so schlechter Vorschlag, oder?