Die Facebookgruppe der Frauenhasser
Den Verdacht gab es schon länger, aber jetzt ist es bewiesen: Nämlich, dass die schlimmsten sexistischen Influencer im Internet keine alten Grottenmolche sind, sondern moderne jüngere Männer. Jetzt wurde das von einem Medium entlarvt, in dem sich die Täter tummeln: nämlich von der linken Tageszeitung Libération.
Die Zeitung titelte mit der schockierenden Enthüllung: Was wie ein virtueller Boys-Club begann, hat sich zum gezielten Cybermobbing gegen Frauen entwickelt: Die französische Tageszeitung Libération hat am Freitag öffentlich gemacht, dass eine private Facebook-Gruppe von rund 30 französischen Journalisten, Medienleuten und Werbern über Jahre Frauen im Netz gemobbt hat.
Im Wesentlichen war die Gruppe, der nur am Anfang auch wenige Frauen angehörten, in den Jahren von 2009 bis 2012 aktiv, einzelne Mitglieder sind es allerdings bis in die Gegenwart. Besonders schockiert die Tatsache, dass alle Beteiligten Teil einer linksliberalen Medienszene sind, in der Feminismus und Antirassismus zum guten Ton gehören.
„Es war nicht unsere Absicht, Frauen zu belästigen. Wir wollten nur Spaß haben“, schreibt der Journalist Vincent Glad in einer öffentlichen Stellungnahme. Glad, bis vor Kurzem Journalist bei der linksliberalen Tageszeitung Libération, hatte die Gruppe 2009 gegründet. „Wir sahen nicht, dass wir das Leben derjenigen, über die wir uns derart lustig machten, teilweise zur Hölle machten“, schreibt Glad heute.
Allein der Name der Gruppe lässt ahnen, dass alles wie ein schlechter Männerwitz begonnen haben muss: Die „LOL-Liga“ haben sie sich genannt, la ligue du LOL, eine Abkürzung im Netzjargon, wenn etwas zum Totlachen ist. Unter diesem Label haben die Mitglieder der Gruppe Kolleginnen, vor allem Feministinnen, lächerlich gemacht, beleidigt, gemobbt und Gruppenattacken ihrer Opfer gezielt koordiniert. Zum Totlachen waren die Aktionen allerdings nur für die Täter, nicht für die Opfer. Die Frauen wurden wegen ihrer Meinung, wegen feministischer Äußerungen, ihres Aussehens, teilweise aber auch ihrer Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit kollektiv gemobbt.
Enthüllt wurde der Skandal nicht etwa von den Opfern oder couragierten Journalistenkollegen, sondern dank des Faktencheckdienstes der linken Tageszeitung Libération. Auf die schlichte Frage, ob die Gerüchte über die „LOL-Liga“ stimmen und Feministinnen in den sozialen Netzwerken über Jahre gemobbt worden seien, bestätigte CheckNews am vergangenen Freitag die Existenz der Gruppe und veröffentlichte eine ausführliche Rekonstruktion, bei der ein Kollege als Gründer, andere als Mitglieder entlarvt werden.
Am Dienstag widmete die Libération seine Titelseite dem Thema und hofft damit, einen Prozess der Selbstkritik in den französischen Medien einzuleiten. Bis dahin hatte die Enthüllung des eigenen Faktenchecks keine großen Wellen in Frankreich geschlagen. Libération stellt den Skandal in eine Reihe mit MeToo und führt andere, vergleichbare Attacken auf Kolleginnen in anderen Medien an.
Es müsse jetzt nachgedacht werden über Sexismus im Journalismus und das von Männern bestimmte Milieu, es heißt dort: „Wir müssen nachdenken über das einheitliche Format an der Spitze der Medien und ihrer Redaktionen, entstanden durch Mechanismen der Kooptation, der Bestätigung und Selbstpromotion von Profilen, für die die so genannte „LOL-Liga“ eine schönes Beispiel liefert.“
Der Autor des CheckNews-Artikels, der den Skandal enthüllt hat, lässt zahlreiche Opfer zu Wort kommen. Zitiert wird beispielsweise eine feministische Autorin, die unter dem Pseudonym Daria Marx bloggt:„Über Jahre war ich zusammen mit feministischen Freundinnen Zielscheibe dieser Pariser Männchen, die sich über uns lustig machten. Ich war fett, also hatte ich nicht das Recht, mich öffentlich zu äußern.“
Marx berichtet, dass ein pornografisches Foto einer übergewichtigen Frau, „die mir entfernt ähnelte“, auf Twitter die Runde machte, mit dem Kommentar, dass man ihr Sextape gefunden habe. Die Fotomontage hatte Stephen Des Aulnois zusammengestellt, der Chefredakteur von „Tag Parfait“, einer Pornokultur-Website, der inzwischen von seinem Posten zurückgetreten ist: „Ich war damals ein bisschen neben der Kappe“, rechtfertigt sich Des Aulnois heute. „Ich habe mit Photoshop ihr Gesicht mit dem Körper einer Pornodarstellerin kollagiert, die ihr etwas ähnelte. Mich hat das zwei Minuten gekostet.“ Die Kurznachricht hat er inzwischen gelöscht. „Es war scheiße. Keine Frage“, sagt Des Aulnois heute.
Glad, Gründer der Gruppe, rechtfertigt seine Aktion mit folgenden Worten: „Es kam uns alles wie ein großes Spiel vor. Es war ein großer Pausenhof, ein Sandkasten. Wir betrieben Trolling, wir fanden das cool. Heute kann man das als Mobbing bezeichnen.“
Glad war sich allerdings auch schon damals bewusst, dass sich in der Gruppe Meinungsmacher zusammengefunden hatten, die die Techniken der zu diesem Zeitpunkt noch neuen sozialen Medien bereits perfekt beherrschten. „Wir waren einflussreich, und das stimmt natürlich, wenn wir jemanden kritisierten, konnte das große Wellen schlagen. Die Leute waren fasziniert von uns, wir waren die Anführer der Twitter-Bande.“
Tatsächlich waren alle Mitglieder der Gruppe vor rund zehn Jahren junge Talente der Medienszene, denen viele folgten, weshalb ihre Attacken oft Schneeballeffekte auslösten. Einige Mitglieder der Gruppe haben inzwischen verantwortungsvolle Posten. Einige wurden suspendiert, bei anderen Entlassungen eingeleitet, wieder andere sind selbst zurückgetreten.
Ein Großteil der Attacken liegt mehr als zehn Jahre zurück, und die Autoren haben viele Spuren inzwischen beseitigt. Ihre Opfer haben nur in Ausnahmefällen Beweise gesichert. Cybermobbing gilt in Frankreich als Straftat, die mit bis zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von bis zu 45.000 Euro für Vergehen seit August 2018 belegt werden können.
Für Taten, die in den Jahren zwischen 2014 bis 2018 begangen wurden, drohen zwei Jahre Haft und 30.000 Euro Strafe. Gegen Vergehen vor 2014 allerdings kann nur wegen Beleidigung, Diffamierung oder Bedrohung geklagt werden, weil die Gesetze noch nicht auf das neue Phänomen zugeschnitten waren.
Ausgabe bestellen