Die Fischerkönigin

Vereinsrecht am Haken: Klägerin Christiane Renz (links), Anwältin Susanne Bräcklein und deren Tochter Foto: privat
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Das bayerische Memmingen ist nicht nur „das Tor zum Allgäu“ (und Ort des berühmt-berüchtigten Abtreibungsprozesses), es ist auch die Tür in eine Vereinswelt, die Frauen bislang ausgegrenzt hat. Dafür hat die Memmingerin Christiane Renz gesorgt. Vor dem Amtsgericht hat sie 2020 erstritten, dass künftig auch Frauen beim traditionellen „Fischertag“ in den Stadtbach springen dürfen, um ihn leer zu fischen. Danach wird der Bach abgelassen und gereinigt. Der „Fischertag“ findet jedes Jahr im Juli statt, 1.200 Fischer machen mit, Frauen dürfen die Fische in die Kübel setzen, bis zu 30.000 Menschen schauen dabei zu. Der Tag ist nicht irgendein Dorffest, aus ihm gehen Könige hervor: Jedes Jahr wird der "Fischerkönig" gekürt. Und das seit 1465. 2022 könnte es die erste Königin sein.

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Was wiegt schwerer: Vereinsautonomie oder Gleichberechtigung?

„Seit meiner Jugend hat es mich gefuchst, dass nur Jungen und Männer am Fischertag mitmachen können“, sagt Christiane Renz. Gern hätte die heutige Tierärztin einmal mitgemacht. „Immer wieder gab es Mädchen, die sich als Jungen verkleidet, mit einer geliehenen Fischermarke hineinsprangen, doch ich wollte es ganz legal machen.“ Immer wieder forderten Frauen eine Reform, immer wieder jedoch berief sich der „Fischertagsverein“ mit seinen 5.000 überwiegend männlichen Mitgliedern auf die Tradition. Doch dann erfuhr sie von dem Bundesfinanzhof-Urteil von 2017, das der Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit aberkannte, weil diese Frauen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen hatte. Denn gemeinnützige Organisationen sind ja steuerbegünstigt, und Steuern zahlen nun mal Männer UND Frauen. Für Christiane Renz die Initialzündung, den Fischerkönigen endlich die Krone streitig zu machen.

Unterstützung fand sie schnell in der Berliner Anwältin Susann Bräcklein, die wiederum ihrerseits seit Jahren dafür kämpft, dass die staatlich geförderten Knabenchöre auch Mädchen ausbilden. „Was wiegt schwerer, Vereinsautonomie oder Gleichberechtigung?“, fragte Anwältin Bräcklein. Die Frage hat Strahlkraft, weit aus dem Tor zum Allgäu hinaus. Die Vorsitzende Richterin beantwortete sie so: „Der Ausschluss von Frauen ist eine unzulässige Diskriminierung.“ Sie gab der Klägerin in vollem Umfang Recht.

Und nicht nur das. Die Richterin hat ihr Urteil so detailliert und überwölbend begründet, dass man es auch über den Memminger Streit hinaus auf andere Vereine übertragen kann. Nur ein paar Beispiele: Der Fischertagsverein kann sich nicht auf seine „Vereinsautonomie“ berufen, weil der Tag mit seinen 30.000 BesucherInnen eine enorme Außenwirkung und der Verein damit eine besondere soziale Machtstellung hat. Und da auch Jungen im Grundschulalter teilnehmen, stehe die körperliche Befähigung nicht zur Diskussion.

Anwältin Bräcklein: Der Verfassungsstaat ist kein Museum!

Ebenso zählt der Verweis auf die Tradition laut Richterin nicht, gerade weil der Verein seine Tradition in anderen Punkten bereits mehrfach gebrochen hat: Es können sogar Männer am Ausfischen teilnehmen, die nicht mehr in der Stadt gemeldet sind. Es gibt also weit und breit keinen Grund, warum nicht auch Frauen den dicksten Fisch aus dem Wasser ziehen sollen. Anwältin Bräcklein feierte den Sieg vor Gericht als „Signal“ an alle Vereine Deutschlands, die Frauen grundlos ausgrenzen: „Das Vereinsrecht ist eines der letzten Reservate, in dem der willkürliche Ausschluss von Frauen oder Minderheiten bislang akzeptiert wurde.“ Und zur Berufung auf die altehrwürdigen Traditionen sagt sie: „Der Verfassungsstaat ist kein Museum!“

Vereine wie der Fischertagsverein seien oft an kommunale Strukturen gebunden und spielten bei der politischen Meinungsbildung eine Rolle. Gerade solche Institutionen dürften nicht ein Geschlecht privilegieren.

Tatsächlich ist es das erste Urteil in Deutschland, das eine „mittelbare Grundrechtswirkung“ in das Vereinsrecht bringt. Das heißt: Das Urteil hat klargestellt, dass „das verfassungsmäßig garantierte Gleichstellungsgebot und Diskriminierungsverbot auch im Privatrecht gilt“, so Anwältin Bräcklein.  Die drei Frauen (Klägerin, Anwältin und Richterin) haben Rechtsgeschichte damit geschrieben! Mit der gewohnheitsrechtlichen Diskriminierungsbefugnis unter der Joppe des Vereinsrechts ist nun Schluss.

Wie viele Frauen 2022 in den Memminger Stadtbach springen wollen, ist noch nicht bekannt. Christiane Renz wird springen. Der Fischerverein überlegt derweil noch, ob er den Schritt vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe wagen will.

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Alice Schwarzer schreibt

Vergnügungssteuer für Männervereine!

Jungs unter sich: So macht das Spaß! - Foto: imago/IPON
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Pünktlich vor der Stichwahl zum SPD-Parteivorsitzenden (in der Scholz gegen Walter-Borjans antritt) verkündete der SPD-Finanzminister seinen Angriff auf die „reinen Männervereine“. Denen soll in Zukunft die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn sie keine Frauen zulassen; das heißt, sie müssten Steuern zahlen.

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Der SPD-Spitzenkandidat wird davon ausgehen, dass das den Frauen gefällt. Wie es die Männer ärgert, scheint er nicht zu ahnen (Doppelspitze zuhause und in der Partei).

Die Wellen schlagen hoch. „Laschet geht auf Scholz los“, titelt Bild. Und: „GroKo-Zoff um Traditionsvereine“. Das ist so richtig ein kleines, süffiges Skandal-Thema für die Medien – und eines für den Wahlkampf. Denn der Vorschlag ist in der Tat nach dem Herzen vieler Frauen. Die finden es – seit der Virus Feminismus grassiert – immer gut, wenn die „reinen Männervereine“ einen vor den Latz kriegen: vom Schützenverein bis zur Vorstandsetage.

Wir Emanzen
gönnen
den Jungs ihr
Vergnügen

Und die Männer? Die erregen sich erwartungsgemäß. Was denn noch? Das ist doch jetzt wirklich übertrieben!

EMMA möchte in die Wellen der Erregung noch einen – den vielleicht letzten? - Tropfen fallen lassen. Wir schlagen vor, dass „die reinen Männervereine“ in Zukunft „Vergnügungssteuer“ zahlen müssen. Denn schließlich ist es für die Herren der Schöpfung doch offensichtlich ein Vergnügen, in Schützen- oder Sportvereinen endlich mal ganz unter sich zu sein.

Wir Emanzen gönnen den Jungs ihr Vergnügen. Doch wir meinen, sie fallen damit ganz klar unter das Gesetz für die „Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen besonderer Art“. Dieses Steuergesetz ist Sache der Kommunen. In der Kommune Köln zum Beispiel fallen sieben „Vergnügungen besonderer Art“ unter das Gesetz. Bei fünfen geht es um Prostitution oder Pornografie (Ein Thema, auf das wir zurückkommen werden!). Beim sechsten um Spielclubs und beim siebenten um „Tanzvergnügungen“ (Was soll das?).

Nummer acht könnten die „reinen Männervereine“ werden. Denn die sind doch nun wirklich ein Vergnügen besonderer Art. Oder, Jungs?

EMMA meint: Dieses Vergnügen sollten wir den Männern auf keinen Fall nehmen. Schließlich ist so eine Auszeit von der schwer erschütterten Männerwelt etwas, was erregte männliche Gemüter beruhigt, ja besänftigt. Mal ganz davon abgesehen, dass auch so manche Ehefrau sich freuen dürfte, Ihn aus den Füßen zu haben, um dieselben mal in Ruhe hochlegen zu können.

Emanzen, ab an den Herd! (Kollegah)

Das dürfte auch die (weiterhin unsichtbare) Verlobte von Kollegah so sehen. Der rief am Dienstagabend bei seinem Konzert vor dem halbleeren Saal im Kölner E-Werk (auf 2.000 Plätzen zirka 400 Besucher, davon 90 Prozent männlich): „Wir haben heute einen actionreichen Tag gehabt. Hat einer von euch da draußen die Emanzen-Demonstranten noch begrüßt? Vielleicht mit einem Gastgeschenk? Mit einem Kochlöffel oder einem Topf oder so was?“

Klar, Kollegah, wir Frauen an den Herd und du in deinen reinen Männerverein. Der war allerdings noch nie gemeinnützig – im Gegenteil: eher gemeingefährlich.

Aber schweifen wir nicht ab. Auch Nicht-Kollegah-Fans wollen mal ihre Ruhe haben. Frauenfrei. Also, Herr Finanzminister, was läge da näher als eine Vergnügungssteuer für „reine Männervereine“?

Alice Schwarzer

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