FRAUENFÖRDERUNG IN DER WIRTSCHAFT: Die

Artikel teilen

Die mächtigste Frau der Welt heißt: Angela Merkel. So die Einschätzung der amerikanischen Zeitschrift Forbes, die die Bundeskanzlerin zur Nummer Eins auf ihrer diesjährigen Liste der einhundert einflussreichsten Frauen gekürt hat. Auf den nächsten 99 Plätzen ist allerdings keine einzige Deutsche zu finden. Die meisten der dort genannten sind erfolg­reiche Geschäftsfrauen in den Vereinigten Staaten. Amerikanische Unternehmerinnen dominieren auch auf der Liste der 50 mächtigsten Frauen, die das Magazin Wirtschaftswoche erstellt hat. Als einzige deutsche Frau in der Position einer Vorstandschefin ist dort Ingrid Matthäus-Maier erwähnt, die Vorstandssprecherin der staatlichen KfW-Bankengruppe.

Anzeige

Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) werden in Deutschland mehr als 80 Prozent der Minderheit weiblicher Aufsichtsratsmitglieder (10 Prozent) von den Ar­beit­­nehmervertretungen entsandt. Für die Arbeit­nehmerseite gelten nämlich gesetzliche Quotenregelungen zur Entsendung von Männern und Frauen in die Aufsichtsräte. Ohne diese Mitbestimmungs­regelungen sähe es noch düsterer aus, sagt Elke Holst, wissenschaftliche Mitarbeiterin am DIW.

Was aber ist zu tun, damit das gesetzlich verankerte Ziel der Chancengleichheit bis hinauf in die Führungsetagen deutscher Unternehmen endlich Wirklichkeit wird? Holst schlägt vor, dass die Number One of the World, Bundeskanzlerin Merkel, eine hochrangige „Glass-Ceiling“-Kommission einrichtet, die dann unter Führung des Wirtschafts- und Ar­beits­ministeriums tätig wird. Die Kommission solle „die ökonomischen und ge­sell­schaftlichen Konsequenzen aufzeigen, die aus dem geringen Anteil von Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen entstehen, sowie Empfehlungen und verbindliche Maßnahmen für Unternehmen und die Regierung entwickeln, die zur Überwindung der Barrieren für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen beitragen“, schreibt die Ökonomin in einem DIW-Wochenbericht (‚Führungskräfte im internationalen Vergleich‘).

Glass Ceiling, das ist die Gläserne Decke, die in Amerika mit staatlicher Hilfe durchstoßen werden soll. Der amerikanische Kongress verabschiedete 1991 den „Glass Ceiling Act“ im amerikanischen Bürgerrechtsgesetz. Die amerikanische Glass Ceiling-Kommission hatte den Auftrag, die unsichtbaren strukturellen Barrieren, die versteckten Benachteiligungen und Ausschlussmechanismen, die Frauen den Zugang zu Führungspositionen versperren, zu untersuchen.

Was der amerikanische Arbeitsminister Robert Reich, der Vorsitzende der Kommission, damals bei der Präsentation des Kommissionsberichts beklagte, hat weiterhin Gültigkeit: Die gläserne Decke verwei­gert nicht nur den betroffenen Frauen die soziale Gerechtigkeit, sie hat auch erheb­liche negative Auswirkungen für die ameri­ka­ni­schen Unternehmen und die ame­ri­ka­nische Wirtschaft insgesamt: Durch den Ausschluss hochqualifizierter Frauen von Füh­rungspositionen wird wertvolles „Hu­man­kapital“ nicht genutzt. „Dass die gläserne Decke durchbrochen werden muss, weil sie der Wettbewerbsfähigkeit schadet, ha­ben mittlerweile auch diejenigen begriffen, die zunächst nur Lippenbekenntnisse zur Erhö­hung des Frauenanteils in Füh­rungs­positionen abgaben“, sagt Mary Cranston, eine kalifornische Rechtsanwältin, die seit Jahrzehnten gegen die Diskriminierung von Frauen in juristischen Beru­fen ficht.

In Deutschland allerdings scheint es sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, dass gemischte Teams die Produktivität erhöhen und Betriebe es sich aufgrund des Geburtenrückgangs bald nicht mehr leisten können, auf Frauen in der Führungsriege zu verzichten. Die Diskussion über wirtschaftliche Argumente zur Durchbrechung der gläsernen Decke sei in Deutschland „erst in Anfängen zu beobachten“, sagt Michel Domsch, Professor für Personalwesen und internationales Management an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Mary Cranston ist dieser Debatte längst überdrüssig: „Das Glass Ceiling-Phänomen ist mehr als genug studiert worden. Was fehlt, ist einfach der Wille, Frauen in Führungspositionen zu lassen.“

Die 58 Jahre alte Juristin, die Partnerin der internationalen Großkanzlei Pillsbury Winthrop Shaw Pittmann ist, gehört zu den PionierInnen der ‚No Glass Ceiling Initiative‘ des Anwaltvereins von San Fran­cisco. Nahezu neunzig Kanzleien und Rechts­abteilungen haben sich mittlerweile im Rahmen der Initiative verpflichtet, den Anteil weiblicher Partner zu erhöhen und Rechenschaft darüber abzulegen.

Ermutigt durch die Fortschritte wurde die Zielmarke für San Francisco und Umgebung kürzlich von 25 Prozent auf 30 Prozent bis zum Jahr 2010 heraufgeschraubt. Für die Kanzleien jenseits der Bucht von San Francisco bleibt es dagegen bei der bisherigen Vorgabe, dass ein Viertel der Partner Frauen sein sollten (bisher 17 Prozent). Damit die Zielmarken auch tatsächlich erreicht werden, müssen die Kanzleien und Rechtsabteilun­gen bestimmte Maßnahmen ergreifen, die sich bei der Karriereförderung von Frauen bewährt haben. Dazu gehören: objektive Beförderungskriterien, direkte Verantwort­lichkeit der Führungsriege für Diskriminierungsfragen, Mentoren-Pro­gram­me und die Unterstützung informeller wie formeller Kontaktpflege sowie flexible Arbeitszeiten und das Angebot für PartnerInnen, auf Teilzeit umzustellen.

Geschadet haben den amerikanischen Law Firms diese Maßnahmen offenbar nicht. Im Gegenteil: Zahlreiche Großkanz­leien werben damit, die ‚No Glass Ceiling Initiative‘ zu unterstützen. Auch haben mittlerweile andere Anwaltvereine, zum Beispiel der von New York City, ähnliche Programme gestartet.

Mit einer gewissen Sehnsucht blickt Mechtild Düsing aus Münster, Mitgründerin der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein (DAV), auf die amerikanischen Initiativen. Ähnliche Maßnahmen braucht man dringend auch in Deutschland, findet sie. Denn obwohl der Frauenanteil im Anwaltsberuf gestiegen ist, gibt es nur wenige Anwältinnen in größeren Kanzleien „und schon gar nicht als Partner“. Die Statistik zum Frauenanteil im Notariat sei „so peinlich“, dass sie gar nicht erst veröffentlicht wird, klagt Düsing. Aber: „Die Kammern haben noch gar nicht erkannt, dass sie nach den EU-Richtlinien verpflichtet sind, Maßnahmen zur Frauenförderung zu ergreifen oder zumindest mal die Ursachen der Unterrepräsentanz zu erforschen“, sagt die Rechtsanwältin und Notarin. „Die meinen natürlich alle, die Frauen seien selbst schuld.“

So ganz falsch sei das leider nicht, findet Jutta Wagner-Blasche von der ‚Vereinigung für Frauen im Management‘ (FIM): „Meist stehen sich Frauen auch selbst im Weg, weil sie ihre Ansprüche auf höhere Bezahlung und bessere Positionen nicht energisch genug einfordern“, klagt sie. Außerdem verdürben sich viele deutsche Frauen ihre Karrierechancen durch unberechenbares Ausdehnen der Elternzeit.

Regine Bendl, Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien mit dem Forschungsschwerpunkt Gender- und Diver­si­tätsmanagement in Organisationen, be­stätigt, dass Europa um Jahre hinterherhinkt. „In den Vereinigten Staaten sind femi­nistische Fragestellungen der Neuen Frauenbewegung schon um Jahre früher angegangen worden; daher ist der Anteil an Frauen in Führungspositionen dort höher“, sagt sie. Auch sei „das Bewusstsein bezüglich Diskriminierung in den Vereinigten Staaten aus historischen Grün­den anders gelagert als in Deutschland und in Österreich. Der amerikanische Gesetzgeber habe schon vor Jahrzehnten im Bereich der Privatwirtschaft interveniert, um Chancengleichheit im Erwerbsleben zu gewährleisten, ergänzt Julia Lepperhoff vom GenderKompetenzZentrum an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dagegen sei die Debatte in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und weniger um gezielte Frauenförderprogramme geführt worden.

Das Problem, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, lösen insbesondere Frauen in Westdeutschland dadurch, dass sie erst in Elternzeit gehen und danach eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen – mit negativen Folgen für die Karriere, so Lepperhoff. „Teilzeit und Führung gilt in Deutschland in der Regel als nicht kompatibel.“ In den Vereinigten Staaten ist das nicht viel anders, aber es gibt immerhin Ansätze, beides zu verbinden. So ermög­lichen einige amerikanische Großkanzleien ihren Partnerinnen eine Teilzeitbeschäftigung.

Vor allem aber sind in den Vereinigten Staaten drei Viertel der Frauen Vollzeit beschäftigt, in Deutschland sind es knapp zwei Drittel. Auch unterbrechen die Amerikanerinnen, die nicht in den Genuss großzügiger Mutterschutz- und Elternzeitregelungen kommen, ihre Berufstätigkeit für die Geburt von Kindern im Durchschnitt nur für ein halbes Jahr. Da in den Vereinigten Staaten außerdem umfassendere Möglichkeiten der privaten Kinderbetreuung für hochqualifizierte Frauen bestehen, kommt es laut Lepperhoff gar nicht erst zu „durchschlagenden Brüchen in der Erwerbsbiographie, die sich als ,Karriereknick’ bemerkbar machen“.

Also: Nicht nur hoch über der Gläsernen Decke muss sich noch einiges tun in Deutschland – sondern auch tief im Herzen der deutschen Mutter.

Artikel teilen
 
Zur Startseite