Die komische Alte

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Die Donald Duck-Übersetzerin Erika Fuchs starb am 22. April 2005 im Alter von 98 Jahren in München. Nachfolgend ein Porträt zu ihrem 88. Geburtstag im Jahr 1994.

Ich war vier, als ich meinen ersten „Mickey- Maus“- Comic bekam. Das war 1958, und ich konnte nicht lesen. Trotzdem brachte mir mein Vater das Heftchen vom Zeitungs-Kiosk mit, wo er nach der heiligen Messe immer die „Welt am Sonntag“ kaufte. Eigentlich wollte er sich den Comic selber eine Freude machen, denn er war vernarrt in Donald Duck.

1958 wusste ich noch nicht, das eine Frau die Chef- Redakteurin der deutschen Mickey- Maus war. Diese promovierte Kunsthistorikerin übersetzte mehr als 30 Jahre lang meine heißgeliebten Donald- Geschichten vom Amerikanischen ins Deutsche und kreierte denkwürdige Sprüche wie: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“. Und mit den Wortschöpfungen „ächz“, „stöhn“, „seufz“, schluchz“, und „stammel“ prägte Dr. Erika Fuchs über Jahrzehnte nicht nur meine Sprache. Vor allem aber füllte die Dame unserere köpfe mit den aufmüpfigen Gedanken- und das zu einer Zeit, in der noch niemand an die antiautoritäre Erziehung und Studentenrevolten dachte.

Donalds Neffen Tick, Trick und Track waren viel schlauer als der Onkel, sie tanzten ihm auf dem Kopf herum, getreu dem Fuchs´schen Motto: „ Wir pfeifen auf Pomade, auf Seife, Kamm und Schwamm! Wir bleiben lieber dreckig und wälzen uns im Schlamm!“ Das ging mir runter wie Butter, denn ich musste als Schulmädchen noch regelmäßig in der Ecke stehen. Prompt sahen Pädagogen den Untergang des Abendlandes gekommen wegen Lautmalerein wie „schmatz“, „würg“, „kotz“ in Erika Fuchsens Sprechblasen.

Mein Vater machte sich keiner Sorgen. Da er selbst alle Geschichten las, wusste er, dass Donald Duck die Anwendung von Genitiv und Dativ besser beherrschte als die Duden- Redaktion. Außerdem konnte der Erpel Schillers Wallenstein und Goethes Faust auswendig. Die blödelnde Akademikerin vermittelte mir en passant Bildungsgüter, vor denen ich in Schwester Radegundes Deutschunterrichts konsequent die Ohren verschloss. Der Mickey- Maus- Texterin habe ich auch meine erste Bewegung mit dem Feminismus zu verdanken (das ist meinem Vater zum Glück entgangen). Durch die Lektüre der Donald- Geschichten lernte ich früh, dass Männer ständig mit eregierten Bürzeln herumlaufen und frau sie nicht weiter ernst nehmen muß. Daisy Duck zum Beispiel, lässt ihren Vetter nun schon seit 60 Jahren abblitzen. Vor allem aber Oma Duck ist eine echte Entenmanze. Sie lässt nicht nur Knecht Franz Gans nach ihrer Pfeife tanzen, sondern auch Dagobert Duck, den reichsten Erpel der Welt.

Erika Fuchs ist eben ein Kind der ersten Frauenbewegung. Geboren wurde sie 1906 im tiefsten Hinterwald, in Belgard an der Persante, als Tochter eines Elektrizitätswerk- Direktors. In der hinterpommerschen Kreisstadt war es Mädchen auch nach dem ersten Weltkrieg noch nicht erlaubt, das Abitur zu machen. Was Erika nicht auf sich sitzen ließ! Sie steckte sich hinter die Sozialdemokraten im Stadtrat und durfte schließlich das örtliche Knaben- Museum besuchen, als einziges Mädchen. Später studierte die kecke junge Frau Kunstgeschichte und Archäologie in Lausanne und London. Und sie promovierte über den Barock Bildhauer Feuchtmayer in München. Rückblickend empfindet die so gar nicht alte Dame die 20er Jahre als ihre beste Zeit: „ Als wir Mädchen uns die Haare abgeschnitten haben, da waren wirklich alle überzeugt, dass die Welt untergeht.“

Als dann die Nazis die Macht an sich rissen, zog Erika Fuchs sich mit ihrem Mann - ein Fabrikant und Erfinder („Dem Ingeniör...“) - ins Fränkische zurück, erneut in den Hinterwald. Aus dem tauchte sie dann Ende der 40er Jahre wieder auf- wie Daisy aus dem Ententeich. Erika Fuchs übersetzte zunächst für „ Das Beste“ von „Reader´s Digest“. Die Micky Maus wurde vom selben Verlag in Stuttgart betreut, und so geriet die Kunsthistorikerin 1951 an ihren neuen Job. Den fand sie zunächst einfach schauderhaft, dann aber verliebte sie sich heiß und innig in die Bande. Folge: Die deutschen Donald Geschichten gelten als die Besten der Welt, weil der Sprachwitz und die Tiefgründigkeit der Übersetzerin das amerikanische Original weit in den Schatten stellt.

Donald Duck ist am 9. Juni 60 geworden. Erika Fuchs wird am 7.Dezember 88. Zwar ist sie vor acht Jahren aus der Chefredaktion der Micky Maus ausgezogen, aber von den Enten kann sie sich nicht trennen. Für die deutsche Ausgabe der „Barks Library“ überträgt sie weiterhin die bisher unveröffentlichten Donald Duck Geschichten ins Deutsche. Und, klar, auch die Stories über die Oma Duck.

Übrigens: Ich habe gehört, dass die betagte Enten- Dame klammheimlich aufrührerische Artikel für eine Entenmanzen- Zeitschrift schreibt mit Überschriften wie: „Erpel verpisst euch, keiner vermisst euch!“ Wenn mein Vater das wüsste...

Cornelia Filter, EMMA November/Dezember 1994

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