Die lieben KollegInnen 2005

Artikel teilen

Ist Alice Schwarzer die Kanzlermacherin? Hört sich so an. Doch zuviel der Ehre. Aber wie immer aufschlussreich.

Anzeige

Ober-Feministin Alice Schwarzer ist eigens angereist. Zahlreiche Kamerateams sowieso. Denn so ein Aufgebot hat man nicht alle Tage – und wenn die Wahlumfragen nicht täuschen, wird man es demnächst nicht mehr sehen: Sechs Bundesministerinnen auf einen Schlag, eine von ihnen, die grüne Verbraucherschützerin, lässt aus dem Urlaub grüßen, plus eine Staatsministerin. So viel Frau auf einmal ist selten in der Berliner Politik. (…) Etliches davon gibt der Feministin Schwarzer zu denken: „Es wäre schade, wenn das alles nicht weitergeführt würde.“ Nur: so geschlossen wie an diesem Montag hätten die Frauen in Schröders Kabinett „lieber schon mal viel früher auftreten sollen.“ Frankfurter Rundschau, Vera Gaserow

Angela Merkel rezensierte seinerzeit für Deutschlands führendes Feministinnen-Blatt Susan Faludis Buch ‚Die Männer schlagen zurück‘. Kein Wunder, dass EMMA der CDU-Kanzlerkandidatin gleich auf dem Titel mit dem Ausruf „Schwester Angie“ um den Hals fällt. Allerdings dann doch mit einem Fragezeichen versehen. Jahrelang musste Herausgeberin Alice Schwarzer – im eigenen Blatt nur als „Alice“ tituliert – mit ansehen, wie Angie mit „Kübeln von Frauenverachtung überschüttet“ wurde. Da nehme es nicht Wunder, dass diese auf dem Weg nach oben ihr „Frausein“ geleugnet habe. Frankfurter Rundschau, Christoph Twickel

Die Publizistin und umstrittene bürgerliche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hält eine Kanzlerin in der Bundesrepublik nach mehr als einem halben Jahrhundert für längst „überfällig“. Junge Welt

Was wäre, wenn Frau Merkel eine Wessa wäre? Sie würde in dem Becken strampeln, in dem Alice Schwarzer, Verona Feldbusch (oder wie die heißt), die lockenwicklige Mutter Beimer, die beiden leidgebeugten Ministerinnen Schmidt, die von Osteoropose entstellte Uschi Glas, Uta Ranke-Heinemann im giftgrünen Lederjäckchen und Hildegard Hamm-Brücher unter stählerner Badekappe darauf warten, kurzzeitig herausgefischt zu werden: zu Spendensammelaktionen im ZDF oder die Bestückung von national erhebenden Rundtischgesprächen bei den parteinahen Stiftungen, zu Pinguintaufen, zu Kirchen- und Kindertagen oder am 17. Juni. Junge Welt

„Eine Sensation“ hat das die Feministin Alice Schwarzer voller Überschwang genannt und damit am Empfinden Frau Merkels doch letztlich vorbeigezielt. Die Kandidatin nimmt für sich andere Kennzeichnungsetiketten als das Geschlecht in Anspruch, um die Besonderheit ihres Erfolges zu markieren. FAZ, Johannes Leithäuser

Alice Schwarzer empfiehlt der CDU-Chefin, sich doch bitte offensiv für die Interesse ihres Geschlechts einzusetzen. Genau dies meidet „die Angie“ wie die Pest, und dafür sollten wir Frauen ihr danken. Financial Times Deutschland, Ines Zöttl

Mit Bunte-Chefin Patricia Riekel versteht sich die Kanzlerkandidatin 2005 ebenso wie mit Gudrun Bauer. Alice Schwarzer, im Alter eher dem bürgerlichen Wertekanon zuneigend, muss schon von Funktions wegen für die Frau sein, die als erste und derzeit einzige die Chance hat, Kanzlerin zu werden. V.i.S.d.P., Hajo Schumacher

In diesen Tagen ist die Frauenaktivistin Alice Schwarzer eine der meistbeschäftigten Polit-Kommentatorinnen. Und besorgt fragen Boulevard-Medien: „Wohin mit der Handtasche beim Staatsbesuch?“ Kurz: Die Deutschen werden sich erst daran gewöhnen müssen, von einer Frau regiert zu werden. Ob mit oder ohne Handtäschen. Welt am Sonntag, Cornelia Schmergal

K-Fragen, die Deutschland bewegen: Kann sie das? Kann eine Frau überhaupt gewählt werden? Kann es sein, dass Frau Merkel sich die Mundwinkel hat liften lassen? Kann es sein, dass eine Frau, in diesem Fall als Politikerin, nur das verspricht, was sie auch einzuhalten gedeckt? (…) Und zuletzt die K-Frage an uns alle: Kann es sein, dass drei Jahrzehnte nach dem ersten Erscheinen der EMMA solche Fragen überhaupt noch gestellt werden? Liegt es daran, dass Alice Schwarzer nur noch als Rate-Tante auftritt? Lübecker Nachrichten, Gisela Groth

Wenn einer Umfrage von Infratest-Dimap Glauben geschenkt werden darf, dann spielt das Geschlecht des Spitzenkandidaten für die Mehrheit der Deutschen (74 Prozent) keine Rolle. Gleichwohl glauben 71 Prozent der Deutschen, dass es eine Frau als Bundeskanzler „schwerer“ haben könnte als ein Mann, Reformen mit tiefen sozialen Einschnitten durchzusetzen. Schwere Zeiten also für „Frauenpower“? Auch die deutsche Oberfeministin Alice Schwarzer sieht Angela Merkel in keiner leichten Position. Westdeutsche Zeitung, Anja Clemens

EMMA September/Oktober 2005

Artikel teilen
 
Zur Startseite